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[AZA 7] 
H 324/00 Gb 
 
IV. Kammer 
 
Bundesrichter Borella, Rüedi und Bundesrichterin Leuzinger; 
Gerichtsschreiber Hochuli 
 
Urteil vom 16. Mai 2001 
 
in Sachen 
K.________, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Markus Peyer, Badenerstrasse 129, 8004 Zürich, 
 
gegen 
Ausgleichskasse des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8087 Zürich, Beschwerdegegnerin, 
 
und 
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur 
 
A.- Mit Verfügung vom 21. Januar 1998 verpflichtete die Ausgleichskasse des Kantons Zürich K.________ als ehemaliges Alleinmitglied des Verwaltungsrats der inzwischen im Handelsregister gelöschten Firma T.________ AG über welche am 29. Januar 1997 der Konkurs eröffnet und am 13. Februar 1997 mangels Aktiven eingestellt wurde, zur Bezahlung von Schadenersatz für entgangene Sozialversicherungsbeiträge (einschliesslich Verwaltungskostenbeiträge, Verzugszinsen und Mahngebühren) im Betrag von Fr. 110'275. 65. 
 
 
B.- Nachdem die Belangte Einspruch erhoben hatte, machte die Ausgleichskasse am 24. März 1998 ihre Forderung klageweise beim Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich geltend, welches die Schadenersatzklage mit Entscheid vom 12. Juli 2000 guthiess und K.________ zur Bezahlung von Fr. 110'275. 65 verpflichtete. 
 
C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt K.________ beantragen, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben; eventuell sei die Sache zu neuer Beurteilung, insbesondere zur Durchführung eines Beweisverfahrens, an das kantonale Gericht zurückzuweisen. 
Die Ausgleichskasse verzichtet auf eine Stellungnahme zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während sich das Bundesamt für Sozialversicherung nicht vernehmen lässt. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- a) Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann nur so weit eingetreten werden, als die Schadenersatzforderung kraft Bundesrechts streitig ist. Im vorliegenden Verfahren ist deshalb auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde in dem Umfang nicht einzutreten, als sie sich gegen die Schadenersatzforderung für entgangene Beiträge an die kantonale Familienausgleichskasse richtet (BGE 119 V 80 Erw. 1b, 118 V 69 Erw. 1b mit Hinweis). 
 
b) Da es sich bei der angefochtenen Verfügung nicht um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen handelt, hat das Eidgenössische Versicherungsgericht nur zu prüfen, ob das vorinstanzliche Gericht Bundesrecht verletzt hat, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG). 
 
c) Im Rahmen von Art. 105 Abs. 2 OG ist die Möglichkeit, im Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht neue tatsächliche Behauptungen aufzustellen oder neue Beweismittel geltend zu machen, weitgehend eingeschränkt. 
Nach der Rechtsprechung sind nur jene neuen Beweismittel zulässig, welche die Vorinstanz von Amtes wegen hätte erheben müssen und deren Nichterheben eine Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften darstellt (BGE 121 II 99 Erw. 1c, 120 V 485 Erw. 1b, je mit Hinweisen). 
 
d) Führen die von Amtes wegen vorzunehmenden Abklärungen die Verwaltung oder das Gericht bei pflichtgemässer Beweiswürdigung zur Überzeugung, ein bestimmter Sachverhalt sei als überwiegend wahrscheinlich zu betrachten und es könnten weitere Beweismassnahmen an diesem feststehenden Ergebnis nichts mehr ändern, so ist auf die Abnahme weiterer Beweise zu verzichten (antizipierte Beweiswürdigung; Kieser, Das Verwaltungsverfahren in der Sozialversicherung, S. 212, Rz 450; Kölz/Häner, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 2. Aufl. , S. 39, Rz 111 und S. 117, Rz 320; Gygi, Bundesverwaltungsrechtspflege, 
2. Aufl. , S. 274; vgl. auch BGE 122 II 469 Erw. 4a, 122 III 223 Erw. 3c, 120 Ib 229 Erw. 2b, 119 V 344 Erw. 3c mit Hinweis). 
In einem solchen Vorgehen liegt kein Verstoss gegen das rechtliche Gehör gemäss Art. 4 Abs. 1 BV (BGE 124 V 94 Erw. 4b, 122 V 162 Erw. 1d mit Hinweis). 
2.- Im vorinstanzlichen Entscheid werden die nach Art. 52 AHVG und der Rechtsprechung (vgl. AHI 1997 S. 208 Erw. 5b [= BGE 123 V 15 Erw. 5b] mit Hinweisen) für die Schadenersatzpflicht des Arbeitgebers und seiner Organe geltenden Grundsätze zutreffend dargelegt, sodass darauf verwiesen werden kann. 
 
3.- Streitig und zunächst zu prüfen ist, ob die vorinstanzlich gutgeheissene Schadenersatzforderung in masslicher Hinsicht den in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhobenen Einwendungen stand hält. 
 
a) Die Beschwerdeführerin macht geltend, entgegen den Lohnbescheinigungen für die Jahre 1995 bis 1997 habe sie von der Firma T.________ AG 1996 keinen Lohn erhalten; ihrem Ehemann, G.________, habe die Firma für das Jahr 1996 ebenfalls überhaupt keinen Lohn und für das Jahr 1995 nur einen Lohn von Fr. 10'000.- ausbezahlt. 
Die Richtigkeit der Lohnbescheinigungen für die Jahre 1995 und 1996 wurde am 27. Februar 1966 (richtig: 1996) und am 27. Januar 1997 durch einen Vertreter der Firma T.________ AG unterschriftlich - mit grösster Wahrscheinlichkeit handelt es sich dabei um die Unterschrift von G.________ - bestätigt. Nach Angaben der Beschwerdeführerin war ihr Ehemann als Geschäftsführer der Firma T.________ AG auch für die Lohnzahlungen und die Abrechnungen mit der Ausgleichskasse verantwortlich. Die entsprechenden Totalbeträge von Fr. 461'357. 35 (1995) und Fr. 302'543. 25 (1996) stimmen denn auch in vollem Umfang mit den aufsummierten Sollbuchungen des Aufwandkontos "Löhne" gemäss den Erfolgsrechnungen für die Jahre 1995 und 1996 überein. Das heisst, dass alle in den Lohnbescheinigungen aufgezeichneten Löhne auch tatsächlich erfolgswirksam im Aufwandkonto "Löhne" verbucht worden sind. Lohnaufwandminderungen zur Begründung der Habenbuchungen auf dem Aufwandkonto "Löhne" werden nicht geltend gemacht. Von der beantragten (Zeugen-) Befragung des Geschäftsführers G.________ oder von anderen ihm damals untergebenen Mitarbeiterinnen oder Mitarbeitern sowie von weiteren Beweiserhebungen kann angesichts dieser Aktenlage in Bezug auf die geltend gemachten Behauptungen keine Klärung erwartet werden. In praxisgemäss zulässiger antizipierter Beweiswürdigung (vgl. Erw. 1d hievor) ist deshalb ohne Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör von weiteren Abklärungsmassnahmen abzusehen. Die Vorinstanz hat den Sachverhalt rechtsfehlerfrei und somit für das vorliegende Verfahren verbindlich festgestellt (vgl. Art. 105 Abs. 2 OG und Erw. 1b hievor), weshalb im Folgenden davon auszugehen ist, dass die Lohnbescheinigungen den tatsächlichen Verhältnissen entsprechen. 
 
b) Hinsichtlich der in der Schadensumme enthaltenen Mahnkosten von Fr. 100.- wendet die Beschwerdeführerin ein, dieser Betrag sei deshalb nicht rechtsgenüglich ausgewiesen, weil nicht ausgeschlossen werden könne, dass das EDV-System der Beschwerdegegnerin nicht immer fehlerlos funktioniere. 
Konkretere Anhaltspunkte für die Fehlerhaftigkeit des EDV-Kontoauszugs nennt sie nicht. 
Die Mahnkosten von gesamthaft Fr. 100.- sind aus dem EDV-Kontoauszug vollständig in zehn Einzelmahnungen zu je Fr. 10.- nachvollziehbar und schlüssig ausgewiesen. Es sind keine Zweifel ersichtlich, dass und weshalb die verbuchten Vorgänge nicht vorgenommen worden sein sollten. Mithin ist der Vorinstanz keine Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen vorzuwerfen (vgl. Erw. 1b hievor), wenn sie zutreffend festgestellt hat, dass gestützt auf diesen Kontoauszug Mahnkosten im Umfang von Fr. 100.- mit dem im Sozialversicherungsrecht geltenden Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 125 V 195 Erw. 2, 121 V 47 Erw. 2a, 208 Erw. 6b mit Hinweis) aufgrund entsprechend erfolgter Mahnungen ausgewiesen sind. 
c) Somit steht fest, dass die Schadenersatzforderung von Fr. 110'275. 65 in masslicher Hinsicht im vollen Umfang ausgewiesen ist. Diesbezüglich erweisen sich die weiteren Einwendungen der Beschwerdeführerin als unbegründet. 
 
4.- Zu prüfen ist sodann, ob der Beschwerdeführerin das nach Art. 52 AHVG für die Schadenersatzpflicht vorausgesetzte Verschulden (absichtliche oder grobfahrlässige Missachtung von Vorschriften) von der Vorinstanz zu Recht zur Last gelegt wurde. 
 
a) Die Beschwerdeführerin macht geltend, sie habe nach Konkurseröffnung keine Verfügungsbefugnis mehr gehabt, um Zahlungen an die Ausgleichskasse veranlassen zu können. 
Dies unter anderem deshalb, weil die Vermieterschaft damals die Aktiven der Firma T.________ AG retiniert habe. 
In Bezug auf die erstmals im vorliegenden letztinstanzlichen Verfahren behauptete Retention handelt es sich um eine im Rahmen von Art. 105 Abs. 2 OG unzulässige und damit unbeachtliche (vgl. Erw. 1c hievor sowie BGE 120 V 485 Erw. 1b) neue Tatsachenbehauptung, da die Vorinstanz keine wesentlichen Verfahrensvorschriften verletzt hat, indem sie nicht von Amtes wegen zusätzliche Abklärungen hinsichtlich allfälliger weiterer Einschränkungen der Verfügungsbefugnis veranlasst hatte. 
Soweit die Verfügungsbefugnis unter Hinweis auf den eröffneten Konkurs in Abrede gestellt wird, verkennt die Beschwerdeführerin die einschlägige Praxis. Die Vorinstanz legte im angefochtenen Entscheid unter Verweis auf die Rechtsprechung (vgl. AHI 1994 S. 37 Erw. 6c) richtig dar, dass die Beschwerdeführerin bis zur Auflösung der Gesellschaft als Organ der Aktiengesellschaft in Liquidation und in ihrer Funktion als Liquidatorin wieder uneingeschränkt über allenfalls vorhandene Aktiven habe verfügen können. 
Unter Verweis auf die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz ist vom beantragten Beizug der Konkursakten oder der Zeugenbefragung des Ehemannes der Beschwerdeführerin nichts Rechtserhebliches zu erwarten, weshalb die Vorinstanz - ohne gegen wesentliche Verfahrensvorschriften im Sinne von Art. 105 Abs. 2 OG zu verstossen - unter antizipierter Beweiswürdigung (vgl. Erw. 1d hievor) auf weitere Beweiserhebungen zu diesem Punkt verzichtet hat. 
 
b) Weiter macht die Beschwerdeführerin zu ihrer Exkulpation geltend, die Nichtbezahlung der Beitragsforderungen und damit die Verletzung der Beitragspflicht sei deshalb gerechtfertigt gewesen, weil sie im Interesse und in der berechtigten Erwartung der existenzrettenden Firmensanierung erfolgt sei, sodass in Bezug auf die Beitragspflichtverletzung weder Absicht noch Grobfahrlässigkeit bejaht werden könne. 
Mit ausführlicher und sorgfältiger Begründung legt die Vorinstanz unter Hinweis auf die einschlägige Rechtsprechung dar, dass die Nichtbezahlung der Beiträge zum Zwecke der Existenzrettung einer Unternehmung nur dann gerechtfertigt sein kann, wenn der Arbeitgeber im Zeitpunkt seiner Entscheidung aufgrund der objektiven Umstände und einer seriösen Beurteilung der Lage damit rechnen durfte, dass er die Forderungen der Ausgleichskasse innert nützlicher Frist würde befriedigen können (vgl. ZAK 1992 S. 248 Erw. 4b mit Hinweisen). Im vorliegenden Fall kann nicht von einem vorübergehenden Liquiditätsengpass gesprochen werden. Während der Bilanzfehlbetrag per Ende 1995 bereits auf mehr als Fr. 100'000.- aufgelaufen war, wuchs dieser Betrag bis Ende 1996 auf mehr als das Doppelte an. Konnte die Firma T.________ AG 1995 noch Fr. 12'000.- an die gesamthafte Beitragsforderung der Ausgleichskasse von Fr. 68'755. 60 anzahlen, so vermochte sie ab 1996 keinerlei Teilzahlungen mehr zu leisten. Aussicht auf Befriedigung der Beitragsforderungen innert nützlicher Frist bestand damit offensichtlich - auch unter Berücksichtigung der geltend gemachten Sanierungsbemühungen - nicht mehr. Daran vermögen die beantragten weiteren Beweiserhebungen nichts zu ändern, weshalb darauf in antizipierter Beweiswürdigung (vgl. 
Erw. 1d hievor) verzichtet werden kann, ohne dass daraus ein Verstoss gegen das rechtliche Gehör resultieren würde. 
Dass die Beschwerdeführerin als Alleinverwaltungsrätin die ihr obliegenden Kontrollpflichten - trotz der behaupteten delegierten Geschäftsführung - nicht in entschuldbarer Weise vernachlässigt hat, ist bereits im angefochtenen Entscheid mit ausführlicher und überzeugender Begründung dargelegt worden. Darauf wird verwiesen. Die Einwendungen der Beschwerdeführerin vermögen daran nichts zu ändern. 
 
c) Steht demnach fest, dass trotz Sanierungsbemühungen keine Aussicht auf Befriedigung der Beitragsforderung innert nützlicher Frist bestand und die Beschwerdeführerin auch nach der Einstellung des Konkursverfahrens mangels Aktiven die Verfügungsbefugnis wieder besass, weshalb die Nichtbezahlung der Beitragsforderung nicht als gerechtfertigt erscheinen konnte, so hat die Vorinstanz der Beschwerdeführerin zu Recht ein grobfahrlässiges Verschulden an der Nichtleistung der Beitragszahlungen zur Last gelegt. 
 
5.- Die Konsequenzen bei Nichteinhaltung der Zahlungsbedingungen waren der Beschwerdeführerin mit Blick auf die Zahlungsverfügung vom 13. November 1995 mit Tilgungsplan und klar bestimmten Zahlungsfristen für die einzelnen Teilzahlungsraten unbestrittenermassen bekannt. Die Vorinstanz erkannte sodann richtig, dass die Ausgleichskasse die ausstehenden Teilzahlungen - entgegen der Behauptung der Beschwerdeführerin - nicht einfach hinnahm. Vielmehr wurden die Ausstände bei der Firma T.________ AG gemahnt. Dass nicht sofort Betreibungen eingeleitet wurden, ist der Verwaltung praxisgemäss nicht als grobe Pflichtverletzung anzulasten (vgl. BGE 122 V 189 Erw. 3c). 
Unter den gegebenen Umständen ist ein Schadenersatz herabsetzendes Mitverschulden der Verwaltung ausgeschlossen. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, 
soweit darauf einzutreten ist. 
 
II. Die Gerichtskosten von Fr. 5000.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt und mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet. 
 
 
III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. 
 
 
Luzern, 16. Mai 2001 
 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der IV. Kammer: 
 
Der Gerichtsschreiber: