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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
1C_15/2010 
 
Urteil vom 16. Juni 2010 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Féraud, Präsident, 
Bundesrichter Aemisegger, Eusebio, 
Gerichtsschreiber Haag. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________ AG, Beschwerdeführerin, vertreten 
durch Fürsprecher Dr. René Müller, 
 
gegen 
 
Kanton Aargau, vertreten durch das Departement 
Bau, Verkehr und Umwelt des Kantons Aargau, 
Abteilung Raumentwicklung, Entfelderstrasse 22, 
5001 Aarau, 
Regierungsrat des Kantons Aargau, vertreten 
durch das Departement Bau, Verkehr und Umwelt des Kantons Aargau, Rechtsabteilung, Entfelderstrasse 22, 
5001 Aarau. 
 
Gegenstand 
Formelle Enteignung (Probebohrung Effingen), 
 
Beschwerde gegen das Urteil vom 18. November 2009 des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau, 
3. Kammer. 
Sachverhalt: 
 
A. 
Der Kanton Aargau will im Hinblick auf die langfristige Planung des Gesteinsabbaus unter anderem im bewaldeten Gebiet des Bözbergs Probebohrungen durchführen. Damit soll das Kalk- und Mergelvorkommen, das zur Zementproduktion benötigt wird, untersucht werden. Die Abteilung Raumentwicklung des Departements Bau, Verkehr und Umwelt des Kantons Aargau stellte am 30. Mai 2007 bei der kantonalen Schätzungskommission nach Baugesetz folgendes Gesuch: 
"Zwecks Durchführung einer Probebohrung sowie Antransport und Abtransport der entsprechenden Installationen seien befristet zu enteignen: 
Die Parzellen Nrn. 151 und 711 in Effingen im Eigentum der Einwohnergemeinde Effingen 
die erforderlichen Zufahrtsrechte." 
Gegen das öffentlich aufgelegte Enteignungsgesuch erhob unter anderem die X.________ AG Einsprache. Die Einsprecherin ist Eigentümerin des Grundstücks Nr. 159, welches sich in unmittelbarer Nähe des Bohrstandorts auf den Parzellen Nrn. 151 und 711 befindet. Nach einer Einigungsverhandlung überwies die Schätzungskommission die Einsprache am 30. Juni 2008 an den Regierungsrat des Kantons Aargau. Dieser wies die Einsprache am 14. Januar 2009 ab und ordnete die Enteignung gemäss § 132 Abs. 2 des kantonalen Gesetzes vom 19. Januar 1993 über Raumplanung, Umweltschutz und Bauwesen (BauG/AG; SAR 713.100) an. Zudem wies er die Gemeinde an, auf entsprechendes Gesuch hin das für das Befahren der Waldstrassen zur Durchführung der Bohrung erforderliche Ausnahmebewilligungsverfahren durchzuführen. 
Gegen diesen Regierungsratsentscheid erhob unter anderem die X.________ AG Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau. Sie beantragte im Wesentlichen, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und das Enteignungsbegehren abzuweisen. Das Verwaltungsgericht wies die Beschwerde mit Urteil vom 18. November 2009 ab, soweit es darauf eintrat. 
 
B. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 11. Januar 2010 beantragt die X.________ AG insbesondere, das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 18. November 2009 sei aufzuheben und das Enteignungsbegehren abzuweisen. Sie rügt die Verletzung der Eigentumsgarantie (Art. 26 BV und § 21 der Verfassung des Kantons Aargau; SR 131.227). 
Das Departement Bau, Verkehr und Umwelt beantragt, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Das Verwaltungsgericht verzichtet unter Verweisung auf den angefochtenen Entscheid auf eine Stellungnahme zur Beschwerde. 
 
C. 
Mit Präsidialverfügung vom 17. Februar 2010 wurde der Beschwerde aufschiebende Wirkung beigelegt. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Das Bundesgericht prüft die Zulässigkeit der Beschwerde von Amtes wegen und mit freier Kognition (Art. 29 Abs. 1 BGG). 
 
1.1 Angefochten ist der kantonal letztinstanzliche Entscheid des Verwaltungsgerichts über die Zulässigkeit der umstrittenen Enteignung. Das Enteignungsbegehren ist gestützt auf öffentliches Recht zu beurteilen. Die Streitigkeit kann mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht weitergezogen werden (Art. 82 lit. a i.V.m. Art. 86 BGG). Es ist keiner der gesetzlichen Ausschlussgründe gegeben (Art. 83 BGG). 
 
1.2 Zur Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ans Bundesgericht ist gemäss Art. 89 Abs. 1 BGG berechtigt, wer vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat (lit. a), durch den angefochtenen Entscheid besonders berührt ist (lit. b) und ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung besitzt (lit. c). 
1.2.1 Das Beschwerderecht setzt neben der formellen Beschwer voraus, dass der Beschwerdeführer über eine spezifische Beziehungsnähe zur Streitsache verfügt und einen praktischen Nutzen aus der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids zieht. Ein schutzwürdiges Interesse liegt vor, wenn die tatsächliche oder rechtliche Situation des Beschwerdeführers durch den Ausgang des Verfahrens beeinflusst werden kann (vgl. Botschaft vom 28. Februar 2001 zur Totalrevision der Bundesrechtspflege, BBl 2001 S. 4236). Die Voraussetzungen von Art. 89 Abs. 1 lit. b und c BGG hängen eng zusammen. Insgesamt kann insoweit an die Grundsätze, die zur Legitimationspraxis bei der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nach Art. 103 lit. a OG entwickelt worden sind, angeknüpft werden (BGE 133 II 400 E. 2.2 S. 404 f. mit Hinweisen). Danach wird bei Beschwerden von Drittpersonen (wie z.B. Nachbarn) verlangt, dass sie durch den angefochtenen Akt persönlich und unmittelbar einen Nachteil erleiden. Ein bloss mittelbares oder ausschliesslich allgemeines öffentliches Interesse berechtigt nicht zur Beschwerdeführung (BGE 131 II 587 E. 3 S. 589 f. mit Hinweis; Urteil des Bundesgerichts 1C_455/2009 vom 15. April 2010 E. 1.2.2). 
1.2.2 In der vorliegenden Angelegenheit steht nicht die Probebohrung, für welche die Enteignung bewilligt wurde, zur Diskussion, sondern lediglich die auf rund vier Wochen befristete Übertragung des Nutzungsrechts am Bohrstandort und am Zufahrtsweg. Eine raumplanerische oder waldrechtliche Bewilligung der Probebohrung liegt nicht vor. Die von der Enteignung betroffenen Flächen stehen nicht im Eigentum der Beschwerdeführerin, sondern gehören der Gemeinde Effingen. Inwiefern das mittels Enteignung eingeräumte Nutzungsrecht an den beanspruchten Parellen Nrn. 151 und 711 die tatsächliche oder rechtliche Situation der Nachbarin unmittelbar beeinflussen könnte, ist nicht ersichtlich. Diese begründet ihr Beschwerderecht namentlich mit den negativen Folgen, welche die Bohrung und der spätere Materialabbau aus ihrer Sicht nach sich ziehen würden. Die befürchteten Nachteile ergeben sich jedoch nicht unmittelbar aus der Enteignung oder Einräumung der hier umstrittenen Nutzungsrechte. Insoweit ist die Situation der Beschwerdeführerin vergleichbar mit derjenigen von Nachbarn einer geplanten Wohnüberbauung, welche sich gegen die Einräumung von Baurechten als Grundlage für die Realisierung der Überbauung wehren wollen, obwohl sie durch die Baurechte nicht unmittelbar in schutzwürdigen Interessen betroffen sind (Urteil des Bundesgerichts 1C_455/2009 vom 15. April 2010 E. 1.2.3). 
Auch in der vorliegenden Angelegenheit erleidet die Beschwerdeführerin keinen persönlichen und unmittelbaren Nachteil, auf den sie ihre Beschwerdeberechtigung im Enteignungsverfahren abstützen könnte. Erst die Bewilligungsverfahren für die Durchführung der Probebohrungen (Art. 24 ff. RPG [SR 700] und Art. 4 f. WaG [SR 921.0]) erscheinen geeignet, die tatsächliche oder rechtliche Situation der Nachbarn unmittelbar zu beeinflussen. In diesen Verfahren kann die Beschwerdeführerin ihre Parteirechte wahrnehmen (vgl. Art. 111 Abs. 1 BGG; Art. 33 Abs. 3 lit. a RPG). Die genannten weiteren Bewilligungen bildeten nicht Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens. Im Entscheid des Regierungsrats vom 14. Januar 2009 wird im Zusammenhang mit der Gewährung einer Ausnahme vom Waldfahrverbot im Sinne von Art. 15 Abs. 2 WaG (SR 921.0) erwähnt, der auf vier Wochen beschränkte Einsatz der mobilen Bohranlage unterliege nach dem kantonalen Recht keiner Baubewilligungspflicht. Der Regierungsrat geht davon aus, dass für die geplante Probebohrung lediglich eine gewässerschutzrechtliche Bohrbewilligung im Sinne von Art. 44 des Bundesgesetzes vom 24. Januar 1991 über den Schutz der Gewässer (Gewässerschutzgesetz, GSchG, SR 814.2) erforderlich sei, jedoch keine Baubewilligung nach den Art. 22 RPG, 24 RPG bzw. § 59 BauG. Wie es sich damit im Einzelnen verhält, musste das Verwaltungsgericht nicht prüfen. Die Baubewilligungspflicht sowie eine Bewilligung für die vorübergehende Zweckentfremdung von Waldboden (Art. 4 f. WaG) für die Bohrung war nicht Gegenstand des Enteignungsgesuchs, das dem kantonalen Rechtsmittelverfahren zugrunde lag. Soweit die Fragen der baurechtlichen und der waldrechtlichen Bewilligung im Hinblick auf die Ausführung der Bohrung noch der Klärung bedürfen, werden die notwendigen Verfahren durchzuführen sein (vgl. BGE 120 Ib 379 E. 3 S. 383 ff.). Dabei muss in Anwendung von Art. 111 Abs. 1 BGG auch betroffenen Nachbarn (Art. 89 Abs. 1 BGG) die Wahrung ihrer Parteirechte ermöglicht werden. 
1.2.3 Es ergibt sich, dass die Legitimation der Beschwerdeführerin im vorliegenden enteignungsrechtlichen Verfahren zu verneinen ist. Auf die Beschwerde kann somit nicht eingetreten werden. 
 
2. 
Dem Ausgang des bundesgerichtlichen Verfahrens entsprechend sind die Gerichtskosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Es sind keine Parteientschädigungen zuzusprechen (Art. 68 Abs. 3 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3. 
Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen. 
 
4. 
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, dem Kanton Aargau, sowie dem Regierungsrat und dem Verwaltungsgericht des Kantons Aargau, 3. Kammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 16. Juni 2010 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
Féraud Haag