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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
5A_16/2010 
 
Urteil vom 16. März 2010 
II. zivilrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichterin Escher, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter Marazzi, Herrmann, 
Gerichtsschreiber Zingg. 
 
Parteien 
X.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
Betreibungs- und Konkursamt A.________, 
verfahrensbeteiligtes Amt. 
 
Gegenstand 
Pfändung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Bern, Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen, vom 22. Dezember 2009. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
In der Pfändungsgruppe Nr. xxxx vollzog das Betreibungs- und Konkursamt A.________ am 25. September 2009 gegen X.________ die Pfändung. Der Betriebene erklärte, monatlich Ergänzungsleistungen von Fr. 3'577.--, Rentenleistungen der AHV von Fr. 979.-- und eine von der Unfallversicherung (SUVA) ausgerichtete Invalidenrente von Fr. 124.35 sowie Kinderzulagen von Fr. 392.-- zu erhalten. 
 
Das Betreibungsamt berechnete daraufhin eine pfändbare Quote von Fr. 370.-- und hielt fest, dass pro Monat Fr. 124.35 bzw. die IV-Rente zu 100 % gepfändet werde. 
 
B. 
Mit Beschwerde vom 23. November 2009 gelangte X.________ an das Obergericht des Kantons Bern als Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen und verlangte die Aufhebung der Rentenpfändung. Die Aufsichtsbehörde holte eine Vernehmlassung des Betreibungsamtes ein und bat um Zusendung der sachdienlichen Unterlagen. Mit Verfügung vom 14. Dezember 2009 wurde X.________ die Vernehmlassung in Kopie zugestellt. Er nahm diese am 16. Dezember 2009 in Empfang. In einem Schreiben vom 23. Dezember 2009 (Postaufgabe 24. Dezember 2009) an das Obergericht äusserte sich X.________ befremdet darüber, dass das Betreibungsamt nicht sämtliche Korrespondenz zwischen ihm und dem Amt eingereicht habe, und legte die fehlenden Unterlagen seiner Eingabe bei. 
 
Bereits am 22. Dezember 2009 (Ausfertigung 28. Dezember 2009) hatte das Obergericht die Beschwerde abgewiesen. 
 
C. 
Am 5. Januar 2010 (Postaufgabe 8. Januar 2010) hat X.________ (fortan: Beschwerdeführer) gegen den Entscheid des Obergerichts Beschwerde erhoben. Er beantragt die Aufhebung der Entscheide der Aufsichtsbehörde und des Betreibungsamtes. 
 
Es sind keine Vernehmlassungen eingeholt worden. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Die Beschwerde in Zivilsachen ist gegen den Entscheid der Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen unabhängig vom Streitwert zulässig (Art. 72 Abs. 2 lit. a und Art. 74 Abs. 2 lit. c BGG). Sie wurde fristgemäss erhoben (Art. 46 Abs. 1 lit. c, 100 Abs. 2 lit. a BGG). Sollte der Beschwerdeführer gemäss seinen Anträgen nicht nur den obergerichtlichen Entscheid, sondern auch die Verfügung des Betreibungsamtes anfechten, so könnte darauf mangels Letztinstanzlichkeit (Art. 75 Abs. 1 BGG) nicht eingetreten werden. 
 
2. 
2.1 Der Beschwerdeführer bringt vor, dass das Betreibungsamt die Akten nicht vollständig der Aufsichtsbehörde eingeliefert habe. Damit sei das rechtliche Gehör verletzt worden. Zudem habe die Aufsichtsbehörde seine Eingabe vom 23. Dezember 2009 nicht berücksichtigt, mit welcher er die vom Betreibungsamt nicht eingereichten Unterlagen nachsandte. 
 
2.2 Selbst wenn das Betreibungsamt erhebliche Unterlagen nicht von sich aus eingereicht hätte, so konnte der Beschwerdeführer dies mit seiner Replik selber tun oder er hätte die Edition beantragen können. Insofern liegt keine Verletzung des rechtlichen Gehörs darin, dass das Betreibungsamt nicht von sich aus sämtliche Korrespondenz an die Aufsichtsbehörde geleitet hat. 
 
Die entsprechende Replik des Beschwerdeführers ist allerdings erst nach Urteilsfällung erfolgt und wurde deswegen nicht mehr berücksichtigt. Das rechtliche Gehör gemäss Art. 29 Abs. 2 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK gibt einer Partei zwar das Recht, sich zu einer Vernehmlassung der Vorinstanz zu äussern, allerdings hat die Partei dies unverzüglich zu tun oder immerhin zu beantragen (BGE 132 I 42 E. 3.3.4 S. 47). Verspätet eingegangene Stellungnahmen muss die Behörde demnach nicht berücksichtigen. Ebensowenig muss sie verspätet angebotene Beweismittel abnehmen (BGE 124 I 241 E. 2 S. 242). Angesichts der knappen Fristen im Aufsichtsverfahren in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen hätte der Beschwerdeführer zu besonderer Eile Anlass gehabt, so dass der Vorinstanz keine Verletzung des rechtlichen Gehörs vorgeworfen werden kann, wenn sie seine Stellungnahme nicht abgewartet hat. 
 
Im Übrigen sind weder die Replik an sich noch die verspätet eingereichten Unterlagen zur Beantwortung der sich stellenden Rechtsfrage - der Pfändbarkeit der IV-Rente - erheblich, so dass das Obergericht auch bei rechtzeitiger Beibringung nicht ausdrücklich darauf hätte eingehen müssen (vgl. BGE 134 I 83 E. 4.1 S. 88). 
 
2.3 Der Beschwerdeführer macht schliesslich allgemein geltend, dass Betreibungsamt und Aufsichtsbehörde nicht auf seine Belege und seine Ausführungen eingegangen seien. 
 
2.4 Soweit er auch hiermit sinngemäss eine Verletzung des rechtlichen Gehörs vorbringt, ist die Rüge unbegründet. Die Vorinstanzen haben seinen Standpunkt berücksichtigt, aber eine andere Meinung vertreten als er. 
 
3. 
Der Beschwerdeführer ist der Ansicht, dass seine IV-Rente der SUVA nicht pfändbar sei. Er begründet dies damit, dass ansonsten sein Anspruch auf Ergänzungsleistungen neu berechnet und entweder um den Betrag der gepfändeten Rente erhöht oder umgekehrt entsprechend gesenkt werden müsste. Es könne jedenfalls nicht sein, dass die Ergänzungsleistungen indirekt seinen Gläubigern zugute kämen. Deshalb müsse auch die Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums mit derjenigen der Ergänzungsleistungen koordiniert werden. 
 
3.1 Die Vorinstanz hat dazu festgehalten, die in Art. 92 Abs. 1 Ziff. 9 SchKG genannten Entschädigungsleistungen für Körperverletzung, Gesundheitsstörung oder Tötung eines Menschen seien nur dann absolut unpfändbar, wenn sie der "Wiederherstellung" des Versicherten dienten oder Integritätseinbussen kompensierten. Ersatz für Einkommensverlust könne hingegen gemäss Art. 93 SchKG beschränkt gepfändet werden. Unter Hinweis auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung hat das Obergericht dargelegt, dass auch die Invalidenrente der obligatorischen Unfallversicherung beschränkt pfändbar sei. Im Übrigen bestehe kein Sachzusammenhang zwischen der Berechnung und Zusprechung von Ergänzungsleistungen und der Notbedarfsrechnung des Betreibungsamtes. 
 
3.2 Die Ausführungen des Obergerichts sind korrekt. Es entspricht der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, dass die Invalidenrente der obligatorischen Unfallversicherung beschränkt pfändbar ist, weil sie einen Einkommensverlust ausgleicht und im Unterschied zu den in Art. 92 Abs. 1 Ziff. 9a SchKG genannten Leistungen nicht nur das Existenzminimum abdecken soll (BGE 134 III 182 E. 4 S. 183 f., vgl. auch BGE 134 III 608 E. 2.3 S. 611). Daran vermögen auch die Ausführungen des Beschwerdeführers zum Zusammenhang bzw. zur angeblich fehlenden Koordination mit den Ergänzungsleistungen gemäss dem Bundesgesetz vom 6. Oktober 2006 über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (ELG; SR 831.30) nichts zu ändern. Die diesbezüglichen Rügen des Beschwerdeführers betreffen primär Sinn und Zweck der Ergänzungsleistungen und die Art und Weise, wie die zuständige Behörde auf die Pfändung der IV-Rente zu reagieren hat (zur Anpassung der Ergänzungsleistungen vgl. Art. 25 der Verordnung über die Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung [ELV; SR 831.301]). Insofern wird damit gar nicht die Pfändung der IV-Rente an sich kritisiert, sondern die allfälligen faktischen Auswirkungen einer Anpassung bzw. Nichtanpassung der Ergänzungsleistungen an die Pfändung. Da weder die Zwangsvollstreckungsbehörden noch das Bundesgericht anlässlich der vorliegenden Beschwerde sich zur allfälligen Anpassung der Ergänzungsleistungen zu äussern haben, ist darauf nicht einzutreten. Wie die Vorinstanz im Übrigen zu Recht festgehalten hat, beurteilen sich die Berechnung der Ergänzungsleistungen und des betreibungsrechtlichen Existenzminimums nach je eigenen Kriterien. 
 
4. 
Die Beschwerde ist somit abzuweisen, soweit auf sie eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 16. März 2010 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Das präsidierende Mitglied: Der Gerichtsschreiber: 
 
Escher Zingg