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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
6B_554/2011 
 
Urteil vom 14. Dezember 2011 
Strafrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Mathys, Präsident, 
Bundesrichter Schneider, Denys, 
Gerichtsschreiberin Horber. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
vertreten durch Advokat Philipp Rupp, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft, Emma Herwegh-Platz 2a, 4410 Liestal, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Mehrfache einfache Verletzung der Verkehrsregeln, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Abteilung Strafrecht, vom 7. Juni 2011. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
X.________ wird vorgeworfen, die zulässige Höchstgeschwindigkeit innerorts von 50 km/h am 25. April 2008 um 8.42 Uhr um 16 km/h, am 26. April 2008 um 8.01 Uhr um 19 km/h, am 29. April 2008 um 9.39 Uhr um 18 km/h und am 30. April 2008 um 6.06 Uhr um 17 km/h überschritten zu haben. 
 
B. 
Der Präsident des Strafgerichts Basel-Landschaft verurteilte X.________ am 26. August 2010 wegen mehrfacher einfacher Verletzung der Verkehrsregeln zu einer Busse von Fr. 750.--. 
Auf Appellation von X.________ hin bestätigte das Kantonsgericht Basel-Landschaft das Urteil des Präsidenten des Strafgerichts am 7. Juni 2011. 
 
C. 
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen und beantragt, das Urteil des Kantonsgericht sei aufzuheben, und er sei freizusprechen. Eventualiter sei die Angelegenheit zur neuen Beurteilung an das Kantonsgericht zurückzuweisen. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
1.1 Der Beschwerdeführer bestreitet, zu schnell gefahren zu sein. Er bringt vor, die an der Dornacherstrasse in Aesch installierte Geschwindigkeitsmessanlage sei nach ihrer Beschädigung entgegen der gesetzlichen Bestimmung nicht nachgeeicht worden, weshalb die Messdaten nicht verwertbar seien. Die Vorinstanz begründe seine Verurteilung mit nicht gesetzeskonform erlangten Beweisen. Sie verletze Art. 4 Abs. 4 i.V.m. Art. 1 Abs. 2 lit. a und b der Verordnung vom 1. März 1999 über Messmittel zur amtlichen Messung der Geschwindigkeit im Strassenverkehr (VMG; AS 1999 1388) und damit Bundesrecht (Beschwerde, S. 7 ff.). 
 
1.2 Der Beschwerdeführer rügt weiter, die Vorinstanz nehme eine willkürliche Beweiswürdigung vor (Art. 9 BV), indem sie sich auf das Gutachten des Bundesamtes für Metrologie (im Folgenden: METAS) vom 11. November 2009 stütze. Dieses basiere auf Bildmaterial des nicht nachgeeichten Geschwindigkeitsmessmittels. Bei der angewandten Alternativmessmethode handle es sich nicht um ein unabhängiges Verfahren zur Verifizierung und Nachkontrolle der Messdaten. Die Vorinstanz gehe von Tatsachen aus, die auf einem offenkundigen Fehler beruhen würden und verstosse gegen das Willkürverbot (Beschwerde, S. 10 ff.). Zugleich verletze sie den Grundsatz "in dubio pro reo" als Beweiswürdigungsregel. Sie lasse ausser Acht, dass er über einen tadellosen fahrerischen Leumund verfüge und stets mit Tempobegrenzer fahre. Es sei lebensfremd anzunehmen, ein Mensch fahre an vier aufeinanderfolgenden Tagen zu schnell in dieselbe Geschwindigkeitskontrolle. Insgesamt bestünden erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der Messungen und am Ergebnis der Beweiswürdigung (Beschwerde, S. 12 ff.). 
 
2. 
Den vorinstanzlichen Erwägungen zufolge ist die Schutzglasabdeckscheibe der Fotoeinheit der Geschwindigkeitsanlage am 23. Oktober 2007 und am 23. Februar 2008 beschädigt worden (vorinstanzliches Urteil, E. 3.1 S. 6/7). Laut Schreiben des METAS vom 18. März 2009 muss ein Messmittel nach einer Reparatur geeicht werden. Indessen könne man vorliegend nicht von einer eigentlichen Reparatur sprechen, sondern von einer Sachschadenbehebung am Einbaugehäuse. Dieses habe anders als bei Radarmesskabinen keinen Einfluss auf die Ermittlung des Messwertes. Eine Nacheichung sei nicht notwendig gewesen. Die Blitzleuchte sei kein eichrelevanter Teil des Messmittels (vorinstanzliche Akten, act. 275 f.). Weiter führt das METAS in einer Stellungnahme vom 5. Oktober 2009 auf Anfrage der Untersuchungsbehörde aus, der Ersatz des Panzerglases bei der Messkabine erfordere keinen Eingriff ins Messmittel selbst. Es handle sich lediglich um eine Reparatur der Messkabine. Eine solche bedinge keine Eichung des eingebauten Messmittels. Nur der Eingriff ins Messmittel selbst habe die Löschung der Eichgültigkeit zur Folge. Es sei indessen denkbar, dass das Messmittel durch Vibrationseinwirkung von massiven Schlägen auf die Messkabine beschädigt werde. Der Laserscanner verfüge über einen Drehmechanismus, der 75 Umdrehungen pro Sekunde aufweise. Weiche diese Drehfrequenz vom Nominalwert ab, erfolge keine Messwertausgabe. Zudem müssten alle stationären unbemannten Messanlagen über ein zweites, vom eigentlichen Messmittel unabhängiges Verfahren verfügen, um allfällige Fehlmessungen nachträglich gutachterlich abklären zu können (vorinstanzliche Akten, act. 437 f.). Derartige Abklärungen tätigte das METAS auf Antrag der Untersuchungsbehörde in der Folge. Gemäss Gutachten vom 11. November 2009 erfolgten die Geschwindigkeitsmessungen durch den Laserscanner korrekt. Zu dieser Erkenntnis gelangte das METAS mittels Bilddokumentation und einer Weg-Zeit-Rechnung. Dafür nahm es Abklärungen vor Ort bzw. eine Vermessung des Strassenabschnitts vor. Anhand dieser Methode lasse sich der Geschwindigkeitsverlauf ergänzend überprüfen (vorinstanzliche Akten, act. 445 ff.). 
Die Vorinstanz stützt sich massgeblich auf die Erkenntnisse des METAS und gelangt zum Schluss, das Geschwindigkeitsmessmittel habe zum Zeitpunkt der Geschwindigkeitsübertretungen über eine gültige Eichung verfügt und an der Richtigkeit der Messdaten bestünden keine Zweifel (vorinstanzliches Urteil, E. 3.1.2 S. 7, E. 3.1.3 S. 8, E. 3.2.2 S. 9, E. 3.2.3 S. 9 und E. 3.3 S. 10). 
 
3. 
3.1 Art. 4 Abs. 4 VMG (in Kraft zum Zeitpunkt der Vorfälle) bestimmt, dass Geschwindigkeitsmessmittel, bei denen ein Defekt auftritt, ausser Betrieb zu setzen und entsprechend zu kennzeichnen sind. Sie müssen vor einer erneuten Inbetriebnahme repariert und nachgeeicht werden. Gemäss Art. 1 Abs. 2 VMG sind Bestandteile des Geschwindigkeitsmessmittels insbesondere auch alle Teile, welche für die Zuordnung des Geschwindigkeitsmesswertes zum überprüften Fahrzeug erforderlich sind (lit. a); zur Messwertbildung nicht direkt beitragen, diese aber beeinflussen können wie Abdeckungen und Witterungsschutz (lit. b). 
 
3.2 Die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG; vgl. auch Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG). Offensichtlich unrichtig im Sinne von Art. 97 Abs. 1 BGG ist die Sachverhaltsfeststellung, wenn sie willkürlich ist (BGE 136 II 304 E. 2.4 mit Hinweis; vgl. zum Begriff der Willkür BGE 137 I 1 E. 2.4 mit Hinweisen). 
Dem Grundsatz "in dubio pro reo" kommt in seiner vom Beschwerdeführer angerufenen Funktion als Beweiswürdigungsregel im Verfahren vor dem Bundesgericht keine über das Willkürverbot von Art. 9 BV hinausgehende selbständige Bedeutung zu (BGE 127 I 38 E. 2a mit Hinweisen). 
Wird die Verletzung von Grundrechten (einschliesslich der willkürlichen Anwendung von kantonalem Recht und Willkür bei der Sachverhaltsfeststellung) gerügt, gelten qualifizierte Anforderungen an die Begründung. Eine solche Rüge prüft das Bundesgericht nicht von Amtes wegen, sondern nur, wenn sie in der Beschwerde vorgebracht und substantiiert begründet worden ist. Es ist anhand der Erwägungen des angefochtenen Entscheids klar und detailliert darzulegen, inwiefern verfassungsmässige Rechte verletzt worden sein sollen. Auf appellatorische Kritik am angefochtenen Urteil tritt das Bundesgericht nicht ein (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 137 IV 1 E. 4.2.3 mit Hinweis). 
 
