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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
C 243/05 
 
Urteil vom 16. Januar 2006 
III. Kammer 
 
Besetzung 
Präsident Ferrari, Bundesrichter Meyer und Lustenberger; Gerichtsschreiberin Berger Götz 
 
Parteien 
1. W.________, 1960, 
2. H.________, 1958, 
 
Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
Arbeitslosenkasse des Kantons Zürich, Brunngasse 6, 8400 Winterthur, Beschwerdegegnerin 
 
Vorinstanz 
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur 
 
(Entscheid vom 9. August 2005) 
 
Sachverhalt: 
A. 
H.________ (geboren 1958) und sein Bruder W.________ (geboren 1960) waren seit 1993 und 1985 für die Firma N.________ AG tätig. Anlässlich der Generalversammlung vom 24. Mai 2004 wurden sie mit sofortiger Wirkung als Verwaltungsräte der Aktiengesellschaft abberufen. Nachdem die Firma die von den Brüdern angesetzte Frist zur Sicherstellung noch nicht bezahlter Löhne unbenutzt hatte verstreichen lassen, lösten diese ihre Arbeitsverhältnisse mit Schreiben vom 30. Juli 2004 fristlos auf und leiteten Betreibung über die ausstehenden Gehaltsforderungen für die Monate April bis August 2004 im Gesamtbetrag von Fr. 32'255.- (H.________) und Fr. 41'410.- (W.________) ein. Gegen die Zahlungsbefehle vom 29. und 30. Juli 2004 erhob die ehemalige Arbeitgeberin Rechtsvorschlag. 
 
Am 12. August 2004 stellten H.________ und W.________ bei der Arbeitslosenkasse des Kantons St. Gallen je Antrag auf Insolvenzentschädigung für nicht bezahlte Gehälter im Betrag von Fr. 37'359.- (H.________) und Fr. 41'456.- (W.________). Die Kasse lehnte die Begehren mit der Begründung ab, über die N.________ AG sei bis heute kein Konkurs eröffnet worden; ausserdem entfalle eine Anspruchsberechtigung auch zufolge der bisherigen massgeblichen Stellung der Brüder im Betrieb der Aktiengesellschaft (Verfügungen vom 23. September 2004). Daran hielt sie auf Einsprache hin fest (Einspracheentscheide vom 19. November 2004). 
B. 
Dagegen führten H.________ und W.________ Beschwerde mit dem Antrag, die Arbeitslosenkasse sei anzuweisen, Insolvenzentschädigungen für die Monate April bis Juli 2004 auszurichten. Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wies die Beschwerde ab (Entscheid vom 9. August 2005). 
C. 
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde wiederholen H.________ und W.________ das vorinstanzlich gestellte Rechtsbegehren. 
 
Die Arbeitslosenkasse schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Staatssekretariat für Wirtschaft verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Beitragspflichtige Arbeitnehmer von Arbeitgebern, die in der Schweiz der Zwangsvollstreckung unterliegen oder in der Schweiz Arbeitnehmer beschäftigen, haben Anspruch auf Insolvenzentschädigung, wenn die Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers eines der folgenden, im Gesetz genannten zwangsvollstreckungsrechtlichen Stadien (Nussbaumer, Arbeitslosenversicherung, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Soziale Sicherheit, Rz 508 ff.) erreicht hat: 
- Konkurseröffnung über den Arbeitgeber (Art. 51 Abs. 1 lit. a AVIG), oder 
- Nichteröffnung des Konkurses, weil sich infolge offensichtlicher Überschuldung des Arbeitgebers kein Gläubiger bereit findet, die Kosten vorzuschiessen (Art. 51 Abs. 1 lit. b AVIG), oder 
- Stellung des Pfändungsbegehrens durch den Arbeitnehmer für Lohnforderungen (Art. 51 Abs. 1 lit. c AVIG), oder 
- Bewilligung der (provisorischen; vgl. noch nicht in der Amtlichen Sammlung veröffentlichtes Urteil Z. vom 7. Oktober 2005, C 156/04) Nachlassstundung (Art. 58 AVIG), oder 
- richterlicher Konkursaufschub (Art. 58 AVIG). 
2. 
2.1 Arbeitslosenkasse und kantonales Gericht verneinen den Anspruch auf Insolvenzentschädigung mit der Begründung, die Zahlungsunfähigkeit der ehemaligen Arbeitgeberin habe zum Zeitpunkt der leistungsablehnenden Einspracheentscheide keines der in Art. 51 Abs. 1 lit. a und b AVIG vorausgesetzten Stadien erreicht. 
2.2 Die Beschwerdeführer vertreten demgegenüber die Auffassung, die Durchführung eines mit Zeit- und Kostenaufwand verbundenen Eintreibungsverfahrens bis zur Konkursandrohung könne nicht von ihnen gefordert werden. Ihr Anspruch auf Insolvenzentschädigung müsse unabhängig vom Stand des zwangsvollstreckungsrechtlichen Verfahrens bejaht werden. 
3. 
3.1 Die Regelung der Insolvenzentschädigung gemäss Art. 51 ff. AVIG ist nach den im SchKG definierten zwangsvollstreckungsrechtlichen Stadien ausgerichtet. Deshalb muss sich auch die Auslegung der einzelnen Anspruchsvoraussetzungen an die SchKG-rechtlich definierten Vorgaben halten. Unter insolvenzentschädigungsrechtlichen Gesichtspunkten kann es - entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer - nicht Sache der versicherten Person sein, darüber zu entscheiden, ob sie weitere Vorkehren zur Realisierung der Lohnansprüche treffen will und ob diese erfolgsversprechend sind oder nicht. Die Beschwerdeführer übersehen, dass das für den Anspruch auf Insolvenzentschädigung gesetzlich vorgeschriebene fortgeschrittene Zwangsvollstreckungsverfahren durchaus sinnvoll ist, weil bekanntlich viele Schuldner erst unter dem Druck der unmittelbar bevorstehenden Konkurseröffnung oder Pfändung ihren Zahlungspflichten nachkommen. Selbst wenn die Überschuldung des Arbeitgebers oder der Arbeitgeberin offensichtlich erscheint, ist mit anderen Worten keineswegs ausgeschlossen, dass die Lohnforderungen von Arbeitnehmern kurz vor der Konkurseröffnung oder der Pfändung doch noch beglichen werden (BGE 131 V 198 Erw. 4.1.2). 
3.2 Der Argumentation der Beschwerdeführer, wonach die Versicherungsleistungen unabhängig vom Stand des zwangsvollstreckungsrechtlichen Verfahrens zu gewähren seien, kann nicht gefolgt werden, weil die zu einer Insolvenzentschädigung Anlass gebenden Tatbestände im Gesetz abschliessend umschrieben sind (Art. 51 Abs. 1 und Art. 58 AVIG; BGE 131 V 198 Erw. 4.1.2 mit Hinweisen auf die Literatur). Für die Beurteilung der Insolvenzentschädigungsansprüche ist der bis zum Zeitpunkt des Erlasses der Einspracheentscheide (19. November 2004) eingetretene Sachverhalt massgebend (BGE 131 V 11 Erw. 1 mit Hinweis). In diesem Zeitraum hat sich unbestrittenermassen keiner der gesetzlich geregelten Insolvenztatbestände verwirklicht. Die Verneinung der Leistungsansprüche durch Verwaltung und Vorinstanz ist daher zu Recht erfolgt. Wie im kantonalen Gerichtsentscheid zutreffend festgehalten wird, besteht insofern kein Ermessensspielraum von Verwaltung und Gericht. Daher führt der Hinweis der Versicherten, unter ihrer Leitung habe die ehemalige Arbeitgeberin stets gut mit der Arbeitslosenkasse zusammengearbeitet, zu keinem anderen Ergebnis. 
3.3 Bei diesem Ausgang des Verfahrens kann offen bleiben, ob die Beschwerdeführer im Betrieb der ehemaligen Arbeitgeberin eine arbeitgeberähnliche Funktion eingenommen haben und, bejahendenfalls, bis zu welchem Zeitpunkt sie diese Stellung beibehielten (BGE 126 V 134, 123 V 237 f. Erw. 7b/bb). 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, dem Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Zürich und dem Staatssekretariat für Wirtschaft zugestellt. 
Luzern, 16. Januar 2006 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
 
Der Präsident der III. Kammer: Die Gerichtsschreiberin: