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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
U 355/01 
 
Urteil vom 15. Oktober 2002 
III. Kammer 
 
Besetzung 
Präsident Borella, Bundesrichter Lustenberger und Kernen; Gerichtsschreiberin Hofer 
 
Parteien 
Lloyd's Underwriters London, c/o Dr. Stefan Knecht, Seefeldstrasse 7, 8008 Zürich, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Oskar Müller, Wengistrasse 7, 8026 Zürich, 
 
gegen 
 
A.________, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Max Sidler, Untermüli 6, 6300 Zug, Beschwerdegegnerin 
 
Vorinstanz 
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur 
 
(Entscheid vom 10. September 2001) 
 
Sachverhalt: 
A. 
Die 1954 geborene A.________ arbeitete als Geschäftsführerin der Firma C.________ AG und war damit bei der Lloyd's Underwriters London (im Folgenden: Lloyd's) obligatorisch gegen Unfälle versichert. Am 6. November 1993 wurde sie als Fahrzeuglenkerin in einen Verkehrsunfall verwickelt. Ein von hinten herannahendes Auto fuhr auf ihren Personenwagen auf, als sie vor einer Einmündung anhielt. Nachdem sie sich noch am gleichen Tag in ambulante spitalärztliche Behandlung begeben hatte, konsultierte sie am 8. November 1993 die Hausärztin Dr. med. V.________, welche ein Schleudertrauma der Halswirbelsäule (HWS) diagnostizierte. In der Folge wurde die Versicherte vom Neurologen Dr. med. F.________ untersucht, der ein Überstreckungstrauma der HWS ohne neurologische Ausfälle diagnostizierte und A.________ eine 100%-ige Arbeitsunfähigkeit bescheinigte. Vom 10. bis 25. Dezember 1993 weilte sie in der Klinik E.________ (Austrittsbericht vom 21. Januar 1994). Es folgten am 17. März und 8. April 1994 computertomographische Untersuchungen durch den Neurologen Dr. med. H.________. Wegen Einstellung der Geschäftstätigkeit wurde das Arbeitsverhältnis auf den 31. Juli 1994 aufgelöst. 
 
Nachdem sich die Parteien über die vorzunehmende medizinische Begutachtung und die Kostenübernahme nicht einig waren, stellte die Lloyd's ihre Leistungen per 1. Mai 1994 ein (Einspracheentscheide vom 17. Juni, 11. Juli und 26. Juli 1994). Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 23. Oktober 1995 ab, nachdem die Lloyd's ein Aktengutachten des Instituts X.________ vom 10. Oktober 1994 vorgelegt hatte. Das Eidgenössische Versicherungsgericht hiess die von A.________ eingereichte Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit Urteil vom 18. Oktober 1996 in dem Sinne teilweise gut, als es die Sache an die Versicherungsgesellschaft zurückwies, damit diese nach ergänzender Abklärung des medizinischen Sachverhalts über den Leistungsanspruch nach dem 1. Mai 1994 neu befinde. 
 
Auf Veranlassung des behandelnden Arztes untersuchte die Neuropsychologin Dr. phil. O.________ die Versicherte (Bericht vom 10. März 1997). Am 17. September 1997 erstattete der Neurologe Prof. Dr. med. M.________ ein Gutachten samt ergänzendem Bericht vom 12. Dezember 1997. Die Lloyd's veranlasste zudem die biomechanische Expertise des Ingenieurbüros Y.________, welche am 25. März 1998 unter Mitwirkung des Orthopäden PD Dr. med. B.________ erstellt wurde. Gestützt auf die fachspezifischen Angaben sprach die Lloyd's mit Verfügung vom 14. Juli 1998 Heilungskosten und Taggelder bis 5. November 1995 zu; eine darüberhinausgehende Leistungspflicht verneinte sie mit dem Fehlen eines natürlichen und adäquaten Kausalzusammenhangs. Mit Entscheid vom 20. Oktober 1998 wies sie die von der Versicherten und der Krankenkasse Helsana hiegegen erhobene Einsprache hinsichtlich der Weiterausrichtung von Versicherungsleistungen über den 5. November 1995 hinaus ab und setzte den nachzuzahlenden Taggeldanspruch auf Fr. 98'868.- fest. 
B. 
A.________ liess Beschwerde führen mit den Begehren, es sei festzustellen, dass zusätzlich Taggelder in Höhe von Fr. 19'688.- nachzuzahlen seien und ihr gesetzliche Leistungen auch nach dem 5. November 1995 zustünden; zudem sei das Gutachten Y.________/PD Dr. med. B.________ wegen Gehörsverletzung aus dem Recht zu weisen. Die Helsana Versicherungen AG erhob ebenfalls Beschwerde und beantragte die Weiterausrichtung der gesetzlichen Leistungen. Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich vereinigte die Verfahren und nahm das von der Versicherten nachgereichte psychiatrische Gutachten des Dr. med. G.________ vom 29. Mai 2000 zu den Akten. Mit Entscheid vom 10. September 2001 wies es die Beschwerde von A.________ ab, soweit damit ein höherer Taggeldanspruch geltend gemacht wurde; hinsichtlich der verneinten gesetzlichen Leistungen über den 5. November 1995 hinaus hob es den Einspracheentscheid vom 20. Oktober 1998 in Gutheissung der Beschwerden auf und stellte fest, dass A.________ Anspruch auf Leistungen der Unfallversicherung habe, zu deren Festsetzung es die Sache an die Lloyd's zurückwies. 
C. 
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die Lloyd's, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben mit der Feststellung, dass A.________ aus dem Unfall vom 6. November 1993 keinen Anspruch auf Leistungen mehr habe; eventuell sei die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit diese nach Einholung eines polidisziplinären, insbesondere auch psychiatrischen Gutachtens neu entscheide. 
 
Während die Versicherte auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen lässt, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung. Die als Mitinteressierte beigeladene Krankenkasse Helsana verzichtet auf eine Stellungnahme. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
1.1 In formeller Hinsicht rügt die Lloyd's, der angefochtene Entscheid sei nicht hinreichend begründet und verletze den Anspruch auf rechtliches Gehör. Eine Auseinandersetzung mit dem Einwand, das psychosoziale Umfeld der Versicherten sei von den Gutachtern übergangen und bei der Beurteilung des Leistungsanspruchs nicht berücksichtigt worden, habe nicht stattgefunden. Zudem habe sich das Gericht nicht mit den Vorbringen zum Umfang der Integritätsentschädigung befasst. 
1.2 Wesentlicher Bestandteil des verfassungsmässigen Anspruchs auf rechtliches Gehör bildet die Begründungspflicht. Sie soll verhindern, dass sich die Behörde von unsachlichen Motiven leiten lässt, und der betroffenen Person ermöglichen, die Verfügung oder den Gerichtsentscheid gegebenenfalls sachgerecht anzufechten. Dies ist nur möglich, wenn sowohl die betroffene Person als auch die Rechtsmittelinstanz sich über die Tragweite des Entscheides ein Bild machen können. In diesem Sinn müssen wenigstens kurz die Überlegungen genannt werden, von denen sich die Behörde hat leiten lassen und auf welche sich ihre Verfügung bzw. ihr Urteil stützt. Dies bedeutet indessen nicht, dass sie sich ausdrücklich mit jeder tatbeständlichen Behauptung und jedem rechtlichen Einwand auseinandersetzen muss. Vielmehr kann sie sich auf die für den Entscheid wesentlichen Gesichtspunkte beschränken. Die Behörde darf sich nicht damit begnügen, die von der betroffenen Person vorgebrachten Einwände tatsächlich zur Kenntnis zu nehmen und zu prüfen; sie hat ihre Überlegungen der betroffenen Person gegenüber auch namhaft zu machen und sich dabei ausdrücklich mit den entscheidwesentlichen Einwänden auseinanderzusetzen oder aber zumindest die Gründe anzugeben, weshalb sie gewisse Gesichtspunkte nicht berücksichtigen kann (SZS 2001 S. 563 Erw. 3b mit Hinweisen). 
1.3 Die Vorinstanz hat sich in ihrem Entscheid ausführlich mit den psychischen Auffälligkeiten der Versicherten befasst und ist dabei gestützt auf die medizinischen Unterlagen zum Schluss gelangt, dass keiner der Ärzte die geklagten Beschwerden nicht (mehr) auf die Distorsionsverletzung, sondern auf ein im Vordergrund stehendes psychisches oder psychosoziales Problem zurückführe. Sie hat auch begründet, weshalb von einer ergänzenden psychiatrischen oder interdisziplinären Begutachtung abgesehen werden könne. Das rechtliche Gehör ist somit nicht verletzt. 
 
Das kantonale Gericht hat sodann unter Bejahung des natürlichen und adäquaten Kausalzusammenhangs zwischen dem Unfall und den geltend gemachten Beschwerden über die Frage der grundsätzlichen Leistungspflicht der Lloyd's über den 5. November 1995 hinaus befunden und die Sache zwecks Festsetzung der einzelnen Ansprüche - inklusive Integritätsentschädigung - an den Unfallversicherer zurückgewiesen. Auch diesbezüglich liegt somit keine Verletzung der Begründungspflicht vor. 
2. 
2.1 Im vorinstanzlichen Entscheid wird die Rechtsprechung zu dem für die Leistungspflicht des Unfallversicherers zunächst vorausgesetzten natürlichen Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und dem eingetretenen Schaden (Krankheit, Invalidität, Tod) zutreffend dargelegt (BGE 119 V 337 Erw. 1, 118 V 289 Erw. 1b, 117 V 360 Erw. 4a). Darauf wird verwiesen. 
2.2 Das kantonale Gericht hat in einlässlicher Würdigung der im angefochtenen Entscheid wiedergegebenen medizinischen Unterlagen - insbesondere des umfassenden und nachvollziehbar begründeten Gutachtens des Prof. Dr. med. M.________ vom 17. September 1997 (samt Ergänzungsbericht vom 12. Dezember 1997), welches die rechtsprechungsgemäss erforderlichen Kriterien für beweiskräftige ärztliche Entscheidungsgrundlagen (BGE 125 V 352 Erw. 3 mit Hinweisen) erfüllt und dem somit voller Beweiswert zukommt - zutreffend erkannt, dass die Beschwerdeführerin an den Folgen eines HWS-Distorsionstraumas leidet und dass die gesundheitlichen Beeinträchtigungen - namentlich auch die im Verhältnis zum gesamten Beschwerdebild zu keinem Zeitpunkt im Vordergrund gestandene psychische Symptomatik - auf das Unfallereignis vom 6. November 1993 zurückzuführen sind. Angesichts der unbestrittenen Diagnose eines Schleudertraumas der HWS und des für diese Verletzung festgestellten typischen Beschwerdebildes (vgl. BGE 119 V 338 Erw. 1), des Umstandes, dass dieses medizinisch einer fassbaren gesundheitlichen Beeinträchtigung zugeschrieben werden kann und dieser Gesundheitsschaden überwiegend wahrscheinlich in einem ursächlichen Zusammenhang zum versicherten Unfall steht (BGE 119 V 341 Erw. 2b/bb), ist der natürliche Kausalzusammenhang zu bejahen (BGE 119 V 338 Erw. 1 mit Hinweis). 
 
Was in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde hiegegen vorgebracht wird, vermag die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung und Beurteilung nicht zu entkräften. Zudem ist nicht einzusehen, was ergänzende Abklärungen, auch in psychiatrischer oder neuropsychologischer Hinsicht, an neuen Erkenntnissen bringen könnten, welche die natürliche Kausalität ernsthaft in Frage zu stellen vermöchten, zumal es für deren Bejahung genügt, wenn der Unfall für eine bestimmte gesundheitliche Störung eine Teilursache darstellt (BGE 119 V 338 Erw. 1 mit Hinweis). Psychische oder psychosoziale Reaktionen von einem Ausmass, dass sie die natürliche Kausalkette zum Unfallereignis aufzuheben vermöchten, sind nicht auszumachen. Da des Weitern keine Anhaltspunkte für psychische Besonderheiten und Auffälligkeiten vorliegen, welche die aufgrund des Schleudertraumas der HWS erlittenen Beschwerden ganz in den Hintergrund drängen würden (BGE 123 V 99 Erw. 2a mit Hinweisen; Urteil W. vom 18. Juni 2002, U 164/01), braucht - im Hinblick auf die Beurteilung des adäquaten Kausalzusammenhangs - nicht unterschieden zu werden, ob die Beschwerden mehr organischer und/oder psychischer Natur sind (vgl. BGE 117 V 364 Erw. 5d/aa), weshalb auch unter diesem Aspekt weitere medizinische Abklärungen unterbleiben können. 
3. 
3.1 Im angefochtenen Entscheid ist sodann auch die Rechtsprechung zu dem für die Leistungspflicht des Unfallversicherers weiter vorausgesetzten adäquaten Kausalzusammenhang zwischen einem Unfall mit Schleudertrauma der HWS ohne organisch nachweisbare Funktionsausfälle und den hernach andauernden Beschwerden mit Einschränkung der Arbeits- und Erwerbsfähigkeit (BGE 117 V 359) zutreffend wiedergegeben, weshalb darauf verwiesen wird. 
3.2 Ausgehend vom augenfälligen Geschehensablauf ist der Unfall vom 6. November 1993 im Rahmen der Einteilung, welche für die Belange der Adäquanzbeurteilung sowohl bei psychischen Unfallfolgen wie auch - analog - bei Unfällen mit Schleudertrauma der HWS vorzunehmen ist (BGE 117 V 366 Erw. 6a), entsprechend bisheriger Praxis (RKUV 1997 Nr. U 272 S. 175; Urteil B. vom 22. Mai 2002, U 339/01) dem mittleren Bereich an der Grenze zu den leichten Unfällen zuzuordnen. Ob der adäquate Kausalzusammenhang gegeben ist, beurteilt sich mithin anhand der in BGE 117 V 366 Erw. 6a aufgelisteten Kriterien. Dieser ist zu bejahen, wenn die einschlägigen Beurteilungskriterien in gehäufter oder auffallender Weise erfüllt sind (BGE 117 V 368 Erw. 6b), wobei auf eine Differenzierung zwischen physischen und psychischen Komponenten zu verzichten ist (BGE 117 V 367 Erw. 6a). 
 
In Anwendung dieser Rechtsprechung hat das kantonale Gericht die Adäquanz des Kausalzusammenhangs mit Recht bejaht. Es kann auf die entsprechenden Erwägungen im angefochtenen Entscheid verwiesen werden, von denen abzuweichen auch unter Berücksichtigung der in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vorgebrachten Einwände kein Anlass besteht. Ob ein Unfall nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet ist, eine (psychische) Gesundheitsschädigung herbeizuführen, beurteilt sich gestützt auf eine weite Bandbreite von Versicherten, worunter auch Versicherte fallen, welche im Hinblick auf die erlebnismässige Verarbeitung des Unfalles zu einer Gruppe mit erhöhtem Risiko gehören, weil sie aus versicherungsmässiger Sicht auf den Unfall nicht optimal reagieren (BGE 117 V 362 Erw. 5b). Falls die Beschwerdegegnerin somit für psychische Störungen anfälliger sein sollte, ist diese Prädisposition von der weiten Bandbreite der zu berücksichtigenden Versicherten erfasst. Die objektivierte Beurteilung der Adäquanz anhand der von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien führt gerade dazu, dass die Notwendigkeit entfällt, nach anderen Ursachen zu forschen, welche die nach einem Schleudertrauma der HWS aufgetretenen Beschwerden möglicherweise mitbegünstigt haben könnten (BGE 117 V 366 Erw. 6). 
 
4. 
Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG). Dem Prozessausgang entsprechend steht der Beschwerdegegnerin eine Parteientschädigung zu (Art. 159 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 135 OG). 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Die Lloyd's Underwriters London hat der Beschwerdegegnerin für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 2'500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, dem Bundesamt für Sozialversicherung und der Helsana Versicherungen AG zugestellt. 
 
Luzern, 15. Oktober 2002 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der III. Kammer: Die Gerichtsschreiberin: