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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
I 452/02 
 
Urteil vom 17. Februar 2003 
IV. Kammer 
 
Besetzung 
Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Ferrari; Gerichtsschreiber Flückiger 
 
Parteien 
IV-Stelle Luzern, Landenbergstrasse 35, 6005 Luzern, Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
L.________, 1962, Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwalt lic.iur. Ivan Ljubicic, Luzernerstrasse 60, 6031 Ebikon 
 
Vorinstanz 
Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Luzern 
 
(Entscheid vom 24. Mai 2002) 
 
Sachverhalt: 
A. 
Der 1962 geborene L.________ war seit 1987 als Maurer bei der Firma B.________ AG angestellt. Er leidet seit ca. 1994 an Diskushernien L4/5 und L5/S1 sowie einer Fussheberschwäche links. Ab 25. Mai 1999 setzte er die Arbeit wegen gesundheitlicher Probleme aus. 
 
Am 29. Februar 2000 meldete sich L.________ bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle Luzern holte Angaben der Arbeitgeberin vom 30. März 2000 ein und zog Berichte des Dr. med. S.________, Neurochirurgie FMH, vom 25. November 1999 und 25. Mai 2000 sowie des Dr. med. H.________, Allgemeine Medizin FMH, von Juni 2000 und vom 12. Dezember 2000 bei. Daraufhin lehnte sie es mit Verfügung vom 29. Januar 2001 ab, dem Versicherten eine Rente auszurichten. 
B. 
Die dagegen erhobene Beschwerde hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern in dem Sinne gut, dass es die Verfügung vom 29. Januar 2001 aufhob und die Sache an die IV-Stelle zurückwies, damit diese nach ergänzenden Abklärungen im Sinne der Erwägungen (psychiatrische Begutachtung) neu verfüge (Entscheid vom 24. Mai 2002). Im Verlauf des Beschwerdeverfahrens hatte der Versicherte Berichte der Rheuma- und Rehabilitationsklinik X.________ vom 13. Oktober 1999 (über einen vom 9. bis 30. September 1999 dauernden stationären Aufenthalt) und des Instituts für medizinische Radiologie und Nuklearmedizin, Klinik, Q.________, vom 20. Mai 1999 (über eine MRI-Untersuchung der LWS) sowie der Klinik Y.________ vom 13. Dezember 2001 auflegen lassen. Das kantonale Gericht hatte seinerseits eine ergänzende Auskunft der Rheuma- und Rehabilitationsklinik X.________ eingeholt, welche am 1. März 2002 erstattet wurde. 
C. 
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die IV-Stelle des Kantons Luzern die Aufhebung des kantonalen Entscheids. 
 
L.________ lässt auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen, während das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung verzichtet. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Die Vorinstanz hat die Bestimmungen und Grundsätze über den Begriff der Invalidität (Art. 4 Abs. 1 IVG), die Voraussetzungen und den Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 und 1bis IVG), den Anspruch auf berufliche Eingliederungsmassnahmen (Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 15 ff. IVG), die Ermittlung des Invaliditätsgrades bei erwerbstätigen Versicherten nach der Einkommensvergleichsmethode (Art. 28 Abs. 2 IVG; BGE 104 V 136 Erw. 2a und b) sowie die Aufgabe des Arztes oder der Ärztin im Rahmen der Invaliditätsbemessung (BGE 125 V 261 Erw. 4, 115 V 134 Erw. 2, 114 V 314 Erw. 3c, 105 V 158 Erw. 1) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen. Zu ergänzen ist, dass das am 1. Januar 2003 in Kraft getretene Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 im vorliegenden Fall nicht anwendbar ist, da nach dem massgebenden Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Verfügung (hier: 29. Januar 2001) eingetretene Rechts- und Sachverhaltsänderungen vom Sozialversicherungsgericht nicht berücksichtigt werden (BGE 127 V 467 Erw. 1, 121 V 366 Erw. 1b). 
2. 
Streitig und zu prüfen ist der Anspruch auf Leistungen der Invalidenversicherung und in diesem Rahmen der Invaliditätsgrad. 
2.1 
Die Vorinstanz hat gestützt auf die medizinischen Akten, insbesondere den Austrittsbericht der Rheuma- und Rehabilitationsklinik X.________ vom 13. Oktober 1999 und die diesbezüglichen Erläuterungen vom 1. März 2002, zu Recht erkannt, dass der Versicherte auf Grund seiner körperlichen Beschwerden die Tätigkeit als Maurer seit 25. Mai 1999 nicht mehr ausüben kann, während er (wiederum bei Berücksichtigung einzig des somatischen Beschwerdebildes) in Bezug auf eine leichte, rückenschonende Tätigkeit zu 100 % arbeitsfähig ist. 
2.2 
Umstritten ist, ob das kantonale Gericht die Sache zu Recht an die Verwaltung zurückwies, damit diese zusätzliche Abklärungen in Bezug auf das psychische Beschwerdebild veranlasse. 
2.2.1 
Der im sozialversicherungsrechtlichen Verwaltungsverfahren geltende Untersuchungsgrundsatz besagt unter anderem, dass in Bezug auf den rechtserheblichen Sachverhalt Abklärungen vorzunehmen sind, wenn hiezu aufgrund der Parteivorbringen oder anderer sich aus den Akten ergebender Anhaltspunkte hinreichender Anlass besteht (BGE 117 V 282 Erw. 4a; AHI 1994 S. 212 Erw. 4a; SVR 1999 IV Nr. 10 S. 28 Erw. 2c). 
2.2.2 
Psychische Beschwerden können dann einen Anspruch auf Leistungen der Invalidenversicherung begründen, wenn sie Krankheitswert aufweisen und die Arbeits- und Erwerbsfähigkeit der versicherten Person beeinträchtigen (vgl. BGE 127 V 294). 
2.2.3 
Hinweise auf ein psychisches Beschwerdebild ergeben sich aus der dem Bericht der Rheuma- und Rehabilitationsklinik X.________ vom 13. Oktober 1999 beigelegten Stellungnahme des Psychologen A.________. Danach machte der Versicherte im Verlauf der psychologischen Betreuung einen unterschwellig bedrückten Eindruck. Er habe einerseits über starke, schwer therapierbare Rückenschmerzen geklagt und gleichzeitig den Verlust seiner Arbeitsfähigkeit bedauert. Zudem habe er über eine starke innere Unruhe sowie Schlaflosigkeit berichtet. Letztere Probleme habe er mit negativen Erlebnissen als Soldat während drei Jahren Krieg in Bosnien in Zusammenhang gebracht. Das Verhalten des Versicherten habe auf eine depressive Problematik bzw. nicht verarbeitete Kriegstraumata hingedeutet. Der Psychologe fährt fort, er habe den Versicherten im Verlauf der psychologischen Betreuung über eine optimale Problemverarbeitung informiert. Falls sich das psychische Befinden in Zukunft nicht bessern sollte, empfehle er die Durchführung einer psychotherapeutischen Behandlung. 
 
Laut dem Bericht der Klinik Y.________ vom 13. Dezember 2001 litt der Beschwerdegegner unter einer Anpassungsstörung mit depressiver Verstimmung (reaktive Depression). Der Patient befinde sich deswegen in psychiatrischer Behandlung. Da während der Hospitalisation (vom 27. November bis 13. Dezember 2001) nur wenige Verbesserungen hätten erzielt werden können, sei eine weiterführende ambulante physiotherapeutische sowie psychotherapeutische Behandlung indiziert. Der Aufenthalt in der Klinik war zum Zweck der psychosomatischen sowie muskuloskelettalen Rehabilitation angeordnet worden. 
2.2.4 
Der Bericht der Klinik Y.________ vom 13. Dezember 2001 enthält die Diagnose einer reaktiven Depression und damit des Vorliegens psychischer Auffälligkeiten, welchen invalidisierender Krankheitswert zukommen kann (BGE 127 V 296 ff. Erw. 4b). Selbst wenn diese Stellungnahme, wie die IV−Stelle geltend macht, für sich allein genommen nicht als beweiskräftig anzusehen wäre, bildet sie doch einen Hinweis auf das Vorliegen einer psychischen Symptomatik mit möglicher Relevanz für die invalidenversicherungsrechtliche Beurteilung. Wird zusätzlich der anlässlich des Aufenthalts in der Rheuma- und Rehabilitationsklinik X.________ im September 1999 erstellte psychologische Bericht berücksichtigt, kann nicht mit der für eine antizipierte Beweiswürdigung erforderlichen Gewissheit (vgl. BGE 124 V 94 Erw. 4b, 122 V 162 Erw. 1d mit Hinweis; SVR 2001 IV Nr. 10 S. 28 Erw. 4b) ausgeschlossen werden, dass bereits bei Erlass der Verfügung vom 29. Januar 2001 ein invalidisierender psychischer Gesundheitsschaden (Erw. 2.2.2 hievor) gegeben war. Der psychologische Bericht enthält zwar die gemäss den Angaben in der Vernehmlassung zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde unzutreffende Aussage, der Beschwerdegegner sei als Soldat am Krieg in Bosnien beteiligt gewesen. Dieser Umstand reicht jedoch nicht aus, um ihm jegliche Relevanz abzusprechen. Vielmehr bildet er in Verbindung mit der Stellungnahme der Klinik Y.________ vom 13. Dezember 2001 einen Hinweis auf die Möglichkeit des Vorliegens eines invalidisierenden psychischen Gesundheitsschadens während des vorliegend relevanten Zeitraums bis zum Verfügungserlass (Erw. 1 hievor am Ende), der ausreicht, um die Vornahme ergänzender Abklärungen als erforderlich erscheinen zu lassen. Der Entscheid des kantonalen Gerichts ist daher nicht zu beanstanden. 
3. 
Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG). Der obsiegende Beschwerdegegner hat Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art. 159 in Verbindung mit Art. 135 OG). 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Die IV-Stelle Luzern hat dem Beschwerdegegner für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 2500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, der Ausgleichskasse des Schweizerischen Baumeisterverbandes und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. 
 
Luzern, 17. Februar 2003 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Die Präsidentin der IV. Kammer: Der Gerichtsschreiber: