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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
5A_930/2016  
   
   
 
 
 
Urteil vom 17. Januar 2017  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter von Werdt, Präsident, 
Bundesrichter Marazzi, Bovey, 
Gerichtsschreiber Möckli. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Claudia Rohrer, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
1. B.________, Gerichtspräsident I des Bezirksgerichts U.________, 
2. C.________, Gerichtspräsident II des Bezirksgerichts U.________, 
3. D.________, Gerichtspräsident III des Bezirksgerichts U.________, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Ausstand (Kindesschutz), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau, Kammer für Kindes- und Erwachsenenschutz, vom 21. Oktober 2016. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
E.________ und F.________ haben die Tochter A.________, geb. 2010. Sie trugen vor Gericht zahlreiche Streitigkeiten rund um das Kind aus. 
Aufgrund des Verhaltens des Vaters führten die drei Gerichtspräsidenten des Bezirksgerichts U.________ mit diesem am 24. November 2014 zwecks "Deeskalation" eine Ausssprache durch, worauf sich der Umgangston vorübergehend ins Positive veränderte. Bald setzten aber die Ausfälligkeiten wieder ein und die Gerichtspräsidenten machten im Frühjahr 2015 nach Konsultation der Fachstelle für Personalsicherheit eine Gefährderansprache. Infolge erneuter Drohungen erstatteten sie nach Rücksprache mit der Justizleitung und der Kantonspolizei beim Polizeikommando Zürich eine Strafanzeige. Die Einleitung des Strafverfahrens führte zu einer gewissen Beruhigung und mit Schreiben vom 15. März 2016 zogen die Gerichtspräsidenten ihre Strafanzeige zurück. 
 
B.   
Mit Entscheid vom 3. Juni 2016 erklärten die drei Gerichtspräsidenten im Kindesschutzverfahren xxx den Ausstand mit der Begründung, angesichts der gegen den Vater eingereichten Strafanzeige würden sie sich in den Verfahren betreffend A.________, in welchen sie alle drei bereits tätig gewesen seien, nicht mehr als unbefangen betrachten. Sofern der Ausstandsgrund von den Parteien bestritten werde, wofür ihnen eine Frist von 10 Tagen gesetzt werde, würden die Akten direkt dem Obergericht zum Entscheid über das Ausstandsgesuch weitergeleitet; soweit der Ausstand nicht bestritten werde, würden die Akten direkt dem Obergericht zur weiteren Behandlung (Einsetzung eines anderen Gerichtspräsidenten oder Übertragung der Angelegenheit auf ein anderes Bezirksgericht) weitergeleitet. 
Nachdem die Mutter den Ausstandsgrund unter Berufung auf die Garantie des verfassungsmässigen Richters bestritten hatte, wurde das Ausstandsgesuch dem Obergericht des Kantons Aargau übermacht. Mit Entscheid vom 21. Oktober 2016 hiess dieses das Ausstandsgesuch aller drei Gerichtspräsidenten des Bezirksgerichts U.________ im Kindesschutzverfahren xxx bzw. allen hängigen und zukünftigen Subverfahren in der betreffenden Angelegenheit gut. In seinen Erwägungen hielt es fest, für die Ersatzlösung nicht zuständig zu sein und deshalb das Dossier nach Rechtskraft des Entscheides der Justizleitung des Kantons Aargau zuzustellen. 
 
C.   
Gegen den obergerichtlichen Entscheid hat die Mutter am 2. Dezember 2016 eine Beschwerde in Zivilsachen eingereicht mit den Begehren um dessen Aufhebung und Abweisung des Ausstandsgesuchs der drei Gerichtspräsidenten, eventualiter um Rückweisung des Verfahrens an das Obergericht. Am 4. Januar 2017 nahmen die drei Gerichtspräsidenten zum Gesuch um aufschiebende Wirkung Stellung und beantragten dessen Abweisung. In der Sache selbst wurden keine Vernehmlassungen eingeholt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Angefochten ist ein selbständig eröffneter Zwischenentscheid über ein Ausstandsbegehren, wogegen die Beschwerde in Zivilsachen grundsätzlich gegeben ist (Art. 92 Abs. 1 BGG). Indes ist diese gemäss Art. 75 Abs. 2 BGG nur gegen Entscheide zulässig, die ein oberes kantonales Gericht als  Rechtsmittelinstanz gefällt hat (Prinzip der "double instance" im Bereich des Zivilrechts), ausgenommen die in Art. 75 Abs. 2 lit. a-c BGG genannten Fälle (BGE 137 III 424 E. 2.1 S. 426; 138 III 41 E. 1.1 S. 42 f.; 139 III 252 E. 1.6 S. 255).  
 
2.   
Vorliegend hat das Obergericht nicht als Rechtsmittelinstanz über den Ausstand entschieden, sondern als erste und einzige Instanz. Die drei Gerichtspräsidenten haben in E. 3.2 ihrer Verfügung vom 3. Juni 2016 festgehalten, dass das Bezirksgericht nicht gestützt auf § 19 lit. d EG ZPO/AG selbst über das Ausstandsgesuch entscheiden könne, weil sämtliche Gerichtspräsidenten des Bezirksgerichts U.________ befangen seien, so dass nicht gegenseitig ein Präsident über den Ausstand des anderen entscheiden könne; vielmehr sei gestützt auf § 19 lit. e EG ZPO/AG ein direkter Entscheid durch das Obergericht in Betracht zu ziehen. Das Obergericht folgte diesen Überlegungen, indem es sich in E. 1.2 des vorliegend angefochtenen Entscheides explizit auf § 19 lit. e EG ZPO/AG stützte. 
Bei § 19 lit. e EG ZPO/AG geht es um den Fall, dass der geltend gemachte Ausstandsgrund die Mehr- oder Gesamtheit der Mitglieder eines Bezirksgerichtes betrifft; diesfalls ist aufgrund der aargauischen Gesetzgebung direkt das Obergericht entscheidungszuständig. Dieses hat somit als Erstinstanz über den Ausstand entschieden. Es liegt die identische Konstellation vor, wie sie im Fall 5A_697/2016 in Bezug auf das Bezirksgericht Luzern gegeben war. Auch dort war unbekümmert um die Rechtsmittelbelehrung keine Beschwerdemöglichkeit beim Bundesgericht gegeben, weil das Kantonsgericht Luzern nicht als Rechtsmittelinstanz über den Ausstand des gesamten Bezirksgerichts entschieden hatte und keiner der im Ausnahmekatalog von Art. 75 Abs. 2 lit. a-c BGG erwähnten Gründe gegeben war. 
 
3.   
Der Kanton Aargau ist angesichts von Art. 75 Abs. 2 BGG verpflichtet, ein kantonales Rechtsmittel zur Verfügung zu stellen (BGE 139 III 252 E. 1.6 S. 255 f.; Urteile 4A_546/2013 vom 13. März 2014 E. 4; 5A_697/2016 vom 25. November 2016 E. 2.4). Nach konstanter Praxis des Bundesgerichtes gehen die Akten in solchen Fällen zur weiteren Behandlung an das Obergericht zurück (BGE 139 III 252 E. 1.6 S. 256; Urteile 5A_266/2011 vom 24. Oktober 2011 E. 2; 4A_546/2013 vom 13. März 2014 E. 4; 5A_697/2016 vom 25. November 2016 E. 2.4). Zwar ist der Kanton und nicht das Gericht verpflichtet, ein Rechtsmittel zu schaffen. Praktisch lässt sich dies aber, soweit als Erstinstanz bereits das Obergericht geurteilt hat, nicht anders handhaben, als dass das Obergericht in anderer Besetzung die Eingabe beurteilt und einen Rechtsmittelentscheid fällt (Urteile 4A_263/2016 vom 20. September 2016 E. 1.4; 5A_161/2015 vom 6. August 2015 E. 4; 5A_697/2016 vom 25. November 2016 E. 2.4). 
 
4.   
Mit dem vorliegenden Nichteintretens- und Weiterleitungsentscheid wird das Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos. 
Praxisgemäss werden in Fällen wie dem vorliegenden keine Gerichtskosten erhoben und die Parteikosten im Rahmen des kantonalen Rechtsmittelentscheides liquidiert, zumal durch die Weiterleitung keine zusätzlichen Kosten entstehen. Sofort zu liquidieren wären einzig die Kosten für die Stellungnahme zum Gesuch um aufschiebende Wirkung im bundesgerichtlichen Verfahren; diese wurde indes von den drei Gerichtspräsidenten erstattet, so dass die Entschädigungsfrage ausser Betracht bleibt (Art. 68 Abs. 3 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Auf die Beschwerde wird mangels funktioneller Zuständigkeit nicht eingetreten. 
 
2.   
Die Beschwerde vom 2. Dezember 2016 wird im Sinn der Erwägungen an das Obergericht des Kantons Aargau zur weiteren Behandlung und Entscheidfindung überwiesen. 
 
3.   
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Obergericht des Kantons Aargau, Kammer für Kindes- und Erwachsenenschutz, und dem Kanton Aargau, Staatskanzlei, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 17. Januar 2017 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: von Werdt 
 
Der Gerichtsschreiber: Möckli