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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
1B_673/2011 
 
Urteil vom 15. Dezember 2011 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident, 
Bundesrichter Aemisegger, Merkli, 
Gerichtsschreiber Forster. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Stephan Bernard, 
 
gegen 
 
Staatsanwaltschaft II des Kantons Zürich, Selnaustrasse 28, Postfach, 8027 Zürich. 
 
Gegenstand 
Haftentlassung, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss vom 25. November 2011 des Obergerichts des Kantons Zürich, 
III. Strafkammer. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Die Staatsanwaltschaft II des Kantons Zürich führt eine Strafuntersuchung gegen X.________ wegen des Verdachts von qualifizierten Drogendelikten (Handel mit einer grossen Menge Kokain). Die Beschuldigte wurde mit Verfügung vom 22. Juli 2011 des Zwangsmassnahmengerichts des Bezirkes Zürich in Untersuchungshaft versetzt. Am 18. Oktober 2011 verlängerte das Zwangsmassnahmengericht die Haft bis zum 21. Januar 2012. Mit Verfügung vom 5. November 2011 wies es ein Haftentlassungsgesuch der Beschuldigten vom 2. November 2011 ab. Eine von ihr dagegen erhobene Beschwerde entschied das Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, mit Beschluss vom 25. November 2011 ebenfalls abschlägig. 
 
B. 
Gegen den Beschluss des Obergerichts vom 25. November 2011 gelangte X.________ mit Beschwerde vom 29. November 2011 an das Bundesgericht. Sie beantragt neben der Aufhebung des angefochtenen Entscheides ihre Haftentlassung. 
Die Staatsanwaltschaft beantragt die Abweisung der Beschwerde, während das Obergericht auf eine Vernehmlassung ausdrücklich verzichtet hat. Die Beschwerdeführerin verzichtete mit Eingabe vom 7. Dezember 2011 auf eine Replik. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Die streitige erstinstanzliche Verfügung datiert vom 5. November 2011, der angefochtene Beschwerdeentscheid vom 25. November 2011. Damit ist hier die am 1. Januar 2011 in Kraft getretene Schweizerische StPO anwendbar (Art. 454 Abs. 1 StPO). 
Die Sachurteilsvoraussetzungen von Art. 78 ff. BGG sind grundsätzlich erfüllt. 
 
2. 
Die Fortdauer von Untersuchungshaft setzt (abgesehen vom hier nicht gegebenen Spezialfall der Ausführungsgefahr, Art. 221 Abs. 2 StPO) den allgemeinen Haftgrund des dringenden Tatverdachtes eines Verbrechens oder Vergehens voraus. Zudem muss ein besonderer Haftgrund (wie etwa Fluchtgefahr) erfüllt sein (Art. 221 Abs. 1 lit. a-c StPO). 
 
2.1 Die Beschwerdeführerin bestreitet den dringenden Tatverdacht von qualifizierten Drogendelikten nicht. Sie wendet sich jedoch gegen die Annahme von Fluchtgefahr und verlangt ihre Haftentlassung (allenfalls gegen Ersatzmassnahmen). 
 
2.2 Die Annahme von Fluchtgefahr setzt ernsthafte Anhaltspunkte dafür voraus, dass die beschuldigte Person sich dem Strafverfahren oder der zu erwartenden Sanktion durch Flucht entziehen könnte (Art. 221 Abs. 1 lit. a StPO). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts darf die Schwere der drohenden Sanktion zwar als ein Indiz für Fluchtgefahr gewertet werden. Sie genügt jedoch für sich allein nicht, um den Haftgrund zu bejahen. Vielmehr müssen die konkreten Umstände des betreffenden Falles, insbesondere die gesamten Lebensverhältnisse der beschuldigten Person, in Betracht gezogen werden (BGE 125 I 60 E. 3a S. 62; 117 Ia 69 E. 4a S. 70; je mit Hinweisen; zur betreffenden Kasuistik vgl. Marc Forster, Basler Kommentar StPO, Basel 2011, Art. 221 N. 5, Fn. 19-27). So ist es zulässig, die familiären und sozialen Bindungen des Häftlings, dessen berufliche Situation und Schulden sowie Kontakte ins Ausland und Ähnliches mitzuberücksichtigen. Auch bei einer befürchteten Ausreise in ein Land, das die beschuldigte Person grundsätzlich an die Schweiz ausliefern bzw. stellvertretend verfolgen könnte, wäre die Annahme von Fluchtgefahr nicht ausgeschlossen (BGE 123 I 31 E. 3d S. 36 f.). Strafprozessuale Haft darf allerdings nur als "ultima ratio" angeordnet oder aufrechterhalten werden. Wo sie durch mildere Massnahmen ersetzt werden kann, muss von ihrer Anordnung oder Fortdauer abgesehen und an ihrer Stelle eine solche Ersatzmassnahme verfügt werden (Art. 212 Abs. 2 lit. c i.V.m. Art. 237 f. StPO; vgl. BGE 137 IV 122 E. 6 S. 131 f.; 135 I 71 E. 2.3 S. 73, E. 2.16 S. 78 f.; 133 I 270 E. 3.3.1 S. 279). 
 
2.3 Bei Beschwerden, die gestützt auf das Recht der persönlichen Freiheit (Art. 10 Abs. 2, Art. 31 BV) wegen strafprozessualer Haft bzw. Ersatzmassnahmen erhoben werden, prüft das Bundesgericht im Hinblick auf die Schwere des Eingriffes die Auslegung und Anwendung der StPO frei (BGE 137 IV 122 E. 2 S. 125; Urteil 1B_277/2011 vom 28. Juni 2011 E. 1.2). Soweit jedoch reine Sachverhaltsfragen und damit Fragen der Beweiswürdigung zu beurteilen sind, greift das Bundesgericht nur ein, wenn die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz offensichtlich unrichtig sind oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen (Art. 97 Abs. 1 i.V.m. Art. 105 Abs. 2 BGG; BGE 137 IV 122 E. 2 S. 125 f.; 135 I 71 E. 2.5 S. 73 f.). 
 
2.4 Die kantonalen Instanzen haben Folgendes erwogen: Die Beschwerdeführerin sei in der Dominikanischen Republik geboren und aufgewachsen. Im Jahre 1989 habe sie (in zweiter Ehe) einen Schweizer geheiratet, mit dem sie 1990 in die Schweiz eingereist sei. Nach ihrer zweiten Scheidung habe sie 1997 einen Kosovaren geheiratet. Seit 2000 sei sie ohne feste Arbeitsstelle. Sie verfüge über kein Vermögen und habe Schulden. Sie sei im Besitz des Schweizer Passes und habe Töchter, die in Zürich wohnen. Eine weitere Tochter (samt Enkelkind), ein Bruder sowie eine Schwester (und deren drei Kinder) lebten in der Dominikanischen Republik. Dort habe sich die Beschwerdeführerin in den vergangenen Jahren regelmässig aufgehalten, zuletzt vom 21. November 2010 bis am 29. Mai 2011. Von 2000 bis 2003 habe sie sich (wegen Depressionen) in einer Psychiatrischen Klinik in Santo Domingo behandeln lassen. Sie pflege nach wie vor intensive Kontakte in ihre Heimat. Demgegenüber sei sie in der Schweiz nur wenig integriert, zumal sie kaum die hiesigen Sprachen spreche und (nach eigenen Angaben) nur mit ihren in Zürich lebenden Töchtern "gut befreundet" sei. An ihrem aktuellen ehelichen Wohnsitz in der Westschweiz habe sie sich nur sporadisch aufgehalten. Die Beschwerdeführerin sei sodann mit drei Vorstrafen belastet, darunter befänden sich bereits zwei einschlägige betreffend Betäubungsmittelkriminalität. Angesichts der untersuchten qualifizierten Drogendelikte und ihrer Vorstrafen habe sie mit einer empfindlichen Freiheitsstrafe zu rechnen. Im Falle einer neuerlichen Verurteilung drohe ihr zudem der Widerruf des (im Umfang von 15 Monaten) teilbedingt aufgeschobenen Strafvollzuges einer vom Bezirksgericht Zürich am 9. Januar 2007 ausgefällten (insgesamt 30-monatigen) Freiheitsstrafe. Die untersuchten neuen Drogendelikte fielen in den Zeitraum der vom Bezirksgericht verfügten Probezeit von vier Jahren. 
Bei gesamthafter Betrachtung dieser Umstände bestünden ausreichend konkrete Anhaltspunkte für die Annahme von Fluchtgefahr. 
 
2.5 Die Beschwerdeführerin räumt ausdrücklich ein, dass die (oben, E. 2.4) genannten Lebensumstände im angefochtenen Entscheid "grundsätzlich richtig" dargelegt worden seien. Ihre Vorbringen lassen die Annahme von Fluchtgefahr durch die Vorinstanz nicht als bundesrechtswidrig erscheinen. Dies gilt namentlich für die Einwände, sie besitze seit langer Zeit das Schweizer Bürgerrecht, die meisten ihrer Kinder lebten hier, sie habe im Anschluss an früher erfolgte strafrechtliche Verurteilungen jeweils "brav" ihre Strafe angetreten, und eine Flucht in die Dominikanische Republik erscheine widersinnig bzw. ausgeschlossen, da sie, die Beschwerdeführerin, dadurch ihre wirtschaftliche Absicherung verlöre. 
 
2.6 Es kann offen bleiben, ob neben der Fluchtgefahr noch ein weiterer (alternativer) besonderer Haftgrund (nämlich Kollusions- oder Fortsetzungsgefahr) erfüllt wäre. 
 
2.7 Als bundesrechtskonform erweist sich sodann die Annahme der Vorinstanz, der dargelegten spezifischen Fluchtneigung lasse sich im aktuellen Verfahrensstadium mit den vorgeschlagenen Ersatzmassnahmen für Haft (Pass- und Schriftensperre) nicht ausreichend begegnen (vgl. Art. 212 Abs. 2 lit. c i.V.m. Art. 237 f. StPO; BGE 137 IV 122 E. 6 S. 131 f.). Mit Recht hat das Obergericht dabei auch der Möglichkeit eines Untertauchens in der Schweiz Rechnung getragen. In diesem Zusammenhang werden keine offensichtlich unrichtigen Tatsachenfeststellungen der Vorinstanz dargetan. 
 
2.8 Zwar beantragt die Beschwerdeführerin auch noch die Aufhebung von Ziffer 2 des Dispositives des angefochtenen Entscheides. In der Beschwerdeschrift werden jedoch keine Rügen gegen die dort erfolgte Auflage von Gerichtskosten substanziiert. Insbesondere wird nicht dargelegt, gegen welche Vorschriften die Kostenauflage verstossen würde. Auf das Rechtsbegehren ist nicht einzutreten (Art. 42 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Art. 95 BGG). 
 
3. 
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. 
Die Beschwerdeführerin stellt ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege. Sie befindet sich seit längerer Zeit in Untersuchungshaft und ist amtlich verteidigt. Ihre finanzielle Bedürftigkeit erscheint ausreichend dargetan. Das Gesuch kann bewilligt werden (Art. 64 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit auf sie einzutreten ist. 
 
2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird gutgeheissen: 
 
2.1 Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
2.2 Dem amtlichen Verteidiger der Beschwerdeführerin, Stephan Bernard, wird für das Verfahren vor Bundesgericht aus der Bundesgerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 1'500.-- ausgerichtet. 
 
3. 
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Staatsanwaltschaft II und dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 15. Dezember 2011 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Fonjallaz 
 
Der Gerichtsschreiber: Forster