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[AZA 7] 
I 47/01 Gi 
 
II. Kammer 
 
Präsident Schön, Bundesrichter Ursprung und Frésard; 
Gerichtsschreiberin Amstutz 
 
Urteil vom 17. Januar 2002 
 
in Sachen 
K.________, 1953, Beschwerdeführerin, c/o B.________, vertreten durch Rolf Hofmann c/o Kupferschmid + Partner, Beethovenstrasse 24, 8002 Zürich, 
 
gegen 
IV-Stelle des Kantons Thurgau, St. Gallerstrasse 13, 8500 Frauenfeld, Beschwerdegegnerin, 
 
und 
AHV/IV-Rekurskommission des Kantons Thurgau, Weinfelden 
 
A.- Mit Verfügung vom 31. Juli 2000 sprach die IV-Stelle des Kantons Thurgau der 1953 geborenen K.________ rückwirkend ab 1. Februar 1992 bis 31. März 1996 sowie ab 
1. Januar 1998 eine Viertelsrente bei einem Invaliditätsgrad von 41 % zu; für die Zeit vom 1. April 1996 bis 
31. Dezember 1997 verneinte die IV-Stelle den Rentenanspruch mangels Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen des Wohnsitzes und gewöhnlichen Aufenthalts in der Schweiz. 
Die Prüfung eines Härtefalls blieb pendent. 
 
B.- Die hiegegen erhobene Beschwerde mit dem Antrag auf Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids und Zusprechung einer Viertelsrente auch für die Zeit vom 1. April 1996 bis 31. Dezember 1997 wies die AHV/IV-Rekurskommission des Kantons Thurgau ab (Entscheid vom 21. Dezember 2000). 
 
C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt K.________ ihr vorinstanzlich gestelltes Rechtsbegehren erneuern. Ferner ersucht sie um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege. 
 
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. 
Das Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- a) Nach Art. 28 Abs. 1ter IVG werden Renten, die einem Invaliditätsgrad von weniger als 50 % entsprechen, nur an Versicherte ausgerichtet, die ihren Wohnsitz und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz haben. Art. 28 Abs. 1ter IVG beinhaltet nicht eine blosse Auszahlungsvorschrift, sondern eine Anspruchsvoraussetzung (BGE 121 V 269 ff. Erw. 5). 
 
b) Gemäss Art. 23 Abs. 1 ZGB befindet sich der zivilrechtliche Wohnsitz einer Person an dem Ort, wo sie sich mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält und den sie sich zum Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen gemacht hat, wobei es nicht auf den inneren Willen ankommt, sondern darauf, auf welche Absicht die erkennbaren Umstände objektiv schliessen lassen (BGE 127 V 238 Erw. 1 mit Hinweisen; SVR 2000 IV Nr. 14 S. 44 Erw. II/3b; vgl. auch Art. 20 Abs. 1 lit. a IPRG). Um den Wohnsitz einer Person festzustellen, ist die Gesamtheit ihrer Lebensumstände in Betracht zu ziehen: 
Der Mittelpunkt der Lebensinteressen befindet sich an demjenigen Ort bzw. in demjenigen Staat, wo sich die meisten Aspekte des persönlichen, sozialen und beruflichen Lebens der betroffenen Person konzentrieren, sodass deren Beziehungen zu diesem Zentrum enger sind als jene zu einem anderen Ort bzw. Staat (BGE 125 III 102 mit Hinweisen; ZAK 1990 S. 247 Erw. 3a; RDAT 1995 II Nr. 71 S. 198 Erw. 3). 
Der Wohnsitz bleibt erhalten, wenn die betroffene Person den Ort, den sie zum Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen gemacht hat, (z.B. krankheitshalber) vorübergehend verlässt (BGE 99 V 108 Erw. 2). Nach Art. 24 Abs. 1 ZGB bleibt sodann der einmal begründete Wohnsitz einer Person bis zum Erwerb eines neuen Wohnsitzes bestehen (BGE 127 V 238 Erw. 1 mit Hinweisen). 
Für den gewöhnlichen Aufenthalt sind der tatsächliche Aufenthalt in der Schweiz und der Wille massgebend, diesen beizubehalten, wobei sich zusätzlich der Schwerpunkt aller Beziehungen in der Schweiz befinden muss (BGE 119 V 108 Erw. 6c, 117 Erw. 7b, 112 V 165 Erw. 1; ARV 1996/1997 Nr. 18 S. 89 Erw. 3a, Nr. 33 S. 186 Erw. 3a/aa; SVR 2001 ALV Nr. 3 S. 5 Erw. 1a). Diese in objektivem Sinne zu verstehende Aufenthaltsvoraussetzung wird in der Regel nach der Ausreise ins Ausland nicht mehr erfüllt. Begibt sich jedoch die betroffene Person nur vorübergehend ins Ausland ohne die Absicht, die Schweiz für immer zu verlassen, lässt das Aufenthaltsprinzip die beiden Ausnahmen des voraussichtlich kurzfristigen und des voraussichtlich längerfristigen Auslandaufenthaltes zu. Ein in diesem Sinne kurzfristiger Auslandaufenthalt ist gegeben, wenn und soweit sich dieser im Rahmen des allgemein Üblichen bewegt, aus triftigen Gründen, z.B. zu Besuchs-, Ferien-, Geschäfts-, Kur- oder Ausbildungszwecken, erfolgt und ein Jahr nicht übersteigt, wobei diese Maximaldauer nur bei Vorliegen eines (wirklich) triftigen Grundes voll ausgeschöpft werden darf. 
Der Ausnahmegrund des längerfristigen Auslandaufenthaltes ist gegeben, wenn ein grundsätzlich als kurzfristig beabsichtigter Auslandaufenthalt wegen zwingender unvorhergesehener Umstände wie Erkrankung oder Unfall über ein Jahr hinaus verlängert werden muss oder wenn von vornherein zwingende Gründe wie Fürsorgemassnahmen, Ausbildung oder Krankheitsbehandlung einen voraussichtlich überjährigen Aufenthalt erfordern (BGE 111 V 182 Erw. 4; vgl. auch BGE 125 V 466 f. Erw. 2a, 115 V 448 f.). 
 
c) Eine mündliche bzw. telefonisch eingeholte und in einer Aktennotiz festgehaltene Auskunft stellt gemäss Rechtsprechung nur insoweit ein zulässiges und taugliches Beweismittel dar, als damit bloss Nebenpunkte, namentlich Indizien oder Hilfstatsachen, festgestellt werden. Sind aber Auskünfte zu wesentlichen Punkten des rechtserheblichen Sachverhaltes einzuholen, kommt grundsätzlich nur die Form einer schriftlichen Anfrage und Auskunft in Betracht. 
Werden Auskunftspersonen zu wichtigen, tatbeständlichen Punkten dennoch mündlich befragt, ist eine Einvernahme durchzuführen und darüber ein Protokoll aufzunehmen. In der Regel ist den Betroffenen zudem Gelegenheit zu geben, der Einvernahme beizuwohnen (BGE 117 V 285 Erw. 4c mit Hinweisen; RKUV 1999 Nr. U 328 S. 117 Erw. 3c, 1994 Nr. U 200 S. 269 f. Erw. 2b; ARV 1992 Nr. 17 S. 153 Erw. 2b). 
 
2.- Streitig und zu prüfen ist einzig, ob die Beschwerdeführerin ihren Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt vom 1. April 1996 bis 31. Dezember 1997 in der Schweiz hatte und somit auch für diesen Zeitraum sämtliche Anspruchsvoraussetzungen einer Viertelsrente erfüllt. 
 
a) Fest steht, dass sich die Beschwerdeführerin zwischen dem 1. April 1996 und dem 31. Dezember 1997 teils in der Schweiz, teils mit ihrem Partner in Spanien aufhielt. 
Als hinreichend erstellt gelten kann sodann, dass sie sich per 31. März 1996 bei ihrer bisherigen Wohnortsgemeinde unter Hinweis auf den Wegzug nach Spanien abgemeldet und erst anfangs Januar 1998 in der Schweiz zurückgemeldet hat (Gesprächsnotiz vom 22. Juli 1996 und vom 20. August 1999). 
Obwohl die entsprechenden Beweisauskünfte wesentliche Punkte des rechtserheblichen Sachverhalts enthalten, kann von einer Rückweisung der Streitsache an die Vorinstanz wegen fehlender schriftlicher Beweiserhebung (Erw. 1c hievor) abgesehen werden. Denn weder der Zeitpunkt der Abmeldung noch jener der förmlichen Wiederanmeldung wird von der Beschwerdeführern bestritten, sodass von der ordentlichen Einholung der Beweisauskünfte kein abweichendes Ergebnis zu erwarten ist. Rechtsgenüglich erwiesen ist ferner, dass der Heimatschein vom 15. April 1996 bis 2. Februar 1998 beim Zivilstandsamt Konolfingen mit Vermerk "infolge Auslandaufenthalts" deponiert wurde. Die Behauptung der Beschwerdeführerin, das Amt habe den Verweis bezüglich Auslandaufenthalt rein zufällig und spekulativ vorgenommen, wird durch nichts gestützt. 
 
b) Ob die Vorinstanz das Fortbestehen des zivilrechtlichen Wohnsitzes in der Schweiz mit Blick auf den fraglichen Zeitraum zu Recht verneint hat, kann, wie die nachstehenden Erwägungen zeigen, offenbleiben. 
Namentlich die mehr als eineinhalbjährige Abmeldung in der Schweiz sowie die Hinterlegung des Heimatscheins sind als gewichtige Indizien dafür zu werten, dass sich die Beschwerdeführerin im streitigen Zeitraum gewöhnlich in Spanien aufhielt. Diesbezügliche Anhaltspunkte finden sich nach den zutreffenden Erwägungen des kantonalen Gerichts, worauf verwiesen wird, auch in den medizinischen Unterlagen; insbesondere hat die Beschwerdeführerin gegenüber der Medizinischen Abklärungsstelle (MEDAS) im August 1998 selbst betont, sie halte sich häufig in Spanien auf, wo die Beschwerden aufgrund des warmen Klimas deutlich geringer seien. Hätte die Beschwerdeführerin tatsächlich mehrheitlich in der Schweiz gelebt, ist zudem kaum nachvollziehbar, weshalb sie trotz ausgewiesener Beschwerden und nach erfolgter ärztlicher Anmeldung im September 1997 keinerlei Schritte zum Besuch der Schmerzsprechstunde im Spital unternahm; dass sie die MEDAS-Abklärung abwarten wollte, erscheint wenig glaubhaft, zumal sie im Oktober 1997 über die langen Wartefristen informiert wurde (Gesprächsnotiz vom 7. Oktober 1997) und erst im März 1998 erfuhr, wann die Abklärung stattfinden sollte. Schliesslich spricht gegen den gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz auch der Umstand, dass die Beschwerdeführerin, als sie im Sommer 1996 nach eigenen Angaben für ca. drei Monate in der Schweiz weilte, zumindest anfänglich auf eine Hotelunterkunft angewiesen war. Zudem erklärte sie damals, sie werde im Falle einer späteren medizinischen Begutachtung notfalls von Spanien wieder in die Schweiz kommen (Angaben der Beschwerdeführerin vom 24. Juli 1996). 
Selbst wenn die Beschwerdeführerin ohne Absicht des dauernden Verbleibs (ferienhalber) in Spanien verweilte, sprechen die objektiv erkennbaren Umstände gegen einen bloss kurzfristigen Aufenthalt im Sinne der Rechtsprechung (Erw. 1b hievor). Denn nachdem die Beschwerdeführerin erstelltermassen während 21 Monaten in der Schweiz unangemeldet blieb und Anhaltspunkte für eine hiesige Anwesenheit während des fraglichen Zeitraums lediglich für die Monate Juli, August, September (Angaben der Versicherten, medizinische Abklärungen) und Dezember 1996 (Begutachtung am Kantonsspital Thurgau vom 10. Dezember) sowie Januar (Unterschrift zur Vollmachterteilung vom 21. Januar 1997), Juni (Kontakt mit Rechtsvertreter in dessen Büro) und Juli 1997 (ambulante Begutachtung durch Dr. med. U.________ vom 4. Juli) bestehen, ist überwiegend wahrscheinlich, dass sie im fraglichen Zeitraum faktisch mehr als ein Jahr im Ausland verbrachte. Zwingende Gründe für einen längerdauernden Aufenthalt (Erw. 1b hievor) sind keine ersichtlich. 
 
Der Vorwurf mangelnder Sachverhaltsabklärung durch die IV-Stelle hält nicht stand. Die Beschwerdeführerin verkennt, dass der Untersuchungsgrundsatz nicht uneingeschränkt gilt, sondern sein Korrelat in den Mitwirkungspflichten der Parteien findet (BGE 125 V 195 Erw. 2, 122 V 158 Erw. 1a, je mit Hinweisen). Im gesamten Verfahren hat die Beschwerdeführerin praktisch keine Indizien genannt oder Beweismittel beigebracht, welche ihren Standpunkt zu untermauern vermöchten, wonach sie sich trotz Abmeldung in der Schweiz und Hinterlegung des Heimatscheins überwiegend hierzulande aufgehalten und sich auch der Schwerpunkt aller ihrer Beziehungen weiterhin hier befunden habe. Dass die Beschwerdeführerin zwischen April 1996 und Ende 1997 in der Schweiz AHV/IV-Beiträge für Nichterwerbstätige entrichtete und - bei Dritten - über eine Postadresse verfügte, spricht allenfalls gegen die Absicht der Wohnsitzverlegung. Dies ändert aber nichts daran, dass in Würdigung der dokumentierten äusseren Lebensumstände im zu beurteilenden Zeitraum der gewöhnliche Aufenthalt in Spanien nicht nur als möglich, sondern als am wahrscheinlichsten zu gelten hat. 
Nach der zutreffenden Feststellung des kantonalen Gerichts ist damit dem erforderlichen Beweismass Genüge getan (vgl. 
BGE 126 V 360 Erw. 5b, 125 195 Erw. 2, je mit Hinweisen). 
 
3.- Da es im vorliegenden Verfahren um Versicherungsleistungen geht, sind gemäss Art. 134 OG keine Gerichtskosten zu erheben. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege im Sinne der Befreiung von den Gerichtskosten erweist sich daher als gegenstandslos. 
Im letztinstanzlichen Verfahren bleibt die unentgeltliche Verbeiständung patentierten Rechtsanwälten vorbehalten (Art. 152 Abs. 2 OG; nicht publizierte Erw. 4 des Urteils BGE 122 II 154 ff.; Poudret, Commentaire de l'OJ, Bd. 
V, S. 126, N. 7 zu Art. 152; vgl. auch Urteil K. vom 3. April 2000, [I 664/99], Erw. 2a). Der unterzeichnende Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin, Rolf Hofmann, ist in einer Anwaltskanzlei in Zürich als Rechtskonsulent tätig und verfügt gemäss offiziellem Briefkopf der Kanzlei über keine Zulassung zum Anwaltsberuf. Fehlt es an einer anwaltlichen Vertretung vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht, kann auch keine Entschädigung für Anwaltskosten zugesprochen werden. Das Gesuch der Beschwerdeführerin um Beigabe ihres Vertreters als von der Bundesgerichtskasse zu entschädigender Rechtsbeistand ist daher abzuweisen. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
I.Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
 
II.Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
III. Das Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung wird abgewiesen. 
 
IV.Dieses Urteil wird den Parteien, der AHV/IV-Rekurskommission des Kantons Thurgau, der Ausgleichskasse des Kantons Thurgau und dem Bundesamt für Sozialversicherung 
 
 
zugestellt. 
Luzern, 17. Januar 2002 
 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der II. Kammer: 
 
Die Gerichtsschreiberin: