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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
4A_317/2011 
 
Urteil vom 16. August 2011 
I. zivilrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichterin Klett, Präsidentin, 
Bundesrichterin Rottenberg Liatowitsch, 
Bundesrichter Kolly, 
Gerichtsschreiber Hurni. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________ AG, 
vertreten durch Rechtsanwalt Thomas Reich, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
1. A.________, 
2. B.________, 
beide vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Robert G. Briner, 
3. Y.________ AG, 
vertreten durch Rechtsanwalt André A. Girguis, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Aktenedition durch Dritte, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, vom 13. April 2011. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
A.________ und B.________ waren anfangs der 1990er Jahre Alleinaktionäre der Z.________ AG. Nach dem Verkauf der Aktien schloss die Z.________ AG mit ihnen Anstellungsverträge als Verwaltungsräte, Geschäftsleitungsmitglieder und Handelsreisende ab. Mit Schreiben vom 27. Oktober 1998 kündigten beide fristlos und traten aus dem Verwaltungsrat aus. 
Am 9. November 1998 änderte die Z.________ AG ihre Firma in Y.________ AG um. A.________ und B.________ arbeiteten in der Folge für die X.________ AG. 
 
B. 
B.a A.________ und B.________ klagten am 29. Dezember 2000 bzw. 12. Februar 2001 beim Arbeitsgericht Zürich gegen die Y.________ AG auf Bezahlung von Fr. 1'325'099.-- bzw. Fr. 585'545.-- für ausstehende Gehälter und als Schadenersatz; die Verfahren wurden vereinigt. 
Die Y.________ AG schloss auf Abweisung und widerklageweise namentlich auf Bezahlung vom mindestens Fr. 2'600'000.-- durch A.________ bzw. Fr. 1'660'000.-- durch B.________ als Schadenersatz infolge Verletzung des Konkurrenzverbotes. 
Im Rahmen des Verfahrens beantragte die Y.________ AG die Edition verschiedener Dokumente im Besitz der X.________ AG. Diese widersetzte sich. 
Mit Beschluss vom 6. Februar 2009 wies das Arbeitsgericht, gestützt auf § 184 altZPO/ZH, die X.________ AG an, verschiedene Dokumente einzureichen, so namentlich mit Ziff. 1.10 des Beschlusses "alle Rechnungen zu allen von der X.________ AG mit den Klägern [A.________ und B.________] gemäss nachfolgender Kundenliste (sämtliche von den Klägern zum Zeitpunkt ihres Ausscheidens bei der Beklagten [Y.________ AG bzw. Z.________ AG] betreuten Zahnärzte und weiteren Kunden) in den Jahren 1998 bis 2001 getätigten Geschäftsabschlüsse". Es folgt eine Liste mit 139 Namen. 
B.b Die X.________ AG reichte beim Obergericht Rekurs ein. Sie schloss hauptsächlich auf vollumfängliche Aufhebung der Ziff. 1.10 des erstinstanzlichen Beschlusses, eventuell auf Anerkennung eines Verweigerungsrechts und subeventuell auf Anordnung von Schutzmassnahmen zur Wahrung des Geschäftsgeheimnisses; sie schloss ferner dahin, es sei die Vorinstanz oder die Y.________ AG zu verpflichten, für den Fall der Edition ihr die dadurch entstehenden Kosten zu ersetzen. 
Die Y.________ AG schloss auf Abweisung des Rekurses; A.________ und B.________ erklärten sich als nicht beschwert. 
Das Obergericht (I. Zivilkammer) hiess den Rekurs mit Beschluss vom 13. April 2011 teilweise gut. Es bestätigte die angefochtene Ziff. 1.10, ergänzte sie aber wie folgt: "Die X.________ AG hat in Anwendung von § 8 der Verordnung der obersten kantonalen Gerichte über die Entschädigung von Zeugen und Zeuginnen, Auskunftspersonen und Sachverständigen (Entschädigungsverordnung der obersten Gerichte) vom 11. Juni 2002 Anspruch darauf, für die Edition der in Dispositivziffer 1.10 erwähnten Rechnungen angemessen entschädigt zu werden. Die Entschädigung wird durch das mit der Sache befasste Gericht festgesetzt, unter Vorbehalt allfällig zur Verfügung stehender Rechtsmittel (§ 11 Entschädigungsverordnung der obersten Gerichte). Letztlich werden die Parteien durch Begleichung der Gerichtskosten für die Entschädigung aufzukommen haben." 
 