4. 
4.1 Der Wortlaut von Art. 1 Abs. 2 VMG ist sehr weit gefasst, weshalb sich alleine daraus schwerlich bestimmen lässt, welcher Teil eines Geschwindigkeitsmessmittels als dessen Bestandteil gilt, der gemäss Art. 4 Abs. 4 VMG nach einer Reparatur einer Nacheichung bedarf. Sinn und Zweck von Art. 4 Abs. 4 VMG ist die Sicherstellung der Messsicherheit. Demnach bedürfen nur Teile des Messmittels nach einer Reparatur der Nacheichung, die die Messwertbildung beeinflussen können, wie Art. 1 Abs. 2 lit. b VMG denn auch explizit festhält. Das METAS gelangt in seinen Stellungnahmen zur Ansicht, eine Beschädigung der Schutzglasabdeckscheibe beeinflusse die Ermittlung des Messwertes nicht, weshalb keine Nacheichung notwendig gewesen sei (E. 2 hievor). Es besteht kein Grund, an der Schlussfolgerung des Sachverständigen zu zweifeln. Zwar sind diesem bloss Sach- und keine Rechtsfragen zu unterbreiten, da die Beantwortung letzterer zwingend dem Gericht obliegt (BGE 130 I 337 E. 5.4.1 mit Hinweisen). Aus der Expertenmeinung geht indes klar hervor, dass es Sinn und Zweck von Art. 4 Abs. 4 VMG nicht widerspricht, wenn vorliegend auf eine Nacheichung verzichtet wurde. Die Vorinstanz verletzt kein Bundesrecht, wenn sie sich auf die erhobenen Messdaten stützt. 
 
4.2 Die Vorinstanz verstösst auch nicht gegen das Willkürverbot. Ihre Beweiswürdigung stützt sie massgeblich auf die Stellungnahmen und das Gutachten des METAS (vgl. E. 2 hievor). Gutachten unterliegen wie jedes Beweismittel der freien richterlichen Beweiswürdigung. In Sachfragen darf der Richter aber nur aus triftigen Gründen davon abweichen und muss Abweichungen begründen. Umgekehrt kann das Abstellen auf eine nicht schlüssige Expertise bzw. der Verzicht auf die gebotenen zusätzlichen Beweiserhebungen gegen das Verbot willkürlicher Beweiswürdigung (Art. 9 BV) verstossen (BGE 133 II 384 E. 4.2.3; 132 II 257 E. 4.4.1; je mit Hinweisen). Das trifft etwa zu, wenn der Sachverständige die an ihn gestellten Fragen nicht beantwortet, wenn er seine Erkenntnisse und Schlussfolgerungen nicht begründet oder diese in sich widersprüchlich sind, oder wenn die Expertise sonstwie an Mängeln krankt, die derart offensichtlich und auch ohne spezielles Fachwissen erkennbar sind, dass sie das Gericht nicht hätte übersehen dürfen (Urteil 6B_760/2010 vom 13. Dezember 2010 E. 2.2). 
Die Schlussfolgerungen des METAS lassen keine Zweifel an der Richtigkeit der Messdaten zu. Gemäss jenen wäre zum einen bei einer Beschädigung des Messmittels gar keine Messwertabgabe erfolgt, was offensichtlich nicht der Fall war. Die Sachlage wäre somit auch ohne Gutachten vom 11. November 2009 klar gewesen. Dieses bestätigt zusätzlich die Richtigkeit der erhobenen Messdaten. Die Vorinstanz verfällt nicht in Willkür, wenn sie keinerlei triftigen Gründe erkennt, die Zweifel an der Expertenmeinung aufkommen lassen und gestützt auf diese zur Ansicht gelangt, die vorgeworfenen Geschwindigkeitsüberschreitungen seien hinreichend erstellt. Die Vorbringen des Beschwerdeführers gegen die Beweiswürdigung der Vorinstanz sind denn auch nicht geeignet, Willkür darzutun. Dieser begnügt sich weitgehend damit, den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz und ihrer Beweiswürdigung seine eigene Sicht der Dinge gegenüberzustellen, ohne näher zu erörtern, inwiefern das angefochtene Urteil (auch) im Ergebnis schlechterdings unhaltbar sein soll. Auf die appellatorische Kritik ist nicht einzutreten. Eine solche ist beispielsweise gegeben, wenn der Beschwerdeführer vorbringt, die Alternativmessmethode gemäss Gutachten des METAS vom 11. November 2009 sei entgegen der Ansicht des Experten kein unabhängiges Verfahren zur Verifizierung und Nachkontrolle der Messdaten. Der Einwand ist zudem insofern unbehelflich, als das verwendete Bildmaterial von der Kamera des korrekt geeichten Geschwindigkeitsmessmittels (vgl. E. 4.1 hievor) stammt. Weiter beschränkt sich der Beschwerdeführer auf eine rein appellatorische Kritik am vorinstanzlichen Urteil, wenn er behauptet, er sei mit einem Tempobegrenzer gefahren. Die Vorinstanz erwägt hierzu, der unangetastete fahrerische Leumund sowie die Aussage, mit einem Tempobegrenzer gefahren zu sein, seien nicht geeignet, die Geschwindigkeitsüberschreitungen zu widerlegen. Zwar erscheine es sonderbar, dass der Beschwerdeführer viermal kurz hintereinander an derselben Stelle mit erhöhter Geschwindigkeit registriert werde. Indes sei denkbar, dass er die ersten drei Registrierungen nicht bemerkt habe (vorinstanzliches Urteil, E. 3.2.4 S. 9 f.). 
 
5. 
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die bundesgerichtlichen Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Strafrecht, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 14. Dezember 2011 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Mathys 
 
Die Gerichtsschreiberin: Horber