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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
6B_1099/2009 
 
Urteil vom 16. Februar 2010 
Strafrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Favre, Präsident, 
Bundesrichter Wiprächtiger, Mathys, 
Gerichtsschreiber Faga. 
 
Parteien 
X.________, vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Dorrit Freund, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Führen eines nicht betriebssicheren Fahrzeugs, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Strafgericht, 3. Kammer, vom 26. November 2009. 
Sachverhalt: 
 
A. 
X.________ fuhr mit seinem Personenwagen am Mittwoch, den 26. November 2008, um 18.30 Uhr, auf der Autobahn A3 in Richtung Zürich. In Eiken blieb sein Fahrzeug mangels Benzins im Bereich einer Baustelle auf dem Fahrstreifen stehen. Ein Pannenstreifen war - da wegen der Baustelle aufgehoben - nicht vorhanden. 
 
B. 
Das Bezirksamt Laufenburg sprach X.________ mit Strafbefehl vom 19. Januar 2009 des Führens eines nicht betriebssicheren Fahrzeugs schuldig. Es bestrafte ihn mit einer Busse von Fr. 300.--. Gegen diesen Strafbefehl erhob X.________ Einsprache. 
 
C. 
Mit Urteil des Gerichtspräsidiums Laufenburg vom 7. Mai 2009 wurde X.________ freigesprochen. Eine dagegen von der Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau erhobene Berufung hiess das Obergericht des Kantons Aargau mit Urteil vom 26. November 2009 gut. Es sprach X.________ des Führens eines nicht betriebssicheren Fahrzeugs schuldig und auferlegte ihm eine Busse von Fr. 300.--. 
 
D. 
X.________ führt Beschwerde an das Bundesgericht. Er beantragt, er sei von Schuld und Strafe freizusprechen. 
 
E. 
Vernehmlassungen wurden keine eingeholt. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Bundesrecht (Art. 93 Ziff. 2 Abs. 1 SVG, Art. 29 SVG und Art. 57 Abs. 1 der Verkehrsregelverordnung vom 13. November 1962 [VRV; SR 741.11]) sowie des Grundsatzes "nulla poena sine lege". Indem die Vorinstanz das Vorliegen von Betriebssicherheit im Sinne von Art. 29 SVG unter Hinweis auf das fehlende Benzin verneint habe, habe sie den Begriff der Betriebssicherheit bundesrechtswidrig ausgelegt. Diese werde nur durch technische Mängel, nicht aber bei fehlendem Benzin tangiert. Auch schaffe nur ein sich fortbewegendes Fahrzeug eine Betriebsgefahr. Die Vorinstanz habe Art. 93 Ziff. 2 Abs. 1 SVG unrichtig ausgelegt, da Vorschriften, die das Betanken des Fahrzeugs regeln würden, nicht vorhanden seien (Beschwerde S. 4 f.). 
 
2. 
Die Vorinstanz führt aus, der Begriff der Betriebssicherheit sei nicht in einem engen, technischen Sinne, sondern in einer auch die Verkehrssicherheit umfassenden Bedeutung zu verstehen. Zum Unterhalt eines Fahrzeugs gehöre, dass das Fahrzeug immer genügend aufgetankt sei. Reiche das Benzin nicht aus, um die beabsichtigte Strecke zurückzulegen, befinde sich das Fahrzeug nicht in einem vorschriftsgemässen Zustand im Sinne von Art. 57 Abs. 1 VRV. Ein auf der Autobahn stehendes Fahrzeug bedeute immer eine Erhöhung der Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer. Der Beschwerdeführer hätte bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit wissen müssen, dass sein Fahrzeug nicht genügend Treibstoff gehabt habe, um das Ziel zu erreichen (angefochtenes Urteil S. 6 ff.). 
 
3. 
3.1 Nach Art. 93 Ziff. 2 SVG wird mit Busse bestraft, wer ein Fahrzeug führt, von dem er weiss oder bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit wissen kann, dass es den Vorschriften nicht entspricht. Ob das Abweichen vom vorschriftsgemässen Zustand tatsächlich eine Unfallgefahr bewirkt oder nicht, ist unerheblich. In Art. 219 Abs. 1 der Verordnung über die technischen Anforderungen an Strassenfahrzeuge (VTS; SR 741.41) wird definiert, wann ein Fahrzeug als nicht vorschriftsgemäss gilt und Art. 93 Ziff. 2 SVG zur Anwendung gelangt. Dies ist u.a. der Fall, wenn dauernd, zeitweilig oder für bestimmte Fälle vorgeschriebene Teile fehlen oder den Vorschriften nicht entsprechen (Art. 219 Abs. 1 lit. a VTS). Art. 219 Abs. 1 VTS bestimmt somit, wann ein Fahrzeug als nicht vorschriftsgemäss gilt. Art. 93 Ziff. 2 SVG geht als lex specialis Art. 90 SVG vor (BGE 92 IV 143 E. I S. 144). 
Die Bestimmung von Art. 93 Ziff. 2 SVG sanktioniert nicht nur das Führen vorschriftswidriger Fahrzeuge im Sinne von Art. 219 VTS, sondern sie bezieht sich darüber hinaus auf Art. 29 SVG (BGE 115 IV 144 E. 2b S. 145; HANS GIGER, Kommentar Strassenverkehrsgesetz, 7. Aufl. 2008, N. 14 zu Art. 93 SVG; Yvan Jeanneret, Les dispositions pénales de la Loi sur la circulation routière (LCR), 2007, N. 55 ff. zu Art. 93 SVG). Nach Art. 29 SVG dürfen Fahrzeuge nur in betriebssicherem und vorschriftsgemässem Zustand verkehren. Sie müssen so beschaffen und unterhalten sein, dass die Verkehrsregeln befolgt werden können und dass Führer, Mitfahrende und andere Strassenbenützer nicht gefährdet und die Strassen nicht beschädigt werden. Art. 29 Satz 1 SVG enthält somit zwei Voraussetzungen, die für die Verkehrszulassung kumulativ erfüllt sein müssen (BUSSY/RUSCONI, Code Suisse de la circulation routière, 3. Aufl. 1996, Art. 29 SVG S. 275). Der Führer hat sich zu vergewissern, dass Fahrzeug und Ladung in vorschriftsgemässem Zustand sind (Art. 57 Abs. 1 erste Hälfte VRV). 
Der Begriff des betriebssicheren Zustands im Sinne von Art. 29 SVG (parfait état de fonctionnement, perfetto stato di sicurezza) geht über die Risiken hinaus, die mit dem Betrieb als rein technischem Vorgang in der Maschine verbunden sind. Der Betrieb umfasst die bestimmungsgemässe Verwendung des Fahrzeugs im Strassenverkehr. Art. 29 Satz 2 SVG verlangt denn auch, dass die Fahrzeuge so beschaffen und unterhalten sein müssen, damit die Verkehrsregeln befolgt werden können, Personen nicht gefährdet und Strassen nicht beschädigt werden. Die Begriffe Betriebssicherheit im Sinne von Art. 29 SVG und Verkehrssicherheit gemäss Art. 11 Abs. 1 SVG decken sich somit (GIGER, a.a.O., N. 1 zu Art. 11 SVG und N. 5 zu Art. 29 SVG; RENÉ SCHAFFHAUSER, Grundriss des schweizerischen Strassenverkehrsrechts, Band I, 2. Aufl. 2002, N. 473). Der Zustand eines Fahrzeugs ist demnach vorschriftsgemäss im Sinne von Art. 93 Ziff. 2 SVG, wenn Bau und Ausrüstung den technischen Anforderungen entsprechen (vgl. insbesondere VTS), wenn das Fahrzeug in einem Zustand ist, der die Beachtung der Verkehrsregeln ermöglicht und der Gebrauch keine Verkehrsteilnehmer gefährdet (Art. 29 SVG und Art. 57 VRV) sowie wenn es den Vorschriften von Art. 58 - 59a VRV entspricht (Hans Maurer, in: Kommentar Schweizerisches Strafgesetzbuch, 18. Aufl. 2010, Art. 93 SVG S. 723 f.). 
 
3.2 Zu prüfen ist, ob fehlender Treibstoff die Betriebssicherheit tangiert. Dies ist aus den genannten Gründen nicht bereits deshalb zu verneinen, weil Vorschriften betreffend das Betanken des Fahrzeugs nicht vorhanden sind. Was unter "Betriebssicherheit" respektive "Verkehrssicherheit" fällt, kann nicht abschliessend beschrieben werden. Räder müssen beispielsweise so befestigt sein, dass sie sich während der Fahrt nicht lösen (Giger, a.a.O., N. 5 zu Art. 29 SVG). Entsprechende Vorschriften über die Befestigung der Räder finden sich in der VTS nicht. Ein Fahrzeug kann somit die Verkehrssicherheit beeinträchtigen, selbst wenn es den technischen Anforderungen der VTS entspricht. Auch das Umgekehrte ist ohne Weiteres möglich (beispielsweise ein Fahrzeug ohne Kontrollschilder). Verkehrssicherheit und Vorschriftsgemässheit brauchen sich nicht zu decken. Ebenso wenig ist ein Fahrzeug vorschriftsgemäss im Sinne von Art. 93 Ziff. 2 SVG, wenn der Öltank nicht korrekt verschlossen wurde (vgl. Urteil 6S.740/1998 vom 16. Februar 1999 E. 2) oder der Reifendruck ungenügend ist. 
Das Gleiche gilt, wenn das Fahrzeug über keinen Treibstoff mehr verfügt. Fehlendes Benzin schränkt nicht nur den ordnungsgemässen Betrieb eines Fahrzeugs ein, sondern bringt diesen in aller Regel innert kurzer Zeit zum Erliegen. Es sind ohne Weiteres Situationen denkbar, in denen die Verkehrsregeln mangels Benzin nicht mehr befolgt werden können. Genügend Treibstoff ist deshalb für die Verkehrssicherheit von erheblicher Bedeutung. Daran ändert, entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers, der Umstand nichts, dass nicht ein "technischer" Mangel vorliegt. Einen technischen Mangel erwähnt das Gesetz nicht, und die Unterscheidung zwischen einem technischen Mangel im engeren und weiteren Sinn (beispielsweise abgenützte Bremsbeläge respektive mangelnde Bremsflüssigkeit) hilft hier nicht weiter. Die Betriebssicherheit (beispielsweise genügende Bremsleistung) wird in beiden Fällen tangiert. Auf welche Ursache der Mangel zurückzuführen ist, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Ob er dem Fahrzeugführer tatsächlich zur Last gelegt werden kann, beurteilt sich unter Berücksichtigung der Sorgfaltspflichten im konkreten Fall. 
Nicht wesentlich ist deshalb, ob der Mangel auf einen technischen respektive mechanischen Fehler oder aber auf einen unzureichenden Unterhalt zurückzuführen ist, wie dem Tanken, dem Auffüllen von Bremsflüssigkeit oder dem Reinigen der Scheiben. Deshalb gehört zur Unterhaltspflicht und Kontrolle des Fahrzeugs auch die Pflicht, für ausreichenden Treibstoff besorgt zu sein. Diese Pflicht kann grundsätzlich - im Gegensatz zur technischen Kontrolle durch den Garagisten - ohne Weiteres vom Fahrzeuglenker mit einem Blick auf die Benzinanzeige beachtet werden. Ihre Verletzung respektive das Führen eines ungenügend aufgetankten Fahrzeugs schafft eine zumindest abstrakte Gefährdung, die in Anwendung von Art. 93 Ziff. 2 SVG als Übertretung zu erfassen und, unabhängig von allfällig verletzten Verkehrsregeln, zu verfolgen ist. 
 
3.3 Indem die Vorinstanz den Beschwerdeführer des Führens eines nicht betriebssicheren Fahrzeugs im Sinne von Art. 93 Ziff. 2 Abs. 1 SVG i.V.m. Art. 29 SVG schuldig spricht, verletzt sie kein Bundesrecht. Auf die zutreffenden Erwägungen zum subjektiven Tatbestand kann im Sinne von Art. 109 Abs. 3 BGG verwiesen werden (angefochtener Entscheid S. 8). 
 
4. 
Die Beschwerde ist abzuweisen. Bei diesem Verfahrensausgang sind die bundesgerichtlichen Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Strafgericht, 3. Kammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 16. Februar 2010 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
Favre Faga