C. 
Die X.________ AG (nachfolgend: Beschwerdeführerin) reichte Beschwerde in Zivilsachen beim Bundesgericht ein. Sie schliesst hauptsächlich dahin, es sei die in Ziff. 1.10 angeordnete Edition vollumfänglich aufzuheben; eventuell sei festzustellen, dass sie sich auf ein Verweigerungsrecht berufen kann und der Auflage keine Folge zu leisten hat; subeventuell seien Schutzmassnahmen anzuordnen, so dass die zu edierenden Rechnungen der Y.________ AG (nachfolgend: Beschwerdegegnerin) nicht zugänglich gemacht werden, und es sei ein Sachverständiger zu ernennen, um die Dokumente einzusehen. 
Die Beschwerdegegnerin schliesst in ihrer Antwort hauptsächlich dahin, es sei auf die Beschwerde nicht einzutreten. Subsidiär beantragt sie deren Abweisung. A.________ und B.________ erklärten, sie seien durch das Editionsbegehren als solches nicht beschwert, sondern nur eventuell und indirekt durch die Kostentragung. Sie verzichteten in beiden Punkten auf einen Antrag und beschränkten sich auf einige Bemerkungen. 
Die Beschwerdeführerin reichte unaufgefordert ein kurze Replik ein. Daraufhin duplizierte die Beschwerdegegnerin kurz. 
Mit Präsidialverfügung vom 11. Juli 2011 wurde der Beschwerde antragsgemäss die aufschiebende Wirkung erteilt. 
 
D. 
Die Beschwerdegegnerin reichte ihrerseits eine Beschwerde in Zivilsachen ein, die gegen die Entschädigung der Beschwerdeführerin für die Kosten der Aktenedition gerichtet ist (Verfahren 4A_331/2011). 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Beim angefochtenen Beschluss handelt es sich um einen prozessualen Editionsentscheid, der auf der Grundlage kantonalen Prozessrechtes im Rahmen eines zivilrechtlichen Verfahrens gefällt wurde und der sich an einen Dritten richtet, der im Hauptverfahren nicht Partei ist. Unter dem Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege (OG) galten solche Editionsentscheide des Zivilrichters gegen Dritte nicht als Zivilrechtsstreitigkeit und waren folglich nicht berufungsfähig (BGE 93 II 60; vgl. BGE 129 III 301). 
Das ist unter der Geltung des BGG anders. Der angefochtene Beschluss schliesst den Hauptprozess nicht ab, entscheidet nicht endgültig einen Teil der Begehren, schliesst das Verfahren nicht gegen einen Teil der Streitgenossen ab und behandelt nicht Zuständigkeits- oder Ausstandsfragen (vgl. Art. 90, 91 und 92 BGG); er ist somit ein sog. anderer Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 BGG. Solche Entscheide unterliegen, ungeachtet ihrer gesetzlichen Grundlage, dem gleichen Rechtsmittel wie der Endentscheid in der Hauptsache; bei Zwischenentscheiden folgt der Rechtsweg der Hauptsache (BGE 4A_239/2010 vom 25. Januar 2011 E. 1.4, zur Publikation vorgesehen; Urteil 5A_336/2007 vom 5. Oktober 2007 E. 1.2, in: Pra 2008 Nr. 67). Die Beschwerde in Zivilsachen ist demzufolge das zutreffende Rechtsmittel gegen den angefochtenen Beschluss. 
 
2. 
Zwischenentscheide, die nicht Zuständigkeits- oder Ausstandsfragen betreffen, sind nur ausnahmsweise unmittelbar beschwerdefähig. Gegen einen solchen Zwischenentscheid ist die Beschwerde in Zivilsachen - abgesehen vom hier nicht gegebenen Ausnahmefall gemäss Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG - nur zulässig, wenn er einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG). Dabei muss es sich um einen Nachteil rechtlicher Natur handeln, der auch durch einen für die beschwerdeführende Partei günstigen Endentscheid nicht mehr behoben werden könnte (BGE 134 III 188 E. 2.1). 
Es obliegt dem Beschwerdeführer aufzuzeigen, dass ihm ein nicht wieder gutzumachender Schaden droht (BGE 133 III 629 E. 2.3.1 in fine). Die Beschwerdeführerin macht in diesem Zusammenhang Geheimhaltungsinteressen, unverhältnismässig grossen Aufwand und die Möglichkeit einer Klage der Beschwerdegegnerin gegen ihre Gründer geltend. 
 
2.1 Die Beschwerdeführerin macht geltend, die zu edierenden Dokumente enthielten Geschäftsgeheimnisse; da die Beschwerdegegnerin eine Konkurrentin sei, entstehe ihr ein Schaden, der nicht wieder gutzumachen sei, wenn diese davon Kenntnis erhielte (vgl. hierzu BGE 130 II 149 E. 1.1, 127 II 132 E. 4a, 125 II 613 E. 6b). Letztere entgegnet, dass bei zehn Jahre zurückliegenden Rechnungen nicht mehr von Geschäftsgeheimnissen gesprochen werden könne. 
Das Arbeitsgericht hat ein Geheimhaltungsinteresse der Beschwerdeführerin verneint. Das Obergericht seinerseits hat erkannt, die Beschwerdeführerin habe sich in der Rekursschrift mit den entsprechenden vorinstanzlichen Erwägungen nicht auseinandergesetzt; mangels genügender Auseinandersetzung mit dem erstinstanzlichen Urteil trat sie deshalb auf die Frage des Geheimhaltungsinteresses nicht weiter ein. Das Obergericht ist also wegen mangelhafter Begründung der Rekursschrift und somit in Anwendung kantonalen Prozessrechtes auf die Rügen zum Geheimhaltungsinteresse nicht eingetreten. 
Die Beschwerdeführerin wirft dem Obergericht in diesem Zusammenhang zwar Willkür vor. Zur Begründung einer solchen Rüge hätte sie aber aufzeigen müssen, dass das Obergericht die kantonalrechtlichen Begründungsanforderungen an eine Rekursschrift in unhaltbarer Weise angewendet hat (vgl. BGE 133 III 462 E. 2.3 und 4.4.1). Das hat sie nicht getan; es findet sich nicht einmal ein Hinweis auf das kantonale Recht. Die Begründung erschöpft sich in der Behauptung, es habe ihr nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung des Verhältnismässigkeitsprinzips nicht zugemutet werden können, detailliert Stellung zu nehmen. Darauf ist nicht weiter einzutreten. 
Es bleibt somit dabei, dass das Obergericht mit der Frage des Geheimhaltungsinteresses der Beschwerdeführerin nicht rechtmässig befasst wurde und es sich dazu nicht geäussert hat. Der kantonale Instanzenzug wurde nicht erschöpft; die Frage kann folglich vor Bundesgericht nicht mehr aufgeworfen werden (Art. 75 Abs. 1 BGG; BGE 134 III 524 E. 1.3). Damit steht endgültig fest, dass ein Geheimhaltungsinteresse der Beschwerdeführerin nicht besteht. 
 
2.2 Die Beschwerdeführerin wendet ferner ein, ein Nachteil für sie bestehe in dem im Vergleich zum Resultat unverhältnismässig grossen Aufwand. Inwiefern darin ein nicht wieder gutzumachender Nachteil rechtlicher Natur liegen soll, ist nicht ersichtlich. Es geht höchstens um unnötige Kosten, für den sie Ersatz verlangen kann, wie das Obergericht im Übrigen schon entschieden hat (vgl. auch Art. 160 Abs. 3 ZPO). 
 
2.3 Das Obergericht hat die Behauptung der Beschwerdeführerin, die Beschwerdegegnerin plane einen Schadenersatzprozess gegen ihre Gründer, als verspätet und damit als unbeachtlich erklärt. Es oblag der Beschwerdeführerin aufzuzeigen, dass das Obergericht damit bei der Anwendung kantonalen Prozessrechtes das verfassungsmässige Willkürverbot verletzt hat; ihre entsprechenden Ausführungen genügen den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung einer Verfassungsrüge nicht (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 133 II 249 E. 1.4.2). Ungeachtet dessen zeigt sie nicht auf, worin für sie der nicht wieder gutzumachende Nachteil rechtlicher Natur liegt, soll doch der befürchtete Prozess nicht gegen sie, sondern gegen ihre Gründer und damit gegen Dritte eingeleitet werden. 
 
2.4 Ein nicht wieder gutzumachender Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 Bst. a BGG ist damit nicht nachgewiesen. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichtes ist folglich zur Zeit nicht offen. 
 
3. 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdeführerin kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 2 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3. 
Die Beschwerdeführerin bezahlt der Beschwerdegegnerin Y.________ AG eine Parteientschädigung von Fr. 5'000.--. 
 
4. 
Die Beschwerdeführerin bezahlt den Beschwerdegegnern A.________ und B.________ eine Parteientschädigung von Fr. 1'000.--. 
 
5. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 16. August 2011 
 
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Klett 
 
Der Gerichtsschreiber: Hurni