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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
K 54/01 
 
Urteil vom 15. Juli 2003 
IV. Kammer 
 
Besetzung 
Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Ferrari; Gerichtsschreiber Schmutz 
 
Parteien 
N.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Heinz-Peter Kühnis, Zürcher Strasse 53, 9000 St. Gallen, 
 
gegen 
 
1. CSS Versicherung, Rösslimattstrasse 40, 6005 Luzern, 
2. Krankenkasse Helvetia, Rechtsdienst, Stadel- hoferstrasse 25, 8001 Zürich, 
3. SWICA Krankenversicherung AG, Rechtsdienst, Römerstrasse 38, 8400 Winterthur, 
4. KFW Schweizerische Kranken- und Unfall versicherung, fusioniert mit Wincare, 8400 Winterthur, 
5. Concordia Schweizerische Kranken- und Unfallversicherung, Bundesplatz 15, 6003 Luzern, 
6. VISANA, Weltpoststrasse 19/21, 3015 Bern, 
7. CONCORDIA, Regionalagentur, Unitas Schönen- werd, Rechtsdienst, Weidengasse 3, 5012 Schönenwerd, 
8. Krankenkasse KPT, Tellstrasse 18, 3014 Bern, 
9. Betriebskrankenkasse der Firma Leica AG, 9435 Heerbrugg, 
10. Artisana Kranken- und Unfallversicherung, Effingerstrasse 59, 3008 Bern, 
11. Krankenkasse Sanitas, Lagerstrasse 107, 8004 Zürich, 
alle vertreten durch den Kantonalverband Appenzellischer Krankenkassen, und dieser vertreten durch Rechtsanwalt Kurt Gemperli, Oberer Graben 42, 
9000 St. Gallen 
 
Vorinstanz 
Schiedsgericht KVG des Kantons Appenzell Innerrhoden, Appenzell 
 
(Entscheid vom 8. Februar 2001) 
 
Sachverhalt: 
A. 
Mit Urteil vom 16. Februar 2000 hiess das Eidgenössische Versicherungsgericht die vom Augenarzt Dr. med. N.________ gegen den Entscheid des Kantonsgerichts Appenzell Innerrhoden (als Schiedsgericht nach KVG) vom 5. Juni 1997 erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde in dem Sinne gut, dass es die von 11 Krankenversicherern eingeklagte Rückforderung wegen überhöhter Behandlungskosten im Fr. 99'980.30 übersteigenden Betrag abwies und die Sache im Übrigen an die Vorinstanz zurückwies, damit sie, nach erfolgter Abklärung im Sinne der Erwägungen, über die Klage neu entscheide. 
B. 
Am 8. Februar 2001 fällte das Schiedsgericht den neuen Entscheid und verpflichtete den Arzt dazu, den Krankenversicherern zu gesamter Hand den Betrag von Fr. 99'980.30 zurückzuerstatten. 
C. 
Der Arzt führt dagegen Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Begehren, der Entscheid sei aufzuheben und die Rückerstattungsklage vollumfänglich abzuweisen, eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung der Wirtschaftlichkeit der Behandlung auf Grund der analytischen Methode an die Vorinstanz zurückzuweisen, subeventualiter sei die Rückerstattungssumme angemessen zu reduzieren. 
 
Die Krankenversicherer schliessen auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
1.1 Am 1. Januar 2003 ist das Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 in Kraft getreten. Mit ihm sind zahlreiche Bestimmungen im Bereich der sozialen Krankenversicherung geändert worden. Weil in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich diejenigen Rechtssätze massgebend sind, die bei der Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden Tatbestandes Geltung haben (BGE 127 V 467 Erw. 1), sind im vorliegenden Fall die neuen Bestimmungen nicht anwendbar (vgl. auch Erw. 1.2 hienach). 
1.2 In übergangsrechtlicher Hinsicht gehen Schiedsgericht und Parteien zu Recht davon aus, dass auf die vorliegende Streitsache die materiellrechtlichen Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 13. Juni 1911 über die Krankenversicherung (KUVG), insbesondere Art. 23 KUVG, und in verfahrensrechtlicher Hinsicht die Vorschriften des Bundesgesetzes vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG), insbesondere Art. 89 KVG, anwendbar sind (vgl. BGE 122 V 89 Erw. 3; RKUV 1998 Nr. KV 37 S. 316 Erw. 3b; SVR 2001 KV Nr. 19 S. 51 Erw. 2). 
1.3 Bei den im Rubrum des vorliegenden Urteils aufgeführten Krankenversicherern handelt es sich um jene, welche bereits in den Entscheiden des Schiedsgerichts vom 5. Juni 1997 und 8. Februar 2001 als Kläger aufgeführt sind. Einzelne dieser Krankenversicherer haben mit anderen Krankenversicherern fusioniert; insoweit gehen die mit dem vorliegenden Urteil begründeten Rechte und Pflichten auf die Rechtsnachfolger der im Rubrum aufgeführten Krankenversicherer über (Urteil M. vom 29. Juni 2001, K 9/99, Erw. 2). 
2. 
2.1 Streitig ist, ob der Beschwerdeführer den im Rubrum des vorliegenden Urteils aufgeführten Krankenversicherern für das Jahr 1992 eine Rückerstattung im Betrag von Fr. 99'980.30 zu leisten hat. 
2.2 Da nicht Versicherungsleistungen streitig sind, hat das Eidgenössische Versicherungsgericht nur zu prüfen, ob das Schiedsgericht Bundesrecht verletzt hat, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG). 
3. 
3.1 Wie das Eidgenössische Versicherungsgericht im Urteil vom 16. Februar 2000 feststellte (Erw. 5a), scheitert der innerkantonale Vergleich vorliegend daran, dass der Beschwerdeführer 1992 der einzige im Kanton Appenzell Innerrhoden tätige Augenarzt war. Es erwog, dass für die Überprüfung der Wirtschaftlichkeit der ärztlichen Praxistätigkeit anhand der statistischen Methode auch die Durchschnittskosten von Ärzten der gleichen Fachrichtung, die in andern Kantonen als der belangte Arzt tätig sind, herangezogen werden können, sofern die die Kosten beeinflussenden Umstände in den Vergleichskantonen hinreichend ähnlich sind. Fehlt es an gesicherten Grundlagen für einen solchen interkantonalen Vergleich, ist die Wirtschaftlichkeit der Tätigkeit eines Arztes, der in seinem Kanton der einzige seiner Fachrichtung ist, auf Grund der analytischen Methode zu prüfen (Erw. 5c und d). 
3.2 Das Schiedsgericht hat im Rückweisungsverfahren die Ärztetarife der Kantone Thurgau, Aargau, Obwalden und Nidwalden für das Jahr 1992 inhaltlich auf ihre Vergleichbarkeit mit demjenigen des Kantons Appenzell Innerrhoden überprüft und festgestellt, dass alle die identische Tarifstruktur aufweisen und im vorliegend interessierenden Bereich die gleichen Tarifpositionen beinhalten. Bei der Verteilung der Taxpunktwerte auf die Tarifpositionen ergab sich, dass die Vergleichskantone im Jahre 1992 vor allem die Grundleistungen, allgemeinen diagnostischen Leistungen und allgemeinen therapeutischen Leistungen gegenüber dem Appenzeller Tarif teilweise mit mehr Taxpunkten bewerteten. Die spezialärztlichen Leistungen, wie sie der Beschwerdeführer erbrachte, wurden in allen Vergleichskantonen mit gleich vielen Taxpunkten wie in Appenzell abgegolten. Weil diese vorinstanzlichen Feststellungen nicht zu beanstanden sind und somit gesicherte Grundlagen für einen interkantonalen Vergleich vorliegen, war die Wirtschaftlichkeitsprüfung nach dem Durchschnittskostenvergleich angebracht, da die statistische Methode der analytischen wo möglich vorgezogen werden soll, und die Einzelfallprüfung im Allgemeinen nur dann zur Anwendung gelangt, wenn es an zuverlässigen Angaben für einen Durchschnittskostenvergleich fehlt (wobei die Schiedsgerichte in der Wahl der Prüfmethode grundsätzlich frei sind) (BGE 98 V 198 f.; Schürer, Honorarrückforderung wegen Überarztung bei ambulanter ärztlicher Behandlung - Materiellrechtliche Aspekte, in: Schaffhauser/Kieser (Hrsg.) Wirtschaftlichkeitskontrolle in der Krankenversicherung, St. Gallen 2001, S. 81 ff.). 
4. 
Des Weiteren bestätigte das Eidgenössische Versicherungsgericht in seinem Urteil vom 16. Februar 2000 bereits, dass, da die Kosten durch die Tarifstruktur nicht unwesentlich mitbestimmt sind, der Arzttarif des Vergleichskantons für den Durchschnittskostenvergleich an den Taxpunktwert von Appenzell Innerrhoden anzupassen ist, soweit er nicht die gleichen Taxpunktwerte vorsieht wie der appenzellische (Erw. 5b). Die Vorinstanz hat beim Neuentscheid die erforderliche Taxwertbereinigung vorgenommen. Die dagegen gemachten Vorbringen des Beschwerdeführers sind nicht nachvollziehbar, zumal eine Neufestsetzung von Taxpunktwerten unter Beibehaltung der Tarifstruktur gang und gäbe ist. 
5. 
Zu weiteren Kriterien der Vergleichbarkeit und zu Praxisbesonderheiten ist vorab festzustellen, dass der Beschwerdeführer die erforderliche Unterscheidung zwischen Vergleichbarkeit und Besonderheiten nicht immer trifft, so etwa dann, wenn er geltend macht, dass bei Bestehen von Praxisbesonderheiten der Durchschnittskostenvergleich allenfalls oder gar klar unzulässig sei. So wurde die von ihm als kostensteigernd vorgebrachte Praxistätigkeit im zweiten Jahr in RSKV 1982 Nr. 489 zwar als Besonderheit berücksichtigt, die Vergleichbarkeit wurde aber ohne weiteres als gegeben erachtet. Aus dem erwähnten Urteil ist somit nicht der Schluss zu ziehen, in solchen Fällen könne die statistische Methode nicht Anwendung finden. 
 
Die Rüge, dass die KSK-Statistik betreffend die Anzahl Augenärztinnen und -ärzte in Appenzell Ausserrhoden unzutreffend sei, ist neu und damit unzulässig (Art. 105 Abs. 2 OG). Die von den Beschwerdegegnerinnen für die vom Beschwerdeführer behauptete Abweichung dargelegten (plausibel erscheinenden) Gründe sind damit nicht näher zu prüfen. Im Übrigen hat der Beschwerdeführer den Nichteinbezug der KSK-Statistik in den Vergleich weder beanstandet, noch hat er dargetan, inwiefern dies für ihn von Nachteil gewesen sein könnte. 
 
Entgegen den Vorbringen des Beschwerdeführers reicht zudem eine einjährige Vergleichsdauer durchaus zur gültigen Feststellung einer Überarztung (siehe z. B. RSKV 1982 Nr. 489 Erw. 3b). 
 
Mit den übrigen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde hinsichtlich Vergleichbarkeit und Praxisbesonderheiten vorgebrachten Rügen hat sich, soweit sie substanziiert wurden, die Vorinstanz bereits befasst. Es wird hier auf die entsprechenden Erwägungen verwiesen. Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Vorinstanz die in diesem Bereich zu treffenden Abklärungen gemäss Rückweisungsurteil korrekt vorgenommen hat. 
6. 
Zu dem als Subeventualbegehren gestellten Antrag, den von der Vorinstanz festgestellten Betrag der Überarztung noch "um einen üblichen Rabatt" von ungefähr 50 % zu reduzieren, besteht kein Anlass. Die Unwirtschaftlichkeit der Praxistätigkeit im vorinstanzlich zugesprochenen Betrag ist bei vorliegend zugestandenen 130 Indexpunkten im Hinblick auf den üblichen Toleranzbereich von zwischen 120-130 Indexpunkten (Urteil M. vom 29. Juni 2001, K 9/99, Erw. 6b) und bei Fehlen von Praxisbesonderheiten ausgewiesen. 
7. 
Verfahren um Rückforderungen gegen den Leistungserbringer wegen Unwirtschaftlichkeit der Behandlungsweise sind kostenpflichtig (BGE 119 V 455 Erw. 6). Den anwaltlich vertretenen Krankenversicherern steht gestützt auf Art. 159 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 135 OG im Überarztungsprozess praxisgemäss eine Parteientschädigung zu (SVR 1995 KV Nr. 40 S. 125 ff. Erw. 5b). 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 4500.- werden unter Verrechnung mit dem geleisteten Kostenvorschuss dem Beschwerdeführer auferlegt. 
3. 
Der Beschwerdeführer hat den Beschwerdegegnern eine Parteientschädigung von Fr. 2500.- zu bezahlen. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Schiedsgericht KVG des Kantons Appenzell Innerrhoden und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. 
Luzern, 15. Juli 2003 
 
 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
 
Die Präsidentin der IV. Kammer: Der Gerichtsschreiber: