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[AZA 7] 
U 107/99 Vr 
 
 
 
III. Kammer 
 
Bundesrichter Schön, Spira und Bundesrichterin Widmer; 
Gerichtsschreiber Krähenbühl 
 
 
Urteil vom 18. Mai 2001 
 
in Sachen 
 
Helsana Unfall AG, Rechtsdienst, Stadelhoferstrasse 25, 8024 Zürich, Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
B.________, 1934, Beschwerdegegner, vertreten durch Advokat Markus Schmid, Steinenschanze 6, 4051 Basel, 
 
und 
 
Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft, Liestal 
 
 
A.- Nach einem am 11. Mai 1984 erlittenen Verkehrsunfall erhielt der 1934 geborene B.________ von der Eidgenössischen Invalidenversicherung ab 1. Mai 1985 auf Grund einer auf 70 % festgesetzten Erwerbsunfähigkeit eine ganze Rente zugesprochen. 
Am 26. März 1987 schloss der als Arzt mit eigener Praxis tätige B.________ mit der damaligen Patria Allgemeine Versicherungs-Gesellschaft rückwirkend ab 1. März 1987 einen Versicherungsvertrag ab, in welchem im Rahmen der freiwilligen Unfallversicherung für Selbstständigerwerbende ein versicherter Verdienst von Fr. 67'500.- vereinbart worden war. Im Hinblick auf die auf einen am 1. April 1989 erlittenen weiteren Verkehrsunfall zurückgeführten gesundheitsbedingten Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit richtete die Patria B.________ im Rahmen des am 26. März 1987 geschlossenen Versicherungsvertrages bis 29. Februar 1992 Taggelder aus. Die Gewährung weiterer Taggelder lehnte sie am 23. Juli 1996 verfügungsweise ab. Zur Begründung führte sie an, schon zu Beginn des Versicherungsverhältnisses wie auch später während dessen ganzen Dauer bis zum Unfall vom 1. April 1989 sei aus der Tätigkeit als selbstständig praktizierender Arzt kein Verdienst erzielt worden, weshalb zufolge Überversicherung kein Taggeldanspruch bestehe. An diesem Standpunkt hielt die Helsana Unfall AG als Rechtsnachfolgerin der Patria mit Einspracheentscheid vom 21. Januar 1997 fest. 
 
B.- In Gutheissung der hiegegen erhobenen Beschwerde erkannte das Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft mit Entscheid vom 19. August 1998, dass die vereinbarte versicherte Lohnsumme von Fr. 67'500.- den tatsächlichen Einkommensverhältnissen entspreche, sodass für eine Leistungskürzung kein Anlass bestehe. 
 
C.- Die Helsana führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Sie beantragt die Aufhebung des kantonalen Entscheids und die Bestätigung ihres Einspracheentscheids vom 21. Januar 1997. 
B.________ lässt auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen. Das Bundesamt für Sozialversicherung hat sich nicht vernehmen lassen. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- Zu prüfen ist, ob die Beschwerde führende Versicherungsgesellschaft in der freiwilligen Unfallversicherung im Sinne von Art. 4 Abs. 1 UVG die weitere Ausrichtung von Taggeldern ab März 1992 zufolge Kürzung wegen Überversicherung verweigern kann. 
 
2.- a) Die gesetzlichen Bestimmungen über die freiwillige Unfallversicherung für Selbstständigerwerbende (Art. 4 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 1 UVG), insbesondere über die Vereinbarung des Grundlage für die Bemessung der Prämien und Geldleistungen bildenden versicherten Verdienstes (Art. 5 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 15 Abs. 1 UVG; Art. 15 Abs. 3 UVG in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 und 2 UVV; Art. 5 Abs. 2 UVG in Verbindung mit Art. 138 und Art. 22 Abs. 1 UVV) sind im angefochtenen kantonalen Entscheid zutreffend dargelegt worden, worauf verwiesen wird. 
 
b) Wie die Vorinstanz des Weiteren richtig festgehalten hat, lässt sich nach der in RKUV 1994 Nr. U 183 S. 49 publizierten Rechtsprechung des Eidgenössischen Versicherungsgerichts aus Art. 138 UVV nicht schliessen, dass der versicherte Verdienst innerhalb der durch Art. 22 Abs. 1 und Art. 138 UVV vorgegebenen Grenzen völlig frei festgesetzt werden kann. Aus dem in Art. 5 Abs. 1 UVG enthaltenen Grundsatz, wonach die Bestimmungen über die obligatorische Versicherung sinngemäss auch für die freiwillige Versicherung gelten, und der Regelung in Art. 138 UVV hat das Eidgenössische Versicherungsgericht vielmehr gefolgert, dass sich auch die bei Vertragsabschluss getroffene Vereinbarung grundsätzlich nach den effektiven Einkommensverhältnissen des Versicherungsnehmers zu richten hat; im Rahmen der bei Selbstständigerwerbenden oftmals unumgänglichen Schätzung der Einkünfte sei allfälligen vorübergehenden Einkommensschwankungen dadurch Rechnung zu tragen, dass ein zumindest innerhalb eines realistischen Bereichs liegender Betrag bestimmt wird; um länger dauernde massive Unterschiede zwischen dem vereinbarten versicherten Verdienst und den wirklichen Einkommensverhältnissen zu vermeiden, seien beide Vertragspartner, sowohl der Versicherte selbst wie auch der Versicherer, gehalten, ihre Vereinbarung nötigenfalls den konkreten Umständen anzugleichen; eine solche Korrektur werde denn in Art. 138 UVV mit der Möglichkeit einer Anpassung des vereinbarten Verdienstes jeweils auf Beginn eines Kalenderjahres auch ausdrücklich vorbehalten (RKUV 1994 Nr. U 183 S. 49 ff. Erw. 5). 
 
c) Für den Fall, dass eine solchermassen gebotene Anpassung unterbleibt und daraus eine anhaltende krasse Diskrepanz zwischen versichertem Verdienst und tatsächlich erzieltem Einkommen resultiert, erkannte das Eidgenössische Versicherungsgericht, dass zwecks Vermeidung eines grundsätzlich nicht zulässigen Versicherungsgewinns in Analogie zu Art. 40 UVG im Versicherungsfall eine Leistungskürzung vorgenommen werden könne (RKUV 1994 Nr. U 183 S. 53 f. Erw. 6c). 
Unabdingbare Voraussetzung für eine so begründete Leistungskürzung ist indessen, dass ein lang andauerndes erhebliches Missverhältnis zwischen vereinbartem versicherten Verdienst und effektiv erzielten Einkünften deutlich erkennbar zu Tage tritt. Angesichts der bei Selbstständigerwerbenden häufig vorkommenden und anlässlich des Abschlusses einer freiwilligen Versicherung oftmals nicht zuverlässig vorhersehbaren und deshalb zum Voraus kaum erfassbaren Einkommensschwankungen geht es nicht an, nach Eintritt eines Versicherungsfalles nach Möglichkeiten für eine Leistungskürzung zu suchen, um so allfälligen, unter Umständen auch nur geringfügigen Abweichungen des als Vertragsgrundlage angenommenen Betrages von dem in Wirklichkeit vorhandenen Verdienstpotenzial zu begegnen. Zufolge vor Vertragsabschluss unterbliebener Abklärungen ermöglichte Ungenauigkeiten lassen sich auf diese Weise nicht nachträglich berichtigen. Im Rahmen der freiwilligen Versicherung gilt in erster Linie der in Art. 138 UVV verankerte Grundsatz, dass Prämien und Geldleistungen nach dem versicherten Verdienst bemessen werden, der bei Vertragsabschluss vereinbart wird. Davon abzuweichen ist einzig unter der Voraussetzung zulässig, dass der vereinbarte versicherte Verdienst den realisierbaren Einkünften des Versicherungsnehmers offensichtlich in keiner Weise entspricht. Insofern kommt dem nur für Fälle lang anhaltender krasser Missverhältnisse zwischen vereinbartem versichertem Verdienst und tatsächlichen Einkommensverhältnissen in Betracht fallenden Korrektiv einer in Analogie zu Art. 40 UVG vorzunehmenden Leistungskürzung denn auch bloss Ausnahmecharakter zu. 
 
3.- a) Richtigerweise hat das kantonale Gericht zunächst die Einkommensverhältnisse im Zeitpunkt des Abschlusses des Versicherungsvertrages vom 26. März 1987 geprüft. Auf Grund der vorhandenen ärztlichen Stellungnahmen kann mit der Vorinstanz davon ausgegangen werden, dass der heutige Beschwerdegegner im Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung nicht zu wesentlich mehr als zwei Dritteln erwerbsunfähig war, ihm im Gefolge des Verkehrsunfalles vom 11. Mai 1984 mithin ein gewisses Leistungsvermögen erhalten geblieben war. In diesem Rahmen stand ihm grundsätzlich auch die Möglichkeit offen, eine freiwillige Versicherung nach Art. 4 Abs. 1 UVG abzuschliessen. Wie in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde indessen zu Recht eingewendet wird, kann dem kantonalen Gericht insoweit nicht gefolgt werden, als es auch die Geschäftsunkosten als Bestandteil des nach Art. 138 UVV versicherbaren Verdienstes betrachtet haben will. Die zur Erzielung des Erwerbseinkommens notwendigen Gewinnungskosten zählen, auch wenn sie bei vorübergehender Erwerbsunfähigkeit zumindest teilweise weiter anfallen, nach der Rechtsprechung des Eidgenössischen Versicherungsgerichts nicht zum versicherten Verdienst. Dieser ist auf Grund der in Art. 5 Abs. 1 UVG vorgesehenen sinngemässen Anwendung der in der obligatorischen Versicherung für Arbeitnehmer geltenden Regelung vielmehr in Anlehnung an die für die Beitragserhebung in der Alters- und Hinterlassenenversicherung massgebenden Regeln festzulegen (vgl. Art. 22 Abs. 2 UVV), mit der Folge, dass - wie in Art. 9 Abs. 2 lit. a AHVG für die Bestimmung des beitragspflichtigen Einkommens aus selbstständiger Erwerbstätigkeit ausdrücklich vorgesehen - Gewinnungskosten vom rohen Einkommen in Abzug zu bringen sind (RKUV 1998 Nr. U 315 S. 577 f. Erw. 2c). 
 
b) Ungeachtet der in diesem Punkt unzutreffenden vorinstanzlichen Auffassung ist der kantonale Entscheid im Ergebnis jedoch nicht zu beanstanden. 
Ausgehend von den schon von der Vorinstanz angenommenen Einkünften in der Grössenordnung von jährlich Fr. 200'000.-, die der heutige Beschwerdegegner vor dem 1984 erlittenen Unfall versteuert hat, erscheint die Erzielung eines dem 1987 vereinbarten versicherten Verdienst von Fr. 67'500.- entsprechenden Einkommens auch bei einem nach dem ersten Unfall um zwei Drittel reduzierten Leistungsvermögen nicht als derart unrealistisch, dass von einem krassen Missverhältnis gesprochen werden könnte, welches eine Kürzung des sich aus der freiwilligen Versicherung ergebenden Taggeldes zu rechtfertigen vermöchte. Im Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung vom 26. März 1987 konnten die Parteien durchaus von der Annahme ausgehen, dass sich in den folgenden Jahren trotz vorbestehender Invalidität Einkünfte dieses Ausmasses realisieren lassen. Die in den Akten liegenden Geschäftsabschlüsse zeigen denn auch, dass der Beschwerdegegner mit seiner Arztpraxis im Jahre 1986 noch einen Gewinn von immerhin mehr als Fr. 40'000.- erwirtschaftet hat. Dass 1987 und 1988 Verluste in Höhe von durchschnittlich knapp Fr. 30'000.- resultierten, konnte noch im Rahmen der bei Selbstständigerwerbenden üblichen, auf unterschiedlichste Faktoren zurückzuführenden Einkommensschwankungen gesehen werden. Diese Entwicklung bereits als dauerhaft und dementsprechend die anlässlich der Vereinbarung des versicherten Verdienstes in der freiwilligen Unfallversicherung zum Ausdruck gebrachte Erwartungshaltung rückblickend als allzu optimistisch zu werten, wäre vor dem am 1. April 1989 erlittenen zweiten Unfall verfrüht gewesen. Ein lang anhaltendes krasses Missverhältnis zwischen dem vereinbarten versicherten Verdienst und den Einkünften, die realistischerweise erwartet werden durften, ist demnach nicht auszumachen. Eine Konstellation, welche die von der Beschwerde führenden Versicherungsgesellschaft beabsichtigte - grundsätzlich jedoch nur in besonders stossend wirkenden Ausnahmefällen angezeigte (Erw. 2c) - Leistungskürzung zulassen würde, liegt nicht vor. 
 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
 
II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
III. Die Helsana Unfall AG hat dem Beschwerdegegner für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 2500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen. 
 
IV. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. 
 
Luzern, 18. Mai 2001 
 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der III. Kammer: 
 
Der Gerichtsschreiber: