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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
8C_101/2011 
 
Urteil vom 14. September 2011 
I. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Ursprung, Präsident, 
Bundesrichterin Niquille, Bundesrichter Maillard, 
Gerichtsschreiber Kathriner. 
 
Verfahrensbeteiligte 
W.________, vertreten durch 
Rechtsanwalt Hans Stünzi, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
1. AXA Versicherungen AG, 
General Guisan-Strasse 40, 8400 Winterthur, 
vertreten durch Fürsprecher Martin Bürkle, Raggenbass Rechtsanwälte, 
2. Zürich Versicherungs-Gesellschaft AG, Rechtsdienst, Generaldirektion Schweiz, 8085 Zürich, 
Beschwerdegegnerinnen. 
 
Gegenstand 
Unfallversicherung (Kausalzusammenhang), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 6. Dezember 2010. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
A.a Die 1957 geborene W.________ war bei der R.________ angestellt und damit bei der Zürich Versicherungs-Gesellschaft (nachfolgend: Zürich) gegen die Folgen von Unfällen versichert, als sie am 10. Oktober 1997 beim Anfahren vor einem Rotlicht mit ihrem Auto in das vor ihr stehend Fahrzeug fuhr. Sie litt danach unter Schulter- und Nackenschmerzen, Blockaden in der Halswirbelsäule (HWS) und später dann an Kopfschmerzen, Müdigkeit und Konzentrationsstörungen. In der Folge steigerte sie ihre Arbeitstätigkeit wieder auf 100 %. 
A.b Am 23. Januar 2000 rutschte W.________ aus, stürzte und brach sich dabei das rechte Handgelenk. Zu diesem Zeitpunkt war sie bei der Winterthur International (heute: AXA Versicherungen AG; nachfolgend: AXA) unfallversichert. Die ärztliche Behandlung dauerte bis 11. Juli 2000. Am 7. November 2001 meldete sie einen Rückfall zum Unfall vom 10. Oktober 1997. Mit Verfügung vom 23. Mai 2003 sprach die Zürich W.________ eine Integritätsentschädigung gestützt auf einen Integritätsschaden von 7 % zu und verneinte den Anspruch auf eine Rente der Unfallversicherung. 
A.c Am 4. Juni 2005 erlitt sie mit ihrem Fahrzeug in einer Kolonne stehend einen Auffahrunfall. Die AXA, bei der sie versichert war, erbrachte die gesetzlichen Leistungen. Am 21. Juli 2007 erstattete das Spital B.________ ein polydisziplinäres Gutachten. Mit Verfügung vom 16. Juni 2008 und Einspracheentscheid vom 9. Januar 2009 stellte die AXA die Versicherungsleistungen ein. Auch die Zürich stellte mit Verfügung vom 22. Januar 2008 und Einspracheentscheid vom 16. März 2009 ihre Leistungen ein. 
 
B. 
W.________ liess gegen beide Einspracheentscheide Beschwerde erheben. Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich vereinigte die beiden Verfahren und wies mit Entscheid vom 6. Dezember 2010 die Beschwerden ab. 
 
C. 
Mit Beschwerde lässt W.________ die Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides und von der AXA die Ausrichtung einer Rente basierend auf einem Invaliditätsgrad von mindestens 70 % ab Juli 2006 beantragen. Die AXA sei zudem zu verpflichten, eine Integritätsentschädigung gestützt auf einen Integritätsschaden von 45 % zu bezahlen. Ferner wird die Zusprache einer Prozessentschädigung für das vorinstanzliche Verfahren beantragt. 
Die Zürich beantragt, es sei festzustellen, dass der Entscheid der Vorinstanz hinsichtlich ihrer Leistungspflicht unangefochten geblieben sei und demzufolge keine Leistungspflicht der Zürich bestehe. Eventualiter sei die Beschwerde hinsichtlich der Leistungspflicht der Zürich abzuweisen. Die AXA schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es prüft grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG; BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254). Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG). 
 
2. 
Die Zusprechung von Leistungen der obligatorischen Unfallversicherung setzt grundsätzlich das Vorliegen eines Berufsunfalles, eines Nichtberufsunfalles oder einer Berufskrankheit voraus (Art. 6 Abs. 1 UVG). Der Unfallversicherer haftet jedoch für einen Gesundheitsschaden nur insoweit, als dieser nicht nur in einem natürlichen, sondern auch in einem adäquaten Kausalzusammenhang zum versicherten Ereignis steht (BGE 129 V 177 E. 3 S. 181). Dabei spielt die Adäquanz als rechtliche Eingrenzung der sich aus dem natürlichen Kausalzusammenhang ergebenden Haftung des Unfallversicherers im Bereich organisch objektiv ausgewiesener Unfallfolgen praktisch keine Rolle, da sich hier die adäquate weitgehend mit der natürlichen Kausalität deckt (BGE 134 V 109 E. 2 S. 111 f.; 127 V 102 E. 5b/bb S. 103). Sind die geklagten Beschwerden natürlich unfallkausal, nicht aber objektiv ausgewiesen, so ist bei der Beurteilung der Adäquanz vom augenfälligen Geschehensablauf auszugehen, und es sind gegebenenfalls weitere unfallbezogene Kriterien einzubeziehen (BGE 134 V 109 E. 2.1 S. 111 f.). 
 
3. 
Streitig und zu prüfen ist der Kausalzusammenhang zwischen dem Unfallereignis vom 4. Juni 2005 und den noch geklagten Beschwerden. 
 
3.1 Das kantonale Gericht stützte sich bei seiner Beurteilung einerseits auf das polydisziplinäre Gutachten des Spitals B.________ vom 21. Juli 2007. Andererseits berücksichtigte es die Stellungnahmen der beiden beratenden Ärzte der AXA Dr. med. H.________ vom 29. November 2007 und 5. Juni 2008 sowie Dr. med. A.________ vom 29. Mai 2009. Es folgte dem Gutachten des Spitals B.________ insofern, als es einen natürlichen Kausalzusammenhang zwischen den noch geklagten Beschwerden und dem Verkehrsunfall vom 10. Oktober 1997 sowie der beim Sturz vom 23. Januar 2000 erlittenen Radiusfraktur verneinte. Dies ist unbestritten. Eine Leistungspflicht der Zürich besteht daher nicht. 
 
3.2 Die Gutachter des Spitals B.________ diagnostizierten bei der Beschwerdeführerin im Wesentlichen ein chronisches zervikozephales und rechtsseitiges zerviko-spondylogenes Schmerzsyndrom. Sie beurteilten eine deutliche Osteochondrose C4/5 als organisches Substrat für die Nackenbeschwerden, die Ausstrahlungen gegen den Hinterkopf und rechten Gesichtsschädel sowie den rechten Arm. Bereits im Dezember 1997 sei im MRI eine diskrete mediale Diskusprotrusion C4/5 dokumentiert gewesen. Bei einer weiteren Befunderhebung vom 26. Februar 2002 sei keine wesentliche Änderung festgestellt worden. Hingegen sei zwischen diesem Zeitpunkt und dem MRI vom 20. Juni 2006 eine eindeutige Progredienz eingetreten. In diesem Zeitraum liege auch der Unfall vom 4. Juni 2005. Es scheine daher wahrscheinlich, dass dieser Unfall zu einer richtunggebenden Verschlimmerung geführt habe, wenn gleich dies anhand der lückenhaften Dokumentation radiologisch nicht mit letzter Sicherheit aufgezeigt werden könne. 
Die beratende Ärzte der AXA, Dres. med. H.________ und A.________, widersprachen dieser Beurteilung. Sie kamen mit Verweis auf verschiedene Aussagen im Gutachten zum Schluss, die erhobenen objektiven Befunde an der HWS seien jedenfalls nicht überwiegend wahrscheinlich unfallkausal. Dr. med. H.________ verwies z.B. auf die Aussagen der Gutachter, dass eine Zunahme der degenerativen Befunde nie linear verlaufe, sodass aus dieser Zunahme nicht auf eine unfallkausale richtunggebende Verschlimmerung geschlossen werden könne. Die Röntgenuntersuchungen zeigten vor allem Veränderungen der HWS links, während die klinischen Symptome vor allem rechts aufträten, was unterstreiche, dass die radiologisch feststellbaren Verschlechterungen wahrscheinlich nicht relevant sein dürften. 
 
3.3 Nach Einholung eines externen Gutachtens im Sinne von Art. 44 ATSG kann grundsätzlich nicht lediglich gestützt auf Stellungnahmen versicherungsinterner Ärzte, die diesem widersprechen, ohne weitere Abklärungen vom Gutachten abgewichen werden. Sprechen konkrete Indizien gegen die Zuverlässigkeit einer solchen Expertise (BGE 125 V 351 E. 3b/bb S. 353), ist ein weiteres Gutachten einzuholen. Vorliegend widerspricht die Kausalitätsbeurteilung der Gutachter allerdings einer anerkannten medizinischen Erfahrungstatsache im Bereich des Unfallversicherungsrecht. Danach können degenerative Veränderungen an der Wirbelsäule nur ganz ausnahmsweise als im eigentlichen Sinne unfallbedingt angesehen werden. Eine unfallbedingte Veränderung muss organisch objektiv ausgewiesen sein (vgl. SVR 2008 UV Nr. 36 S. 137, 8C_637/2007 E. 2.2; Urteile 8C_623/2009 vom 2. März 2009 E. 3 und 8C_999/2008 30. Juli 2009 E. 3). Bei Fehlen unfallbedingter Wirbelkörperfrakturen oder struktureller Läsionen an der Wirbelsäule ist in der Regel nach sechs bis neun Monaten, spätestens jedoch nach einem Jahr davon auszugehen, die durch den Unfall verursachte Verschlimmerung des Vorzustandes habe sich auf jenen Zustand zurückgebildet, der sich aufgrund des schicksalsmässigen Verlaufs des krankhaften Vorzustandes auch ohne Unfall mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eingestellt hätte (SVR 2008 UV Nr. 11 S. 34, U 290/06 E. 4.2.1 mit weiteren Hinweisen, Urteil 8C_129/2009 vom 15. September 2009 E. 4.1). Angesichts dieser Erfahrungstatsache kann auf die Einholung eines weiteren Gutachtens in antizipierter Beweiswürdigung verzichtet werden. Es ist unbestritten, dass das Unfallereignis vom 4. Juni 2005 zu keinen strukturellen Wirbelkörperfrakturen oder strukturellen Läsionen/Verletzungen an der Wirbelsäule geführt hat. Auch die neuropsychologischen Einschränkungen beruhen aufgrund der medizinischen Abklärungen nicht auf einer traumatischen Hirnverletzung oder bildgebend ausgewiesenen, unfallbedingten Befunden an Schädel oder HWS, womit sie selber keine organische Unfallfolge darstellen (BGE 119 V 335 E. 2b/bb S. 341; Urteil 8C_715/2009 vom 30. März 2010 E. 4). Da die zum Zeitpunkt der Leistungseinstellung geklagten Beschwerden somit nicht auf hinreichend nachweisbaren organischen unfallbedingten Befunden beruhen, durfte die Vorinstanz im Ergebnis zu Recht eine Prüfung der Adäquanz vornehmen (vgl. E. 2 hievor). 
 
4. 
Bei der Beurteilung der Adäquanz ist vom augenfälligen Geschehensablauf auszugehen, und es sind gegebenenfalls weitere unfallbezogene Kriterien einzubeziehen (BGE 134 V 109 E. 2.1 S. 111 f.). Hat die versicherte Person einen Unfall erlitten, welcher die Anwendung der Schleudertrauma-Rechtsprechung rechtfertigt, so sind hierbei die durch BGE 134 V 109 E. 10 S. 126 ff. präzisierten Kriterien massgebend. 
 
4.1 Die Vorinstanz beurteilte den Autoauffahrunfall vom 4. Juni 2005 unbestrittenermassen als mittelschweres Ereignis im Grenzbereich zu den leichten Unfällen. Dies ist nicht zu beanstanden. Gemäss Unfallanalyse der Zürich vom 15. Dezember 2005 betrug die kollisionsbedingte Geschwindigkeitsänderung 8.3 bis 11.8 km/h. Für die Bejahung des adäquaten Kausalzusammenhangs müssten folglich von den Adäquanzkriterien entweder ein einzelnes in besonders ausgeprägter Weise oder aber mehrere in gehäufter oder auffallender Weise gegeben sein. 
 
4.2 Die Beschwerdeführerin macht zu Recht nicht geltend, die Adäquanzkriterien der besonders dramatischen Begleitumstände oder besonderen Eindrücklichkeit des Unfalls sowie der ärztlichen Fehlbehandlung, welche die Unfallfolgen erheblich verschlimmerten, seien erfüllt. Ebenso unbestritten kann das Kriterium der Schwere oder besonderen Art der Verletzung wegen der Vorschädigung der HWS und das Kriterium der erheblichen Beschwerden bejaht werden, wie dies die Vorinstanz tat. 
4.3 
4.3.1 Das Kriterium der fortgesetzten, spezifischen Behandlung verneinte die Vorinstanz zu Recht. Im Vergleich zur früheren Rechtsprechung wurde der Gehalt dieses Kriteriums in BGE 134 V 109 E. 10.2.3 S. 128 inzwischen neu gefasst. Zudem kann aufgrund der Physiotherapie-Übungen, welche die Beschwerdeführerin vor allem zuhause ausführt, und der medizinischen Trainingstherapie, die in Ausdauertraining auf dem Velo und Übungen an verschiedenen Geräten besteht, sowie der Medikamenteneinnahme dieses Kriterium nicht bejaht werden. 
4.3.2 Ebenfalls nicht erfüllt ist das Kriterium des schwierigen Heilungsverlaufs. Aus den erheblichen Beschwerden - welche im Rahmen des spezifischen Adäquanzkriteriums zu berücksichtigen sind - darf nicht auf einen schwierigen Heilungsverlauf geschlossen werden. Es bedarf hiezu besonderer Gründe, welche die Heilung beeinträchtigt haben. Die Einnahme von Medikamenten und die Durchführung von Therapien, auch vier Jahre nach dem Unfall, genügen nicht zur Bejahung dieses Kriteriums. 
4.3.3 Das Kriterium der erheblichen Arbeitsunfähigkeit trotz ausgewiesener Anstrengungen (vgl. die Präzisierung dazu in BGE 134 V 109 E. 10.2.7 S. 129) kann schliesslich offen gelassen werden. Denn selbst wenn dieses Kriterium bejaht wird, ändert dies im Ergebnis nichts an der Adäquanzbeurteilung. 
 
4.4 Somit ergibt sich, dass höchstens drei der Adäquanzkriterien erfüllt sind, jedoch nicht in besonders ausgeprägt oder auffallender Weise. Dies reicht zur Adäquanzbejahung praxisgemäss nicht aus. Die Vorinstanz verneinte damit zu Recht einen adäquaten Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall vom 4. Juni 2005 sowie den geklagten Beschwerden und damit einen Rentenanspruch der Beschwerdeführerin. 
 
5. 
Bei fehlendem adäquaten Kausalzusammenhang zwischen Unfall und Beschwerden ist auch die Verneinung des Anspruchs auf Integritätsentschädigung durch das kantonale Gericht nicht zu beanstanden. Die Beschwerde ist demzufolge abzuweisen. 
 
6. 
Die Gerichtskosten werden der Beschwerdeführerin als unterliegender Partei auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 750.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt. 
 
Luzern, 14. September 2011 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Ursprung 
 
Der Gerichtsschreiber: Kathriner