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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
K 66/02 
 
Urteil vom 17. August 2004 
I. Kammer 
 
Besetzung 
Präsident Borella, Bundesrichterin Leuzinger, Bundesrichter Ferrari, Rüedi und Schön; Gerichtsschreiberin Keel Baumann 
 
Parteien 
M.________, Dr. med., Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Marc Spescha, Langstrasse 4, 8004 Zürich, 
 
gegen 
 
Helsana Versicherungen AG, Schadenrecht, Birmensdorferstrasse 94, 8003 Zürich, Beschwerdegegnerin, 
 
Vorinstanz 
Schiedsgericht in Sozialversicherungsstreitigkeiten des Kantons Zürich, Winterthur 
 
(Entscheid vom 4. Juni 2002) 
 
Sachverhalt: 
A. 
Am 8./9. Februar 2001 schlossen der Kanton Zürich, die Ärztegesellschaft des Kantons Zürich (AGZ) und die Helsana Versicherungen AG (nachfolgend: Helsana) einen Rahmenvertrag über die obligatorische Krankenpflegeversicherung für Asylsuchende, vorläufig Aufgenommene und Schutzbedürftige ohne Aufenthaltsbewilligung, die von den zuständigen Fürsorgebehörden ganz oder teilweise unterstützt werden (nachfolgend: Rahmenvertrag; Ziff. 2.2 Rahmenvertrag). Dieser sieht eine eingeschränkte Wahl der Leistungserbringer sowie die Kostenvergütung im System des tiers payant vor (Ziff. 2.4 in Verbindung mit Ziff. 4.2 und 4.4 Rahmenvertrag). Die zur Auswahl stehenden Leistungserbringer werden gemäss Ziff. 5.3 von den Vertragspartnern gemeinsam aus einer durch die AGZ erstellten Liste (sog. Asyl-Hausarztliste) bestimmt. Die Kriterien zur Auswahl der Leistungserbringer sind im Anhang 3 zum Rahmenvertrag geregelt. 
Im Mitteilungsblatt der AGZ vom Mai 2000 wurden die im Kanton Zürich behandelnden Ärztinnen und Ärzte über die Einführung der Asyl-Hausarztliste informiert und es wurde ihnen die Gelegenheit gegeben, sich bei der AGZ für die Aufnahme in die Liste zu melden. Die Liste wurde nach dem in Anhang 3 vorgesehenen Prozedere erstellt und im Januar 2001 publiziert. Per 1. Juli 2001 wurde die Asyl-Hausarztliste, welche nach erfolgter Überarbeitung für die Stadt Zürich rund 100 Ärztinnen und Ärzte vorsieht, definitiv eingeführt. 
Der nicht auf der Liste figurierende Dr. med. M.________ behandelte in der Zeit vom 25. Juli bis 15. August 2001 den mittels Rahmenvertrag versicherten K.________ (Rechnung vom 4. Oktober 2001 über Fr. 219.40). Am 14. Dezember 2001 trat K.________ allfällige Ansprüche gegenüber der Helsana auf Vergütung dieser Behandlungskosten an Dr. med. M.________ ab. 
B. 
Dr. med. M.________ erhob beim Schiedsgericht in Sozialversicherungsstreitigkeiten des Kantons Zürich Klage gegen die Helsana mit dem Rechtsbegehren, es sei die Beklagte unter Kosten- und Entschädigungsfolge zu verpflichten, ihm die für K.________ geleistete medizinische Behandlung gemäss Rechnung vom 4. Oktober 2001 zu vergüten; eventualiter sei festzustellen, dass die Nichtberücksichtigung des Klägers auf der Asyl-Hausarztliste rechtswidrig sei. Der Beklagten wurde die Gelegenheit eingeräumt, eine freiwillige Stellungnahme, insbesondere zu den Fragen der Zuständigkeit und des schützenswerten Interesses an einem Feststellungsentscheid, abzugeben, wovon diese Gebrauch machte. Der Kläger liess sich nicht mehr vernehmen. Mit Entscheid vom 4. Juni 2002 trat das Schiedsgericht auf die Klage nicht ein. 
C. 
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt Dr. med. M.________ das Rechtsbegehren stellen, es sei der angefochtene Entscheid - unter Kosten- und Entschädigungsfolge zulasten der Helsana - aufzuheben und die Sache zur Anhandnahme und materiellen Beurteilung an das Schiedsgericht zurückzuweisen. 
Die Helsana verweist auf die von ihr im kantonalen Verfahren abgegebene Stellungnahme und den vorinstanzlichen Entscheid. Das Bundesamt für Sozialversicherung, Abteilung Krankenversicherung (seit 1. Januar 2004 im Bundesamt für Gesundheit), verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Am 1. Januar 2003 ist das Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 in Kraft getreten. Mit ihm sind zahlreiche Bestimmungen im Bereich der sozialen Krankenversicherung geändert worden. Weil in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich diejenigen Rechtssätze massgebend sind, die bei der Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden Tatbestandes Geltung haben (BGE 127 V 467 Erw. 1), sind die neuen Bestimmungen hier nicht anwendbar (BGE 129 V 4 Erw. 1.2). 
2. 
Streitigkeiten zwischen Versicherern und Leistungserbringern entscheidet gemäss Art. 89 Abs. 1 KVG ein (kantonales) Schiedsgericht. Diese Bestimmung über die Zuständigkeit des Schiedsgerichtes geht als lex specialis derjenigen über das kantonale Versicherungsgericht (Art. 86 Abs. 1 KVG in der hier anwendbaren, bis zum 31. Dezember 2002 in Kraft gewesenen Fassung; BGE 127 V 467 Erw. 1, 121 V 366 Erw. 1b) vor (Maurer, Das neue Krankenversicherungsrecht, S. 172; Eugster, Krankenversicherung, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Soziale Sicherheit, S. 233 Rz 415; vgl. zum alten Recht BGE 121 V 314 Erw. 2b, 116 V 128 Erw. 2c mit Hinweis). 
3. 
Gesetz (KVG) und Verordnung (KVV) umschreiben nicht näher, was unter Streitigkeiten im Sinne von Art. 89 Abs. 1 KVG zu verstehen ist. Nach Rechtsprechung (RKUV 2001 Nr. KV 166 S. 243 Erw. 3b/aa mit Hinweis) und Lehre (Maurer, a.a.O., S. 172; Eugster, a.a.O., S. 232 Rz 413) setzt die sachliche Zuständigkeit des Schiedsgerichtes voraus, dass die Streitigkeit Rechtsbeziehungen zum Gegenstand hat, die sich aus dem KVG ergeben oder aufgrund des KVG eingegangen worden sind. Der Streitgegenstand muss die besondere Stellung der Versicherer oder Leistungserbringer im Rahmen des KVG betreffen. 
4. 
Streitig und zu prüfen ist vorab die Zuständigkeit des Schiedsgerichtes zur Beurteilung des vom Beschwerdeführer gestellten Hauptantrages auf Vergütung der Kosten der medizinischen Behandlung. 
4.1 Ein Versicherer und ein Leistungserbringer stehen sich vorliegend einzig deshalb gegenüber, weil K.________ seine gegen die Helsana gerichtete Forderung auf Vergütung der Kosten der Behandlung gemäss Rechnung vom 4. Oktober 2001 an Dr. med. M.________ abgetreten hat (was ohne weiteres zulässig war: vgl. dazu auch RKUV 2001 Nr. KV 194 S. 523). Hätte K.________ die Forderung nicht abgetreten, sondern selber den Rechtsweg beschritten, wäre das kantonale Sozialversicherungsgericht im Sinne von Art. 86 Abs. 1 KVG für die Beurteilung der Streitigkeit zuständig gewesen. Es stellt sich daher die Frage, ob ein grundsätzlich der Sozialversicherungsgerichtsbarkeit im Sinne von Art. 86 Abs. 1 KVG unterliegender Rechtsstreit zwischen einem Versicherten und einem Leistungserbringer aufgrund der Abtretung der ihm zugrunde liegenden Forderung vom Versicherten an den Leistungserbringer und des damit verbundenen Gläubigerwechsels zu einer dem Schiedsgericht gemäss Art. 89 Abs. 1 KVG zu unterbreitenden Streitigkeit wird. 
4.2 Die Regeln über die Forderungsabtretung gemäss Art. 164 ff. OR finden im Bereich der Krankenversicherung sinngemäss Anwendung (vgl. auch BGE 127 V 439). Danach gilt, dass die Abtretung an der Rechtsnatur der Forderung nichts ändert und diese mit all ihren Befugnissen, Vorzügen und Schwächen sowie all ihren Nebenrechten und mit ihren Belastungen auf den Erwerber übergeht (Gauch/Spirig, Zürcher Kommentar, 3. Aufl., Vorbemerkungen zu Art. 167-173 OR, N. 5 und 7 mit Hinweisen; von Tuhr/Escher, Allgemeiner Teil des Schweizerischen Obligationenrechts, Bd. II, 3. Aufl., S. 364). Mit anderen Worten tritt der Zessionar in die Rechte des Zedenten ein, namentlich auch in jene verfahrensmässiger Natur. Aus diesem Grunde bleibt die Abtretung denn auch ohne Einfluss auf die Zuständigkeit der für die Beurteilung entsprechender Streitigkeiten vorgesehenen Gerichte (vgl. BGE 111 Ib 155 Erw. 1d; nicht veröffentlichtes Urteil Le Consortium X. vom 1. Februar 1996, 2P.403/1994, Erw. 3c; vgl. auch Nussbaumer, Arbeitslosenversicherung, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], S. 141 Rz 369 mit Hinweisen). 
4.3 Da nach dem Gesagten K.________ die gegen die Helsana gerichtete Forderung beim kantonalen Sozialversicherungsgericht hätte geltend machen müssen und die Abtretung der Forderung an der Zuständigkeit desselben zur Beurteilung der Streitigkeit nichts ändert, ist das Schiedsgericht zu Recht nicht auf die von Dr. med. M.________ gegen die Helsana gerichtete Klage auf Vergütung der Behandlungskosten eingetreten. 
5. 
Zu prüfen bleibt die Zuständigkeit des Schiedsgerichtes zur Beurteilung des vom Beschwerdeführer gestellten Eventualantrages auf Feststellung, seine Nichtberücksichtigung auf der Asyl-Hausarztliste sei rechtswidrig. 
Nach der sinngemäss anwendbaren Rechtsprechung zu Art. 5 Abs. 1 lit. b und Art. 25 VwVG ist der Erlass einer Feststellungsverfügung zulässig, wenn ein schutzwürdiges, mithin rechtliches oder tatsächliches und aktuelles Interesse an der sofortigen Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses nachgewiesen ist, dem keine erheblichen öffentlichen oder privaten Interessen entgegenstehen, und wenn dieses schutzwürdige Interesse nicht durch eine rechtsgestaltende Verfügung gewahrt werden kann (BGE 128 V 48 Erw. 3a, 125 V 24 Erw. 1b, 121 V 317 Erw. 4a). Ein Interesse des Beschwerdeführers an der Feststellung, seine Nichtberücksichtigung auf der Asyl-Hausarztliste sei rechtswidrig, ist zu bejahen, dies nicht nur mit Blick auf die (möglicherweise fortdauernde) Behandlung des Patienten K.________, sondern auch im Hinblick auf allfällige Behandlungen anderer fürsorgeabhängiger Asylsuchender. Einer Feststellungsklage steht indessen entgegen, dass dieses Interesse durch Erlass einer rechtsgestaltenden Verfügung gewahrt werden kann (vgl. BGE 121 V 319 Erw. 4c; RKUV 2001 Nr. KV 166 S. 246 Erw. 4), steht es doch dem Beschwerdeführer offen, beim Schiedsgericht eine Klage auf Aufnahme in die Asyl-Hausarztliste einzureichen. Entgegen der im angefochtenen Entscheid vertretenen Auffassung läge dieser Gestaltungsklage eine die besonderen Rechtsbeziehungen zwischen einem Arzt als Leistungserbringer und einem Versicherer betreffende Streitigkeit zugrunde und könnte das Schiedsgericht seine Zuständigkeit nicht mit der Begründung ablehnen, es gehe um Rechtsbeziehungen aus einem gestützt auf Art. 41 Abs. 4 KVG geschlossenen Kollektivversicherungsvertrag (welche Vertragsart im Übrigen gemäss KVG nur noch in der Krankentaggeldversicherung, nicht aber in der vorliegend betroffenen Krankenpflegeversicherung zulässig ist; vgl. Art. 67 Abs. 3 KVG). 
Im Ergebnis ist der vorinstanzliche Nichteintretensentscheid somit auch in diesem Punkt nicht zu beanstanden. 
6. 
Da es nicht um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen, sondern um eine prozessrechtliche Frage geht, ist das Verfahren kostenpflichtig (Art. 134 OG e contrario). Dem Prozessausgang entsprechend hat der Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu tragen (Art. 156 Abs. 1 Verbindung mit Art. 135 OG). 
Eine Parteientschädigung wird nicht zugesprochen, weil die obsiegende Beschwerdegegnerin als Krankenversicherer eine öffentlich-rechtliche Aufgabe im Sinne von Art. 159 Abs. 2 OG wahrnimmt und die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Zusprechung einer Entschädigung nicht gegeben sind (BGE 128 V 133 Erw. 5b, 123 V 309 Erw. 10; SVR 2000 KV Nr. 39 S. 122 Erw. 3). 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt und mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Schiedsgericht in Sozialversicherungsstreitigkeiten des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit zugestellt. 
Luzern, 17. August 2004 
 
 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
 
Der Präsident der I. Kammer: Die Gerichtsschreiberin: