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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
9C_285/2013  
   
   
 
 
 
Urteil vom 16. September 2013  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Kernen, Präsident, 
Bundesrichterinnen Pfiffner Rauber, Glanzmann, 
Gerichtsschreiberin Dormann. 
 
Verfahrensbeteiligte 
G.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Anna Abplanalp, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
IV-Stelle Bern, Scheibenstrasse 70, 3014 Bern,  
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 25. Februar 2013. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Der 1955 geborene G.________ meldete sich im Juni 2009 bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Nach Abklärungen und Durchführung des Vorbescheidverfahrens verneinte die IV-Stelle Bern mit Verfügung vom 10. September 2012 einen Rentenanspruch bei einem Invaliditätsgrad von 22 %. 
 
B.   
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Entscheid vom 25. Februar 2013 ab. 
 
C.   
G.________ lässt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragen, es sei der Entscheid vom 25. Februar 2013 aufzuheben, die Arbeitsfähigkeit auf 60 % festzusetzen und die IV-Stelle anzuweisen, auf dieser Grundlage erneut über den Rentenanspruch zu verfügen; eventualiter sei die Sache an die IV-Stelle zurückzuweisen, damit sie über den Leistungsanspruch neu entscheide. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
2.   
 
2.1.  
 
2.1.1. Somatoforme Schmerzstörungen und ähnliche aetiologisch-pathogenetisch unerklärliche syndromale Leidenszustände vermögen in der Regel keine lang dauernde, zu einer Invalidität im Sinne von Art. 4 Abs. 1 IVG führende Einschränkung der Arbeitsfähigkeit zu bewirken (BGE 136 V 279 E. 3 S. 280 ff.; 130 V 352 E. 2.2.2 und 2.2.3 S. 353 f.; 132 V 65; 131 V 49; 130 V 396). Die - nur in Ausnahmefällen anzunehmende - Unzumutbarkeit eines Wiedereinstiegs in den Arbeitsprozess setzt das Vorliegen einer mitwirkenden, psychisch ausgewiesenen Komorbidität von erheblicher Schwere, Intensität, Ausprägung und Dauer oder aber das Vorhandensein anderer qualifizierter, mit gewisser Intensität und Konstanz erfüllter Kriterien voraus. In Betracht fallen dabei chronische körperliche Begleiterkrankungen und mehrjähriger Krankheitsverlauf bei unveränderter oder progredienter Symptomatik ohne längerfristige Remission, ein ausgewiesener sozialer Rückzug in allen Belangen des Lebens, ein verfestigter, therapeutisch nicht mehr angehbarer innerseelischer Verlauf einer an sich missglückten, psychisch aber entlastenden Konfliktbewältigung (primärer Krankheitsgewinn) oder schliesslich unbefriedigende Behandlungsergebnisse trotz konsequent durchgeführter Behandlungsbemühungen (auch mit unterschiedlichem therapeutischem Ansatz) und gescheiterte Rehabilitationsmassnahmen bei vorhandener Motivation und Eigenanstrengung der versicherten Person (BGE 130 V 352 E. 2.2.3 S. 354 f.). Je mehr dieser Kriterien zutreffen und je ausgeprägter sich die entsprechenden Befunde darstellen, desto eher sind die Voraussetzungen für eine zumutbare Willensanstrengung zu verneinen (BGE 137 V 64 E. 4.1 S. 67 f.; 131 V 49 E. 1.2 S. 50 f. mit Hinweisen).  
 
2.1.2. Im Rahmen der freien Beweiswürdigung (Art. 61 lit. c ATSG [SR 830.1]; vgl. BGE 132 V 393 E. 3.2 und 4 S. 397 ff.; Urteil I 865/06 vom 12. Oktober 2007 E. 4 mit Hinweisen) darf sich die Verwaltung - und im Streitfall das Gericht - weder über die (den beweisrechtlichen Anforderungen genügenden; vgl. BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232; 125 V 351 E. 3a S. 352 mit Hinweis) medizinischen Tatsachenfeststellungen hinwegsetzen noch sich die ärztlichen Einschätzungen und Schlussfolgerungen zur (Rest-) Arbeitsfähigkeit unbesehen ihrer konkreten sozialversicherungsrechtlichen Relevanz und Tragweite zu eigen machen. Die rechtsanwendenden Behörden haben diesfalls mit besonderer Sorgfalt zu prüfen, ob die ärztliche Einschätzung der Arbeitsunfähigkeit auch invaliditätsfremde Gesichtspunkte (insbesondere psychosoziale und soziokulturelle Belastungsfaktoren) mitberücksichtigt, die vom invaliditätsrechtlichen Standpunkt aus unbeachtlich sind (vgl. BGE 130 V 352 E. 2.2.5 S. 355 f.; 127 V 294 E. 5a S. 299; SVR 2012 IV Nr. 22 S. 95, 8C_302/2011 E. 2.5.1). Wo psychosoziale Einflüsse das Bild prägen, ist bei der Annahme einer rentenbegründenden Invalidität Zurückhaltung geboten (vgl. BGE 127 V 294 E. 5a S. 299; Urteile 9C_2010/2012 vom 9. Juli 2012 E. 3.3.2; 9C_1041/2010 vom 30. März 2011 E. 5.1).  
 
In diesem Sinn zählt zu den vom Bundesgericht nur eingeschränkt überprüfbaren Tatsachenfeststellungen, ob eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung resp. ein damit vergleichbares Leiden vorliegt, und bejahendenfalls, ob eine psychische Komorbidität oder weitere Umstände gegeben sind, welche die Schmerzbewältigung behindern. Als Rechtsfrage frei überprüfbar ist, ob eine festgestellte psychische Komorbidität hinreichend erheblich ist und ob einzelne oder mehrere der festgestellten weiteren Kriterien in genügender Intensität und Konstanz vorliegen, um gesamthaft den Schluss auf eine nicht mit zumutbarer Willensanstrengung überwindbare Schmerzstörung und somit auf eine invalidisierende Gesundheitsschädigung zu gestatten (BGE 137 V 64 E. 1.2 S. 66; SVR 2013 IV Nr. 6 S. 13, 9C_148/2012 E. 1.2). 
 
2.2. Die Vorinstanz hat dem von der SUVA eingeholten Gutachten des Zentrums X.________ (ZMB) vom 27. März 2012 - in dem für angepasste Tätigkeiten eine Arbeitsfähigkeit von 60 % attestiert wurde - grundsätzlich Beweiskraft beigemessen; davon ausgenommen hat sie indessen die darin enthaltene psychiatrische Einschätzung der Restarbeitsfähigkeit. Sie hat festgestellt, aus rein somatischer Sicht bestehe eine Einschränkung von 10 %. Die weitergehende Verminderung der Arbeits- und Leistungsfähigkeit sei psychisch bedingt und invalidenversicherungsrechtlich nicht relevant. Folglich hat sie die Invaliditätsbemessung der IV-Stelle bestätigt und einen Rentenanspruch verneint.  
 
Die Feststellung betreffend die somatischen Aspekte der Arbeitsfähigkeit ist für das Bundesgericht verbindlich (E. 1). Streitig und zu prüfen ist lediglich die Frage nach der psychisch begründeten Einschränkung. Dass diese resp. der darauf beruhende Rentenanspruch an der Rechtsprechung zu somatoformen Schmerzstörungen und damit vergleichbaren Leiden (E. 2.1.1) zu messen ist, wird zu Recht nicht in Abrede gestellt. 
 
2.3.  
 
2.3.1. In Bezug auf die Morbiditätskriterien (E. 2.1.1) hat das kantonale Gericht festgestellt, ein komorbides psychisches Leiden sei nicht zu diagnostizieren gewesen und ein sozialer Rückzug in allen Belangen des Lebens habe der psychiatrische Gutachter ausdrücklich verneint; ein primärer Krankheitsgewinn sei weder vom Experten benannt worden noch aus den Akten ersichtlich. Zwar könne eine chronische körperliche Begleiterkrankung angenommen werden; diese führe indessen lediglich zu einer geringgradigen Einschränkung der Arbeits- und Leistungsfähigkeit, zudem sei im Rahmen eines Schlussgesprächs zur Begutachtung gar eine Verbesserung der somatischen Beschwerden festgestellt worden. Dass diese Feststellungen offensichtlich unrichtig sein oder auf einer Rechtsverletzung beruhen sollen, ist nicht ersichtlich und wird auch nicht geltend gemacht; sie bleiben für das Bundesgericht verbindlich (E. 1).  
 
Schliesslich hat die Vorinstanz festgestellt, der Beschwerdeführer habe sich keiner eigentlichen fachspezifischen psychiatrischen Behandlung unterzogen, sondern es seien lediglich zwei bis drei Gespräche mit einer Psychologin anlässlich des Aufenthaltes in einer Rehaklinik und ein psychiatrisches Screening in einem Schmerzzentrum erfolgt; das Scheitern einer konsequent durchgeführten Behandlung sei damit nicht anzunehmen. Selbst wenn diese Feststellung offensichtlich unrichtig (d.h. unhaltbar resp. willkürlich: BGE 135 II 145 E. 8.1 S. 153; Urteil 9C_607/2012 vom 17. April 2013 E. 5.2) sein sollte - was der Beschwerdeführer indessen nicht explizit vorbringt und angesichts der vom Psychiater empfohlenen Weiterführung der "bereits etablierten medizinischen Massnahmen" nicht anzunehmen ist -, wäre lediglich dieses eine Kriterium erfüllt, was in rechtlicher Hinsicht für die Annahme einer invalidisierenden Arbeitsunfähigkeit nicht genügt. 
 
2.3.2. Soweit sich der Beschwerdeführer auf den Bericht des Zentrums S.________ vom 9. August 2010 über das zuvor durchgeführte Belastungstraining beruft, kann er nichts für sich ableiten: Während der zehn Wochen dauernden Massnahme blieb seine Präsenzzeit auf 3,25 Stunden pro Tag limitiert. Im Bericht wurde unter Verweis auf subjektive Schmerzangaben des Versicherten festgehalten, er habe "keine Bereitschaft" gezeigt, länger als am Vormittag zu arbeiten; zudem wurde eine psychotherapeutische Behandlung empfohlen. Eindeutige Ergebnisse der beruflichen Massnahme liegen somit nicht vor. Insbesondere legten die Berufsfachleute nicht einleuchtend (vgl. BGE 125 V 351 E. 3a S. 352) dar, welche Leistung sie für objektiv realisierbar (SVR 2013 IV Nr. 6 S. 13, 9C_148/2012 E. 2.3.2) hielten. Zwar betrachtete der Gutachter des Zentrums X.________ den Bericht - ohne darauf näher einzugehen - als "ohne Weiteres nachvollziehbar"; daraus allein lässt sich indessen nicht eine rechtlich relevante Arbeitsunfähigkeit ableiten. Zudem weicht der Sachverhalt des Verfahrens 9C_148/2012 (SVR 2013 IV Nr. 6 S. 13) erheblich vom hier zu beurteilenden ab; anders als in jenem Fall konnte in diesem auch fachärztlich keines der Morbiditätskriterien in ausgeprägtem Mass festgestellt werden (E. 2.3.1) und es ergibt sich unter rechtlichen, medizinischen und berufspraktischen Aspekten kein einheitliches Gesamtbild (SVR 2013 IV Nr. 6 S. 13, 9C_148/2012 E. 2.4), das auf die Annahme einer weitergehenden Arbeitsunfähigkeit schliessen lässt.  
 
2.4. Nach dem Gesagten hat die Vorinstanz in Bezug auf die psychischen Beeinträchtigungen zu Recht eine Arbeitsunfähigkeit verneint. Die Beschwerde ist unbegründet.  
 
3.   
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat der Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 16. September 2013 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Kernen 
 
Die Gerichtsschreiberin: Dormann