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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
6B_429/2016  
   
   
 
 
 
Urteil vom 16. November 2016  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, Präsident, 
Bundesrichterinnen Jacquemoud-Rossari, Jametti, 
Gerichtsschreiber Held. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Markus Weber, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
1.       Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau, 
       Frey-Herosé-Strasse 20, Wielandhaus, 5001 Aarau, 
2.       A.________, 
       vertreten durch Rechtsanwältin Michèle Wehrli Roth, 
Beschwerdegegnerinnen. 
 
Gegenstand 
Versuchte Vergewaltigung; Willkür, rechtliches Gehör, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Strafgericht, 1. Kammer, vom 17. Dezember 2015. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
X.________ gab am 4. Oktober 2013 gegenüber A.________ wahrheitswidrig an, er müsse im Rahmen von Sanierungsarbeiten Feuchtigkeitsmessungen in ihrer Wohnung durchführen. Er nutzte die "Wartezeit" bei den Messungen, um ihr eine unbestimmte Menge eines mitgebrachten GBL/GHB-Gemisches in ihren Milchshake zu schütten. Nachdem A.________ einige Schlucke getrunken hatte, verspürte sie ein Kribbeln in Armen und Beinen sowie Anzeichen von Bewusstseinsstörungen. Es gelang ihr, X.________ unter einem Vorwand aus der Wohnung zu komplimentieren. 
Das Bezirksgericht Zofingen sprach X.________ am 15. Januar 2015 vom Vorwurf der versuchten Vergewaltigung und der Herstellung von Betäubungsmitteln frei. Es verurteilte ihn wegen versuchter vorsätzlicher Tötung sowie Transports und Aufbewahrung von Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von 4 ½ Jahren und einer bedingten Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu Fr. 30.-. Gleichzeitig ordnete es eine vollzugsbegleitende ambulante Massnahme an und verpflichtete ihn, A.________ eine Genugtuung von Fr. 5'000.- zu zahlen. 
 
B.  
Das Obergericht des Kantons Aargau sprach X.________ am 17. Dezember 2015 vom Vorwurf der versuchten vorsätzlichen Tötung sowie des Herstellens von Betäubungsmitteln frei. Es verurteilte ihn wegen versuchter Vergewaltigung, versuchter qualifizierter einfacher Körperverletzung sowie Transports und Aufbewahrung von Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von 2 ½ Jahren (und beliess es im Übrigen beim erstinstanzlichen Urteil). 
 
C.  
X.________ führt wie die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau (separates Verfahren 6B_355/2016) Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt zusammengefasst, das obergerichtliche Urteil sei aufzuheben und zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Eventualiter sei er vom Vorwurf der versuchten Vergewaltigung freizusprechen und wegen qualifizierter einfacher Körperverletzung und Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz zu einer bedingten Freiheitsstrafe von sechs Wochen zu verurteilen. X.________ ersucht um unentgeltliche Rechtspflege. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör sowie eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung. Die Vorinstanz verstosse gegen ihre Begründungspflicht, da sie wichtige aktenkundige Spuren und Beweisdokumente unerwähnt lasse. Sie verletze die Unschuldsvermutung, da sie nicht aufgrund einer positiven Beweisführung, sondern fehlender überzeugender Gegenargumente des Beschwerdeführers auf eine sexuell motivierte Tat schliesse und ihm damit faktisch den Nachweis seiner Unschuld auferlege.  
 
1.2. Die Vorinstanz erwägt zusammengefasst, der Beschwerdeführer bestreite ein sexuelles Motiv für seine Tat. Seine Erklärung, er habe der Privatklägerin nichts antun, sondern lediglich die Wirkung von GBL ausprobieren wollen, überzeuge hingegen nicht. Der Beschwerdeführer habe sich im Laufe des Strafverfahrens mehrmals widersprochen und es lägen zahlreiche Indizien für eine sexuell motivierte Tat vor. Finanzielle Motive seien nicht ersichtlich. Der Beschwerdeführer habe die Privatklägerin gezielt ausgesucht und aufgrund von Internetrecherchen gewusst, dass GBL das Bewusstsein beeinträchtige, weshalb er davon ausgegangen sei, die Privatklägerin werde sich im Nachhinein an nichts mehr erinnern können. Die Kammer (Vorinstanz) sei überzeugt, dass der Beschwerdeführer die Privatklägerin durch die Abgabe des GBL habe widerstandsunfähig machen wollen, um anschliessend den Beischlaf an ihr zu vollziehen.  
 
1.3.  
 
1.3.1. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG; vgl. auch Art. 105 Abs. 2 BGG). Offensichtlich unrichtig im Sinne von Art. 97 Abs. 1 BGG ist die Sachverhaltsfeststellung, wenn sie willkürlich ist (BGE 141 IV 249 E. 1.3.1 S. 253 mit Hinweis; vgl. zum Begriff der Willkür BGE 141 IV 305 E. 1.2 S. 308 f.; 140 III 16 E. 2.1 S. 18 f.; je mit Hinweisen).  
Für die Anfechtung des Sachverhalts gelten qualifizierte Begründungsanforderungen (Art. 42 Abs. 2 i.V.m. Art. 97 Abs. 1 und Art. 106 Abs. 2 BGG). Die beschwerdeführende Person hat genau darzulegen, inwiefern die vorinstanzliche Beweiswürdigung willkürlich sein soll. Dazu genügt es nicht, einen von den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz abweichenden Sachverhalt zu behaupten oder die eigene Beweiswürdigung zu erläutern (BGE 137 II 353 E. 5.1; Urteil 9C_534/2015 vom 1. März 2016 E. 1.2; je mit Hinweisen). Dass die von den Sachgerichten gezogenen Schlüsse nicht mit der Darstellung der beschwerdeführenden Partei übereinstimmen, belegt keine Willkür. Auf ungenügend begründete Rügen oder bloss allgemein gehaltene appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 141 IV 249 E. 1.3.1 mit Hinweisen). 
 
1.3.2. Was der Täter weiss, will und in Kauf nimmt, betrifft eine innere Tatsache und ist Tatfrage, welche im Verfahren vor Bundesgericht nur im Rahmen von Art. 97 Abs. 1 BGG gerügt werden kann (vgl. auch Art. 106 Abs. 2 BGG). Rechtsfrage ist hingegen, ob gestützt auf die festgestellten Tatsachen bewusste Fahrlässigkeit, Eventualvorsatz oder direkter Vorsatz gegeben ist (BGE 137 IV 1 E. 4.2.3 S. 4; 135 IV 152 E. 2.3.2; je mit Hinweisen).  
 
1.4. Die Rügen des Beschwerdeführers gehen an der Sache vorbei, soweit sie überhaupt den Begründungsanforderungen gemäss Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG genügen. Unzutreffend ist, dass die Vorinstanz aktenkundige Sachbeweise, namentlich die vom Beschwerdeführer am Tatort zurückgelassenen Spuren, nicht berücksichtigt. Diese waren neben den Aussagen der Privatklägerin bei der Rekonstruktion des äusseren Tatgeschehens und dem Nachweis der objektiven Tatbestandsmerkmale entscheidend. Auch hinsichtlich des subjektiven Tatbestandes, ob der Beschwerdeführer beabsichtigte, die Privatklägerin zu vergewaltigen, stützt sich die Vorinstanz neben den Zeugenaussagen auf die aktenkundigen Sachbeweise ab. Sie berücksichtigt namentlich die Vorgehensweise bei der Kontaktaufnahme, sein Verhalten in der Wohnung der Privatklägerin sowie Art und Menge der von ihm verwendeten Droge. Inwieweit die von ihm in der Wohnung hinterlassenen zahlreichen Tatortspuren und sonstigen Indizien entlastend und eine sexuelle Motivation der Tat widerlegen sollen, zeigt der Beschwerdeführer nicht auf und ist auch nicht ersichtlich. Eine unvorsichtige oder dilettantische Tatausführung spricht für sich nicht (zwangsläufig) gegen die vorsätzliche Begehung einer Straftat und lässt die vorinstanzliche Beweiswürdigung nicht als willkürlich erscheinen. Der gerügten Verletzung des rechtlichen Gehörs kommt vorliegend keine über die erhobene Willkürrüge hinausgehende Bedeutung zu.  
Nicht zutreffend ist, die Vorinstanz verstosse gegen die Unschuldsvermutung respektive den Grundsatz in dubio pro reo als Beweislastregel. Die Vorinstanz setzt sich mit der Einlassung des Beschwerdeführers, er habe lediglich die Wirkung von GBL/GHB testen wollen, eingehend auseinander, hält diese aber aufgrund der übrigen Beweise und Indizien als nicht überzeugend. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Beschwerdeführer die Wirkung der Droge aufgrund des (regelmässigen) Konsums durch einen Kollegen kannte, nicht zu beanstanden. Die Schlussfolgerung der Vorinstanz, der Beschwerdeführer habe aus sexuellen Motiven gehandelt, erweist sich weder als willkürlich noch bundesrechtswidrig. 
 
2.  
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege ist infolge Aussichtslosigkeit seiner Rechtsbegehren abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). Die Gerichtskosten sind ausgangsgemäss dem unterliegenden Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Seiner finanziellen Lage ist mit einer reduzierten Gerichtsgebühr Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Strafgericht, 1. Kammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 16. November 2016 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Denys 
 
Der Gerichtsschreiber: Held