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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
I 783/05 
 
Urteil vom 18. April 2006 
IV. Kammer 
 
Besetzung 
Präsident Ursprung, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Schön; Gerichtsschreiber Hadorn 
 
Parteien 
H.________, 1953, Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher Michele Naef, Spitalgasse 14, 3011 Bern, 
 
gegen 
 
IV-Stelle Bern, Chutzenstrasse 10, 3007 Bern, Beschwerdegegnerin 
 
Vorinstanz 
Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Bern 
 
(Entscheid vom 26. September 2005) 
 
Sachverhalt: 
Mit Verfügungen vom 25. Juni 1984 und vom 27. September 1990 lehnte die IV-Stelle Bern zwei Leistungsgesuche des H.________ (geb. 1953) ab. Mit Verfügung vom 9. November 2004 lehnte sie sodann ein drittes Gesuch ab. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 1. Februar 2005 fest. 
 
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Entscheid vom 26. September 2005 ab. 
 
H.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und beantragen, es sei ihm eine ganze IV-Rente zuzusprechen. Eventuell sei die Sache zu näheren Abklärungen an die IV-Stelle zurückzuweisen. 
 
Während die IV-Stelle auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Das kantonale Gericht hat die gesetzlichen Vorschriften zum Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 und Abs. 1bis IVG in der bis Ende Dezember 2003 gültig gewesenen sowie Art 28 Abs. 1 IVG in der seit 1. Januar 2004 geltenden Fassung), zur Revision (altArt. 41 IVG; Art. 17 Abs. 1 ATSG), zum Vorgehen der Verwaltung bei Eingang eines neuen Gesuchs nach vorheriger Leistungsablehnung (Art. 87 Abs. 3 und 4 IVV) und zur Ermittlung des Invaliditätsgrades nach der Methode des Einkommensvergleichs (Art. 16 ATSG) sowie die Rechtsprechung zu den bei einer Revision zu vergleichenden Sachverhalten (BGE 130 V 73 Erw. 3.1), zur allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs (BGE 128 V 30 Erw. 1), zum Einkommensvergleich mittels Tabellenlöhnen (BGE 129 V 475 Erw. 4.2.1), zum behinderungsbedingten Abzug von maximal 25% von den Tabellenlöhnen beim hypothetischen Invalideneinkommen (BGE 126 V 80 Erw. 5b/bb und cc), zum Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 126 V 360 Erw. 5b) und zum Beweiswert ärztlicher Auskünfte (BGE 125 V 352 Erw. 3a) richtig dargelegt. Zutreffend sind sodann die übergangsrechtlichen Erwägungen zur Anwendbarkeit des ATSG und der Bestimmungen der 4. IV-Revision. Darauf wird verwiesen. 
2. 
Streitig und zu prüfen ist der Invaliditätsgrad. 
2.1 Verwaltung und Vorinstanz stellten insbesondere auf die Expertise des Zentrums V.________ vom 30. Juni 2004 ab. Demnach seien dem Beschwerdeführer der bisherige Beruf als Kioskbetreiber sowie weitere angepasste Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt voll zumutbar. Gestützt auf dieses Gutachten verwarf die Vorinstanz den Bericht von Dr. med. P.________, FMH Psychiatrie und Psychotherapie, vom 10. März 2003, weil die Experten des Zentrums V.________ die Aussagen dieses Arztes nachvollziehbar und schlüssig widerlegt hätten. Der Beschwerdeführer hingegen bestreitet die Schlussfolgerungen des Gutachtens des Zentrums V.________, welche im Widerspruch zu den übrigen medizinischen Akten ständen. 
2.2 Die unterschiedlichen ärztlichen Angaben betreffen den psychischen Gesundheitszustand. Die psychiatrische Exploration kann von der Natur der Sache her nicht ermessensfrei erfolgen. Sie eröffnet dem begutachtenden Psychiater deshalb praktisch immer einen gewissen Spielraum, innerhalb dessen verschiedene medizinisch-psychiatrische Interpretationen möglich, zulässig und zu respektieren sind, sofern der Experte lege artis vorgegangen ist (vgl. die Leitlinien der Schweizerischen Gesellschaft für Versicherungspsychiatrie für die Begutachtung psychischer Störungen, in: SAeZ 2004 S. 1050 f.). Daher und unter Beachtung der Divergenz von medizinischem Behandlungs- und Abklärungsauftrag (BGE 124 I 175 Erw. 4; Urteil P. vom 13. Juni 2001, I 506/00) kann es nicht angehen, eine medizinische Administrativ- oder Gerichtsexpertise stets dann in Frage zu stellen und zum Anlass weiterer Abklärungen zu nehmen, wenn die behandelnden Ärzte zu unterschiedlichen Einschätzungen gelangen oder an vorgängig geäusserten abweichenden Auffassungen festhalten. Anders verhält es sich hingegen, wenn die behandelnden Ärzte objektiv feststellbare Gesichtspunkte vorbringen, welche im Rahmen der psychiatrischen Begutachtung unerkannt geblieben und die geeignet sind, zu einer abweichenden Beurteilung zu führen (Urteil G. vom 13. März 2006, I 676/05). 
2.3 Gemäss Dr. P.________ leidet der Versicherte an einer Entwicklung körperlicher Symptome aus psychischen Gründen (ICD-10: F68.0). Im Verlauf der Jahre habe sich durch die Chronifizierung der psychischen Störung schrittweise eine Arbeitsunfähigkeit aufgebaut. Heute sei der Beschwerdeführer schon seit längerem voll arbeitsunfähig und auch kaum in der Lage, den Haushalt selbstständig zu führen. Die Prognose sei ungewiss. Angesichts des Alters sei die schwere Persönlichkeitsstörung nicht mehr heilbar. Allenfalls liessen sich durch geeignete psychotherapeutische Massnahmen Beziehungs- und Selbstwertprobleme insoweit verändern, als der Explorand etwas mehr Unabhängigkeit und Selbstverantwortung gewinnen könnte. Ein geschützter Arbeitsplatz mit einer geringen Belastung sei nicht auszuschliessen. 
2.4 Demgegenüber kommt das Gutachten des Zentrums V.________ zum Schluss, dass die Diagnosen einer somatoformen Schmerzstörung (ICD-10: F45.0) oder einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung (F45.4) nicht zuträfen. In neuropsychologischen Testuntersuchungen sei eindeutig Simulation nachgewiesen worden. Der Versicherte habe zum Teil derart beeinträchtigte Leistungen gezeigt, wie sie nicht einmal bei schweren hirnorganischen Schädigungen zu erwarten seien. Zweifellos versuche er, seine finanziellen Verhältnisse vor dem Rentenalter durch Kranksein über die Invalidenversicherung und eine Unfall-Rente abzusichern. Es sei davon auszugehen, dass er gewissermassen beschlossen habe, nicht mehr erwerbstätig zu werden. Der Diagnose des Dr. P.________ (körperliche Symptome aus psychischen Gründen, F68.0) könne nicht beigepflichtet werden, dies insbesondere deshalb, weil zwischen einem Unfall von 1974 mit Prellungen und Schürfungen und den psychischen Störungen ein Zeitraum von über 10 Jahren liege, welche Dr. P.________ wie in einem Zeitraffer übergangen habe. Zudem setze sich dieser Arzt nicht mit dem Problem der Simulation auseinander. Auf Grund der medizinisch nachvollziehbaren Beeinträchtigungen sei keine Arbeitsunfähigkeit in der bisherigen Tätigkeit als Kioskbetreiber oder in andern Berufen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ableitbar. 
2.5 Anhand der Akten ergeben sich keine Anhaltspunkte, dass die Experten des Zentrums V.________ nicht lege artis vorgegangen wären. Sie setzen sich eingehend und einleuchtend mit den abweichenden Angaben des Dr. med. P.________ auseinander. Auch dieser nennt die Diagnose einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung (ICD-10 F 45.4), welche das Gutachten des Zentrums V.________ ausdrücklich ausgeschlossen hat, nicht. Die hiefür vorausgesetzten klinischen Kriterien sind nicht erfüllt: Eine psychosoziale Belastungssituation scheidet aus, da der Beschwerdeführer in einem intakten Verhältnis mit seiner Mutter lebt und in Thailand freundschaftliche Beziehungen pflegt. Emotionale Konflikte, auf welche der Versicherte mit Schmerzen reagiert, liegen nicht vor; jedenfalls ist auszuschliessen, dass sie als entscheidende Faktoren für die Aufrechterhaltung des Leidenszustandes ursächlich sind. Es liegt letztlich eine diagnostisch nicht erfassbare Schmerzentwicklung vor, was die Anerkennung einer rentenbegründenden Invalidität ausschliesst (BGE 130 V 396). Auch die vom Zentrum V.________ diagnostizierte Simulation ist als Faktor zu berücksichtigen, der gegen eine Invalidität spricht. Damit bestätigt sich der Eindruck, dass der Beschwerdeführer arbeiten könnte, wenn er wollte (BGE 130 V 355 Erw. 2.2.4); jedenfalls ist er hieran durch keine der Diagnosestellung zugängliche (BGE 130 V 396) physische oder psychische Krankheit gehindert. 
2.6 Was der Beschwerdeführer hiegegen vorbringt, ist nicht stichhaltig. Insbesondere sind die von ihm als verunglimpfend empfundenen, in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde zitierten Passagen aus dem Gutachten des Zentrums V.________ nicht geeignet, die Expertise in Frage zu stellen. Der Versicherte übersieht bei dieser Kritik, dass es gerade in Fällen, in denen eine medizinisch unklare Schmerzproblematik im Zentrum steht, Sache des Administrativgutachters ist, sich zur Glaubwürdigkeit der Schmerzangaben und zum Leidensdruck des Exploranden auszusprechen (BGE 130 V 355 Erw. 2.2.4). Wenn der Experte dabei - nach lege artis durchgeführter Begutachtung und mit nachvollziehbarer Begründung - zur Auffassung gelangt, der Proband vermittle ihm nicht den Eindruck einer schwer leidenden Person, kann dies keinesfalls als Voreingenommenheit gedeutet werden, ansonsten dem Gutachter die Möglichkeit genommen würde, sich so zu äussern, wie er es nach pflichtgemässer Einschätzung der Lage für richtig hält (Urteil S. vom 8. Februar 2006, I 671/05). Nach dem Gesagten ist keine rentenberechtigende Invalidität ausgewiesen. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. 
Luzern, 18. April 2006 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
 
Der Präsident der IV. Kammer: Der Gerichtsschreiber: