Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 1/2} 
8G.124/2003 /kra 
 
Urteil vom 17. Dezember 2003 
Anklagekammer 
 
Besetzung 
Bundesrichter Karlen, Präsident, 
Bundesrichter Fonjallaz, Vizepräsident, 
Bundesrichter Marazzi, 
Gerichtsschreiber Monn. 
 
Parteien 
SRG SSR idée suisse Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft, Giacomettistrasse 3, Postfach, 3000 Bern 15, 
Gesuchstellerin, vertreten durch Fürsprecher Dr. Bernhard Frei, Münzgraben 2, 3011 Bern, 
 
gegen 
 
Generalprokurator des Kantons Bern, Postfach 7475, 3001 Bern, 
Procureur général du canton de Genève, place du Bourg-de-Four 1, case postale 3565, 1211 Genève 3. 
 
Gegenstand 
Bestimmung des Gerichtsstandes. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Am 31. August 2001 eröffnete das Bundesamt für Kommunikation (BAKOM) gegen die SRG SSR idée suisse (SRG) in Bern ein Verwaltungsstrafverfahren wegen des Verdachts auf Widerhandlung gegen Art. 18 Abs. 2 des Bundesgesetzes über Radio und Fernsehen (RTVG; SR 784.40). Gemäss dieser Bestimmung dürfen nur in sich geschlossene Sendungen von über 90 Minuten Dauer und dies höchstens einmal durch Werbung unterbrochen werden. Dagegen soll die Télévision Suisse Romande (TSR), eine Zweigniederlassung der SRG in Genf, in den Jahren 1998 bis 2001 verstossen haben. Mit Strafverfügung vom 15. Oktober 2002 wurde die SRG durch das BAKOM mit Fr. 5'000.-- gebüsst. Die Werbeerträge im Umfang von Fr. 938'592.-- wurden eingezogen. 
 
Die SRG verlangte am 25. Oktober 2002 beim BAKOM die gerichtliche Überprüfung der Strafverfügung. Sie stellte unter anderem den Antrag, die Sache sei an den Generalprokurator des Kantons Genf weiterzuleiten. 
 
Am 6. November 2002 überwies das BAKOM die Akten entgegen dem Antrag der SRG an den Generalprokurator des Kantons Bern, der sie über das Untersuchungsrichteramt III Bern-Mittelland dem Strafeinzelgericht 14 des Gerichtskreises VIII Bern-Laupen zur gerichtlichen Beurteilung zugehen liess. Dagegen intervenierte die SRG im November und Dezember 2002 mehrmals erfolglos sowohl beim Generalprokurator des Kantons Bern als auch bei demjenigen des Kantons Genf. Der Generalprokurator des Kantons Bern verwies in seiner Antwort vom 19. November 2002 auf Art. 22 Abs. 1 Satz 2 des Bundesgesetzes über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR; SR 313.0), wonach es in der Zuständigkeit des BAKOM gelegen habe, unter den in Frage kommenden Gerichtsständen zu wählen. 
 
Mit Verfügung vom 15. Januar 2003 nahm der Gerichtspräsident 14 des Gerichtskreises VIII Bern-Laupen die Sache an die Hand und setzte Frist an zur allfälligen Ergänzung der Akten und zur Stellung von Beweisanträgen. Am 23. Januar 2003 wandte sich die SRG an den Gerichtspräsidenten und bestritt erneut die Zuständigkeit der Behörden des Kantons Bern zur gerichtlichen Beurteilung der Angelegenheit. In der Folge wurde die Hauptverhandlung auf den 28. Oktober 2003 angesetzt. Zu deren Beginn warf die SRG einmal mehr die Frage der örtlichen Zuständigkeit auf, während der Vertreter des BAKOM am Gerichtsstand Bern festhielt. Am 28. Oktober 2003 überwies der Gerichtspräsident die Akten in Anwendung des bernischen Verfahrensrechts an den Generalprokurator des Kantons Bern zum Entscheid über die strittige Gerichtsstandsfrage. 
 
Der Generalprokurator des Kantons Bern erkannte am 10. November 2003, die Gerichtsbarkeit des Kantons Bern werde anerkannt. 
B. 
Die SRG wendet sich mit Eingabe vom 17. November 2003 an die Anklagekammer des Bundesgerichts und beantragt, es seien die Behörden des Kantons Genf berechtigt und verpflichtet zu erklären, die gegen die Gesuchstellerin geführte Verwaltungsstrafsache zu beurteilen (act. 1). 
 
Der Generalprokurator des Kantons Bern beantragt in seiner Vernehmlassung vom 20. November 2003, der Kanton Bern sei zur Beurteilung für berechtigt und verpflichtet zu erklären (act. 5). 
 
Der Generalprokurator des Kantons Genf beantragt in seiner Vernehmlassung vom 27. November 2003, auf das Gesuch sei nicht einzutreten. Eventuell sei es abzuweisen (act. 7). 
 
Die Kammer zieht in Erwägung: 
1. 
Es ist unbestritten, dass der vorliegenden Fall nach dem Bundesgesetz über das Verwaltungsstrafrecht verfolgt und beurteilt wird. Gemäss dessen Art. 22 Abs. 1 wählt die Verwaltung zwischen dem Gerichtsstand gemäss Art. 346 ff. StGB oder demjenigen des Wohnsitzes des Beschuldigten. Den Entscheid der Verwaltung kann die Anklagekammer nur auf Willkür überprüfen (Urteil G.54/1991 vom 6. Januar 1992 E. 1d). Willkürlich ist ein Entscheid nicht schon dann, wenn eine andere Lösung ebenfalls vertretbar erscheint oder gar vorzuziehen wäre, sondern erst, wenn er offensichtlich unhaltbar ist, zur tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft (BGE 129 I 8 E. 2.1). 
 
Die Gesuchstellerin macht geltend, die TSR, die angeblich gegen das RTVG verstossen haben soll, sei als Zweigniederlassung der SRG im Handelsregister in Genf eingetragen. Da diese selber über die Ausstrahlung der Werbeblöcke entscheide, trage sie auch die Verantwortung für deren Platzierung innerhalb der Sendegefässe. Der eigene Sitz und die umfassende Autonomie der TSR begründe, dass verwaltungsstrafrechtlich der örtliche Anknüpfungspunkt nicht der Hauptsitz der SRG, sondern ausschliesslich der Zweigniederlassungssitz in Genf sein könne (act. 1 S. 6). 
 
Diese Ausführungen gehen an der Sache vorbei. Wie der Strafverfügung des BAKOM vom 15. Oktober 2002 zu entnehmen ist, wird das Verwaltungsstrafverfahren nicht gegen die TSR in Genf, sondern gegen die SRG SSR idée suisse mit Sitz an der Giacomettistrasse in Bern geführt (Beschwerdebeilage 1). Diese in Bern domizilierte Gesellschaft hat sich vor dem BAKOM denn auch geäussert und wurde schliesslich gebüsst. Folglich war es offensichtlich nicht unrichtig und schon gar nicht willkürlich, dass das BAKOM die Angelegenheit zur gerichtlichen Beurteilung an den Kanton Bern, wo die Gebüsste ihren Sitz hat, überwies. Das Gesuch ist als offensichtlich unbegründet abzuweisen. 
2. 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat die Gesuchstellerin die bundesgerichtlichen Kosten zu tragen (Art. 156 Abs. 1 OG). 
Demnach erkennt die Kammer: 
 
1. 
Das Gesuch wird abgewiesen. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'000.-- wird der Gesuchstellerin auferlegt. 
3. 
Dieses Urteil wird der Gesuchstellerin, dem Generalprokurator des Kantons Bern und dem Procureur général du canton de Genève schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 17. Dezember 2003 
Im Namen der Anklagekammer 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: