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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
5A_469/2013  
   
   
 
 
 
 
Urteil vom 17. Juli 2013  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter von Werdt, Präsident, 
Bundesrichterinnen Escher, Hohl, 
Bundesrichter Marazzi, Herrmann, 
Gerichtsschreiber Zbinden. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________,  
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) Y.________.  
 
Gegenstand 
Fürsorgerische Unterbringung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn vom 19. Juni 2013. 
 
 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
X.________ (geb. 1951) trat am 5. Juni 2013 freiwillig in die Psychiatrische Klinik A.________ (Psychiatrische Dienste A.________) ein. Da sie am 14. Juni 2013 gegen den ärztlichen Rat austreten wollte, wurde durch den zuständigen Arzt am gleichen Tag ihre Zurückbehaltung im Rahmen einer fürsorgerischen Unterbringung angeordnet. Nach Gewährung des rechtlichen Gehörs verfügte das Vizepräsidium der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Y.________ (KESB) am 14. Juni 2013 die Zurückbehaltung von X.________ bis zum 26. Juli 2013. X.________ gelangte gegen diese Verfügung an das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn, welches sie anhörte und am 18. Juni 2013 die Beschwerde abwies. X.________ (Beschwerdeführerin) hat gegen diesen Entscheid am 30. Juni 2013 beim Bundesgericht Beschwerde in Zivilsachen erhoben. Sie ersucht um Entlassung aus der Klinik. Das Vizepräsidium der KESB hat sich nicht vernehmen lassen. Das Verwaltungsgericht schliesst auf Abweisung der Beschwerde, verzichtet aber ausdrücklich auf eine Vernehmlassung zu den Vorbringen in der Beschwerde. 
 
2.  
Nach Art. 426 Abs. 1 ZGB darf eine Person, die an einer psychischen Störung oder an geistiger Behinderung leidet oder schwer verwahrlost ist, in einer geeigneten Einrichtung untergebracht werden, wenn die nötige Behandlung oder Betreuung nicht anders erfolgen kann. Die Belastung und der Schutz von Angehörigen und Dritten sind zu berücksichtigen (Absatz 2). Die betroffene Person wird entlassen, sobald die Voraussetzungen für die Unterbringung nicht mehr erfüllt sind (Absatz 3). 
 
2.1. Die Beschwerdeführerin erachtet die Voraussetzungen für eine fürsorgerische Unterbringung als nicht erfüllt. Sie sei bei voller geistiger Frische, könne sich selbst versorgen, koche täglich, lebe zuhause in einer gesunden Partnerbeziehung und sei durch ihre Aktivitäten verschiedener Art gut integriert.  
 
2.2. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund bzw. mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (vgl. BGE 132 II 257 E. 2.5 S. 262; BGE 130 III 136 E. 1.4 S. 140). Immerhin prüft es unter Berücksichtigung der allgemeinen Begründungspflicht der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG) grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254; siehe auch 136 III 518 E. 3 S. 519).  
 
2.3. Das Verwaltungsgericht geht von einer psychischen Störung aus. Nach Art. 450e Abs. 3 ZGB muss bei psychischen Störungen gestützt auf ein Gutachten einer sachverständigen Person entschieden werden. Das in Beachtung von Art. 450e Abs. 3 ZGB einzuholende Gutachten hat es der Beschwerdeinstanz zu ermöglichen, die sich aus Art. 426 Abs. 1 ZGB ergebenden Rechtsfragen zu beantworten (vgl. BGE 137 III 289 E. 4.5, aArt. 397e Ziff. 5 ZGB betreffend; siehe auch 5A_189/2013 vom 11. April 2013 E. 2.2). Ob eine Expertise den Voraussetzungen von Art. 450e Abs. 3 ZGB entspricht, ist Rechtsfrage, die der freien Prüfung durch das Bundesgericht unterliegt. Ist kein Gutachten vorhanden oder erweist sich dieses als unvollständig, liegen mit anderen Worten offensichtliche rechtliche Mängel vor, hebt das Bundesgericht den angefochtenen Entscheid auf. Erweist sich das Gutachten als unvollständig, ist es durch den gerichtlich bestellten Sachverständigen zu ergänzen (Urteil 5A_879/2012 vom 12. Dezember 2012 E. 4).  
 
2.4. Das gestützt auf Art. 450e Abs. 3 ZGB einzuholende Gutachten hat sich insbesondere über den Gesundheitszustand der betroffenen Person, aber auch darüber zu äussern, wie sich allfällige gesundheitliche Störungen hinsichtlich der Gefahr einer Selbst- bzw. Drittgefährdung oder einer Verwahrlosung auswirken können und ob sich daraus ein Handlungsbedarf ergibt (BGE 137 III 289 E. 4.5). In diesem Zusammenhang interessiert insbesondere, ob ein Bedarf an der Behandlung einer festgestellten psychischen Erkrankung bzw. an Betreuung der betroffenen Person besteht. Wird ein Behandlungs- bzw. Betreuungsbedarf bejaht, ist weiter wesentlich, mit welcher konkreten Gefahr für die Gesundheit oder das Leben der betroffenen Person bzw. von Dritten zu rechnen ist, wenn die Behandlung der gutachterlich festgestellten Krankheit bzw. die Betreuung unterbleibt (zum Erfordernis der konkreten Gefahr: Urteile 5A_312/2007 vom 10. Juli 2007 E. 2.3; 5A_288/2011 vom 19. Mai 2011 E. 5.3). Im weiteren ist durch den Gutachter Antwort darauf zu geben, ob aufgrund des festgestellten Handlungsbedarfs eine stationäre Behandlung bzw. Betreuung unerlässlich ist. Dabei hat der Experte auch darüber Auskunft zu geben, ob die betroffene Person über glaubwürdige Krankheits- und Behandlungseinsicht verfügt. Schliesslich hat der Experte zu beantworten, ob eine Anstalt zur Verfügung steht und wenn ja, (nötigenfalls) warum die vorgeschlagene Anstalt infrage kommt (siehe zum Ganzen BGE 137 III 289 E. 4.5; zur Geeignetheit der Einrichtung: BGE 112 II 486 E. 4c S. 490; 114 II 213 E. 7 S. 218).  
 
2.5. Dem Urteil lässt sich zwar entnehmen, dass der zuständige Oberarzt an der Verhandlung angehört worden ist. Doch fehlen in den Akten jegliche Angaben darüber, dass dieser Arzt als gerichtlicher Gutachter bestellt worden ist. Abgesehen davon existiert kein schriftliches Gutachten. Selbst wenn dieses grundsätzlich auch mündlich erstattet werden kann (Christoph Bernhart, Handbuch der fürsorgerischen Unterbringung, 2011, S. 321 Rz. 859), muss die mündliche Befragung in den Akten festgehalten werden. Im angefochtenen Entscheid befindet sich zwar eine kurze Zusammenfassung der Befragung. Doch wurde eine mündliche Erstattung des Gutachtens nicht in einem Protokoll festgehalten. Aufgrund der unvollständigen Akten kann das Bundesgericht im nachhinein nicht feststellen, welche konkreten Fragen dem Oberarzt unterbreitet worden sind, womit sich im Ergebnis auch nicht überprüfen lässt, ob ein Art. 450e Abs. 3 ZGB und der dazu entwickelten bundesgerichtlichen Rechtsprechung genügendes Gutachten erstellt worden ist. Der angefochtene Entscheid ist daher aufzuheben.  
 
3.  
Da die angeordnete Massnahme bis zum 26. Juli 2013 befristet ist und somit nicht mehr genügend Zeit zur Einholung eines sich an Art. 450e Abs. 3 ZGB und der einschlägigen Rechtsprechung orientierenden Gutachtens und zu einer erneuten Anhörung der Beschwerdeführerin verbleibt, ist die fürsorgerische Unterbringung ohne Weiteres per sofort aufzuheben. 
 
4.  
Es werden keine Kosten erhoben, zumal sie dem Kanton Solothurn nicht auferlegt werden können (Art. 66 Abs. 4 BGG). 
 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird gutgeheissen und das angefochtene Urteil wird aufgehoben. Die Psychiatrischen Dienste Solothurn werden angewiesen, die Beschwerdeführerin umgehend zu entlassen. 
 
2.  
Es werden keine Kosten erhoben. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den der Beschwerdeführerin, der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) Y.________, den Psychiatrischen Diensten A.________ (zusätzlich per Fax) und dem Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 17. Juli 2013 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: von Werdt 
 
Der Gerichtsschreiber: Zbinden