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[AZA 7] 
I 677/99 Vr 
 
IV. Kammer 
 
Bundesrichter Borella, Rüedi und Bundesrichterin Leuzinger; 
Gerichtsschreiberin Bucher 
 
Urteil vom 18. Dezember 2000 
 
in Sachen 
 
K.________, 1951, Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
IV-Stelle des Kantons Aargau, Kyburgerstrasse 15, Aarau, 
Beschwerdegegnerin, 
und 
 
Versicherungsgericht des Kantons Aargau, Aarau 
 
A.- Der 1951 geborene K.________ meldete sich am 22. November 1996 wegen eines Venenleidens zum Bezug von Leistungen der Invalidenversicherung an. Gestützt auf Berichte der Medizinischen Klinik des Spitals X.________ vom 15. Dezember 1994 und vom 9. November 1995, des Dr. med. B.________, FMH für Innere Medizin, vom 30. November 1995 und vom 4. März 1996, des Departements für Innere Medizin, Abteilung Angiologie, des Spitals Y.________ vom 5. Juli und vom 20. September 1996, des Hausarztes Dr. med. A.________, FMH für Allgemeine Medizin, vom 21. Dezember 1996, vom 11. Dezember 1997 und vom 11. Februar 1998 sowie eine Stellungnahme ihres ärztlichen Dienstes vom 23. Januar 1998 sprach die IV-Stelle des Kantons Aargau dem Versicherten mit Verfügung vom 19. April 1999 mit Wirkung ab 1. Oktober 1996 eine halbe ordentliche Rente zu. 
 
B.- Eine hiegegen eingereichte Beschwerde, in welcher der Versicherte zusätzlich zur Venenproblematik bestehende gesundheitliche Beschwerden insbesondere in Form von 
Rückenproblemen, Übergewicht, Kopfschmerzen, Magenbeschwerden und vor allem eines psychischen Leidens geltend machte, wies das Versicherungsgericht des Kantons Aargau mit Entscheid vom 19. Oktober 1999 ab. 
 
C.- K.________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem sinngemässen Antrag, der vorinstanzliche Entscheid und die Verwaltungsverfügung seien aufzuheben und es sei ihm eine ganze Rente zuzusprechen. Er berichtet abgesehen von der Venenproblematik insbesondere von einem Diabetes, einem Magengeschwür, starken Kopfschmerzen, Übergewicht und vor allem einer starken Depression, wobei er im Übrigen auf seine Sachverhaltsdarstellung im vorinstanzlichen Verfahren verweist. 
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. 
Das Bundesamt für Sozialversicherung hat sich nicht vernehmen lassen. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- Zur Beurteilung des streitigen Umfanges des Invalidenrentenanspruchs - dessen Rechtsgrundlage die Vorinstanz zutreffend angegeben hat (Art. 4 Abs. 1, Art. 28 IVG), sodass darauf verwiesen werden kann - wurden im Wesentlichen nur die Venenprobleme bzw. Beinschmerzen des Versicherten abgeklärt, wohingegen dieser in Beschwerde und Verwaltungsgerichtsbeschwerde weitere Gesundheitsschäden angibt. Streitig und zu prüfen ist, ob der Sachverhalt hinreichend abgeklärt ist, was Verwaltung und Vorinstanz bejahen, der Beschwerdeführer hingegen verneint. 
 
2.- Das sozialversicherungsrechtliche Verwaltungs- und Verwaltungsgerichtsbeschwerdeverfahren ist vom Untersuchungsgrundsatz beherrscht, wonach Versicherungsträger und GerichtvonAmteswegenfürdierichtige und vollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhaltes zu sorgen haben (BGE 125 V 195 Erw. 2, 122 V 158 Erw. 1a). Dies bedeutet, dass in Bezug auf den rechtserheblichen Sachverhalt Abklärungen vorzunehmen sind, wenn hiezu aufgrund der Parteivorbringen oder anderer sich aus den Akten ergebender Anhaltspunkte hinreichender Anlass besteht (BGE 117 V 282 Erw. 4a; AHI 1994 S. 212 Erw. 4a; SVR 1999 IV Nr. 10 S. 28 Erw. 2c). 
Die Rechtmässigkeit einer Verfügung beurteilt sich nach dem Sachverhalt, der zur Zeit des Erlasses der angefochtenen Verwaltungsverfügung gegeben war (BGE 121 V 366 Erw. 1b). 
 
3.- Bezüglich der vom Versicherten über das Venenleiden hinaus geklagten körperlichen Beschwerden findet sich im Wesentlichen nur hinsichtlich der Rückenprobleme ein Anhaltspunkt in den Akten, indem anlässlich einer angiologischen Untersuchung im Departement für Innere Medizin des Spitals Y.________ gemäss Bericht vom 5. Juli 1996 im Zusammenhang mit den vom Versicherten beschriebenen Schmerzen im Bereich der rechten Lende, des Gesässes und den Ausstrahlungen in das ganze rechte Bein an eine lumboradikuläre Komponente gedacht wurde. 
In Bezug auf die vom Beschwerdeführer geltend gemachte psychische Problematik findet sich in den verschiedenen Berichten der behandelnden Ärzte nirgends - auch nicht verdachtsweise - die Diagnose einer psychischen Krankheit oder ein deutlicher Hinweis auf eine psychische Auffälligkeit. 
Auch dahin gehende Klagen des Beschwerdeführers sind aus den medizinischen Akten nicht ersichtlich. 
Es fragt sich, ob unter diesen Umständen Anlass zu weiteren Abklärungen besteht. 
 
4.- a) aa) Daraus, dass dem Beschwerdeführer in einem Bericht der Medizinischen Klinik des Spitals X.________ vom 9. November 1995 unter dem Titel des Eintrittsstatus eine situationsbezogen unauffällige Psyche attestiert wurde, kann nicht auf das Fehlen einer im vorliegenden Verfahren zu berücksichtigenden psychischen Störung mit Krankheitswert geschlossen werden. Zum einen handelt es sich nämlich um eine situationsbezogene, nicht um eine allgemeine Beurteilung des Psychostatus. Zum andern wurde dieser Bericht dreieinhalb Jahre vor Erlass der angefochtenen Verfügung erstattet. Späteren Berichten der untersuchenden bzw. behandelnden Ärzte lassen sich zwar keine ausdrücklichen Aussagen über den psychischen Zustand des Versicherten entnehmen. Immerhin wurde aber auf die Angst des Versicherten bzw. dessen Drängen auf ein bestimmtes Vorgehen hingewiesen (Berichte des Dr. med. B.________ vom 30. November 1995 und vom 4. März 1996; Bericht des Departements für Innere Medizin, Abteilung Angiologie, des Spitals Y.________ vom 5. Juli 1996), wobei Dr. med. B.________ in einem Bericht vom 4. März 1996 bemerkte, gemäss seinem Eindruck neige die Situation zur Invalidität. Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer selbst in seiner IV-Anmeldung vom 22. November 1996 bemerkte, er nehme Beruhigungsmittel ein. 
Entscheidend ins Gewicht fällt schliesslich die Stellungnahme des ärztlichen Dienstes der IV-Stelle vom 23. Januar 1998. Darin wird die Auffassung vertreten, es sei nicht auf die vom Departement für Innere Medizin des Spitals Y.________ aus angiologischer Sicht attestierte volle Arbeitsfähigkeit, sondern auf die vom Hausarzt Dr. med. A.________ geschätzte Arbeitsunfähigkeit von 50 % abzustellen. Zur Begründung wird ausgeführt, der Bericht der Klinik Y.________ für Angiologie vom 5. Juli 1996 erwähne nur die allgemein bekannte medizinische Tatsache, dass ein Zustand nach Beinvenenthrombose an sich kein Grund sei für eine Arbeitsunfähigkeit. Er gehe aber nicht auf die Schwellung ein und weise die vorhandenen Schmerzen einer anderen Ursache zu, ohne dafür nähere Gründe anzuführen. Zwischen der fachärztlich als möglich erachteten vollen Arbeitsaufnahme und der Ausführung dieser Vorgabe stünden der Schmerz und die Angst des Patienten, wobei es in vergleichbaren Situationen erfahrungsgemäss überdurchschnittlich häufig zu einer vollen Invalidisierung komme. Damit geht der ärztliche Dienst der IV-Stelle von der Mitbeteiligung einer psychischen Komponente aus. 
 
bb) Unter diesen Umständen bestand schon im Verwaltungsverfahren und in Anbetracht der Vorbringen des Versicherten in seiner vorinstanzlichen Beschwerde erst recht im kantonalen Gerichtsverfahren aufgrund der Parteivorbringen und der Akten hinreichender Anlass zu Abklärungen psychiatrischer Richtung. Nachdem es gemäss den Ausführungen des ärztlichen Dienstes der IV-Stelle in vergleichbaren Situationen überdurchschnittlich häufig zu einer vollen Invalidisierung kommt, kann nicht ohne psychiatrische Begutachtung die hausärztliche Arbeitsunfähigkeitsschätzung von 50 % übernommen werden. Die Tatsache, dass in den medizinischen Akten und in der Eingabe der damaligen Anwältin des Versicherten im Verwaltungsverfahren keine auf ein psychisches Leiden hinweisenden Klagen rapportiert werden, rechtfertigt einen Verzicht auf diesbezügliche Abklärungen schon aus dem Grunde nicht, dass die letzte Auskunft des Hausarztes, bei der es sich um die jüngste ärztliche Stellungnahme handelt, vom 11. Februar 1998 und die Eingabe der Anwältin vom 14. Mai 1998 datiert, wohingegen die angefochtene Verfügung erst am 19. April 1999 erlassen wurde. In der Zwischenzeit könnte sich das psychische Befinden des Beschwerdeführers verschlechtert haben, zumal dieser in einem kurz nach Verfügungserlass gleichzeitig mit der Beschwerde verfassten Schreiben an die IV-Stelle vom 19. Mai 1999 behauptete, sein psychisches Leiden werde immer schlimmer. 
 
b) Ebenso könnte sich der körperliche Gesundheitszustand des Beschwerdeführers vor Verfügungserlass verschlechtert haben; der Versicherte führte in der erwähnten Eingabe an die IV-Stelle vom 19. Mai 1999 auch diesbezüglich an, die Situation werde immer schlimmer. Das Fehlen von Angaben bezüglich über die Venenproblematik hinausgehender körperlicher Beschwerden sowohl in der Eingabe vom 14. Mai 1998 als auch in den meisten Arztberichten steht deshalb schon in Anbetracht des Alters dieser Aktenstücke der Notwendigkeit weiterer Abklärungen somatischer Art gestützt auf die Vorbringen des Versicherten nicht entgegen. 
 
c) Ausserdem ist sowohl in psychischer als auch in somatischer Hinsicht zu beachten, dass in den hausärztlichen Kurzberichten bzw. Auskünften vom 21. Dezember 1996, vom 11. Dezember 1997 und vom 11. Februar 1998, den einzigen in den Akten liegenden Berichten eines untersuchenden bzw. behandelnden Arztes seit Ende 1996, die vom Versicherten geklagten Beschwerden nur ganz knapp oder gar nicht wiedergegeben werden. Dies mindert den Beweiswert dieser Berichte (vgl. BGE 125 V 352 Erw. 3a; RKUV 2000 Nr. KV 124 S. 214), sodass aus dem Fehlen von Hinweisen auf bestimmte Klagen in diesen Aktenstücken nicht geschlossen werden kann, der Versicherte habe die entsprechenden Beschwerden nicht vorgetragen. 
 
5.- Nach dem Gesagten ist der Beschwerdeführer im Rahmen eines von der IV-Stelle einzuholenden MEDAS-Gutachtens interdisziplinär zu untersuchen. Die Expertise hat über den physischen und psychischen Gesundheitszustand, die Arbeitsfähigkeit und die zumutbaren Arbeiten Aufschluss zu geben. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
I.Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne gutgeheissen, dass der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 19. Oktober 1999 und die Verfügung vom 19. April 1999 aufgehoben werden und die Sache an die IV-Stelle des Kantons Aargau zurückgewiesen wird, damit sie, nach erfolgter Abklärung im Sinne der Erwägungen, über den Rentenanspruch neu verfüge. 
 
II.Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. 
 
Luzern, 18. Dezember 2000 
 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der IV. Kammer: 
 
Die Gerichtsschreiberin: 
 
i.V.