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«AZA 7» 
H 438/99 Ge 
 
 
III. Kammer 
Bundesrichter Schön, Spira und Bundesrichterin Widmer; Gerichtsschreiberin Berger 
 
 
Urteil vom 19. Februar 2001 
 
in Sachen 
A. und B.F.________, Beschwerdeführer, 
gegen 
Ausgleichskasse des Kantons Bern, Chutzenstrasse 10, Bern, Beschwerdegegnerin, 
und 
Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Bern 
 
 
 
A.- Die 1939 geborene, mit A.F.________ verheiratete B.F.________ ersuchte die Ausgleichskasse des Kantons Bern am 26. Oktober 1998 um Anrechnung einer Betreuungsgutschrift, da sie seit 1. Dezember 1997 für ihren dauernd pflegebedürftigen, im gemeinsamen Haushalt wohnenden Bruder T.________, geboren 1945, sorge. Mit Verfügung vom 10. November 1998 lehnte die Ausgleichskasse das Gesuch ab. Zur Begründung gab sie an, Betreuungsgutschriften würden nur angerechnet, wenn die betreute Person eine Hilflosenentschädigung der AHV oder IV für mindestens mittlere Hilflosigkeit beanspruche. T.________ beziehe lediglich eine Hilflosenentschädigung für Hilflosigkeit leichten Grades. 
 
B.- Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern ab (Entscheid vom 22. Juli 1999). 
 
C.- B. und A.F.________ führen Verwaltungsgerichtsbeschwerde und beantragen sinngemäss die Anrechnung einer Betreuungsgutschrift für das Jahr 1998. Mit demselben Schreiben ersuchen sie die zuständige IV-Stelle um Überprüfung der effektiven Hilflosigkeit von T.________. 
Die Ausgleichskasse teilt mit, dass sie den Antrag auf 
Überprüfung des Hilflosigkeitsgrades an die IV-Stelle Bern weitergeleitet habe. Im Übrigen verweist sie auf ihre im vorinstanzlichen Verfahren eingereichte Stellungnahme sowie den kantonalen Entscheid, ohne einen Antrag zu stellen. Das Bundesamt für Sozialversicherung lässt sich nicht vernehmen. 
 
D.- Im Laufe des Instruktionsverfahrens sind die den Anspruch des T.________ auf Hilflosenentschädigung betreffenden Akten der IV-Stelle Bern eingeholt worden. 
 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- a) Gemäss dem mit der 10. AHV-Revision am 1. Januar 1997 in Kraft getretenen Art. 29septies Abs. 1 AHVG haben Versicherte, welche im gemeinsamen Haushalt Verwandte in auf- oder absteigender Linie oder Geschwister mit einem Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung der AHV oder IV für mindestens mittlere Hilflosigkeit betreuen, Anspruch auf Anrechnung einer Betreuungsgutschrift (Satz 1). Sie müssen diesen Anspruch jährlich schriftlich anmelden (Satz 2). Verwandten sind Ehegatten, Schwiegereltern und Stiefkinder gleichgestellt (Satz 3). 
 
b) Nach Art. 52k in Verbindung mit Art. 52f Abs. 1 AHVV werden während des Jahres, in dem der Anspruch entsteht, keine Betreuungsgutschriften angerechnet. 
 
2.- Streitig und zu prüfen ist, ob die Beschwerdeführerin Anspruch auf Anrechnung einer Betreuungsgutschrift für das Jahr 1998 hat. Dabei ist zu beachten, dass die IVStelle dem Bruder der Versicherten auf das gleichzeitig mit der vorliegenden Verwaltungsgerichtsbeschwerde am 9. August 1999 gestellte Revisionsgesuch hin mit Verfügung vom 25. Januar 2000 rückwirkend ab 1. August 1999 eine Hilflosenentschädigung für Hilflosigkeit mittleren Grades zugesprochen hat. 
 
3.- a) Dem Wortlaut des deutschen Art. 29septies Abs. 1 Satz 1 AHVG nach muss die betreute Person Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung der Alters- und Hinterlassenen- oder der Invalidenversicherung für mindestens mittlere Hilflosigkeit haben. Dass sie die Hilflosenentschädigung auch tatsächlich beziehen muss, damit der versicherten Person Betreuungsgutschriften gewährt werden können, ergibt sich jedoch nicht aus dem Gesetzestext. Die französische ("Les assurés qui prennent en charge des parents de ligne ascendante ou descendante ainsi que des frères et soeurs au bénéfice d'une allocation de l'AVS ou de l'AI pour impotent de degré moyen au moins et avec lesquels ils font ménage commun, peuvent prétendre à une bonification pour tâches d'assistance.") wie die italienische Fassung ("Gli assicurati che si occupano di parenti di linea ascendente o discendente nonché di fratelli e sorelle che beneficiano di un assegno dell'AVS o dell'AI per grandi invalidi, con un'invalidità almeno di grado medio, e che vivono in comunione domestica con essi, hanno diritto ad un accredito per compiti assistenziali.") gehen, entgegen dem deutschen Text, davon aus, dass die betreute Person die Hilflosenentschädigung tatsächlich empfangen muss, damit der versicherten Person Betreuungsgutschriften angerechnet werden können. 
 
b) Gemäss dem noch nicht veröffentlichten Urteil P. vom 27. Dezember 2000, H 57/99, ist der deutsche Wortlaut des Art. 29septies Abs. 1 Satz 1 AHVG massgebend. Für die Anrechenbarkeit von Betreuungsgutschriften genügt folglich der Anspruch auf Hilflosenentschädigung für mindestens mittlere Hilflosigkeit. Der Bezug der Hilflosenentschädigung wird nicht vorausgesetzt. Dieses Auslegungsergebnis wird durch die Grundsätze der verfassungskonformen oder verfassungsbezogenen Auslegung bestätigt, da das Abstellen auf die französische oder italienische Fassung der Norm zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung zwischen den Versicherten, welche eine Person betreuen, die zwar einen Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung für Hilflosigkeit mittleren Grades hat, die Hilflosenentschädigung aber nicht bezieht, und denjenigen, welche eine Person betreuen, die in den Genuss einer Hilflosenentschädigung für Hilflosigkeit mindestens mittleren Grades kommen, führen würde. Denn Pflegebedürftigkeit und Pflegeaufwand sind in beiden Fällen gleich gross. 
 
4.- a) Nach den von der IV-Stelle im Rahmen des Revisionsverfahrens durchgeführten Abklärungen bedarf T.________ seit Dezember 1997 nicht mehr nur in drei, sondern in vier alltäglichen Lebensverrichtungen regelmässiger und erheblicher Hilfe einer Drittperson. Er ist somit seit dem genannten Zeitpunkt in mittelschwerem Grade hilflos (Art. 36 Abs. 2 lit. a IVV). Der Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung für mittlere Hilflosigkeit entstand zufolge Art. 88a Abs. 2 IVV, wonach die anspruchsbeeinflussende Änderung erst berücksichtigt werden kann, sobald sie ohne wesentliche Unterbrechung drei Monate angedauert hat, am 1. März 1998. Dieses Datum ist bei der Prüfung der Voraussetzungen für die Anrechnung von Betreuungsgutschriften gemäss Art. 29septies Abs. 1 AHVG massgebend. Nicht relevant ist in diesem Zusammenhang, dass die IV-Stelle die erhöhte Hilflosenentschädigung gemäss der Regelung in Art. 88bis Abs. 1 lit. a IVV erst von dem Monat an, in dem das Revisionsbegehren gestellt worden war, somit rückwirkend ab 1. August 1999 ausrichtete (vgl. Erw. 3b hievor; noch nicht veröffentlichtes Urteil P. vom 27. Dezember 2000, H 57/99). Da auf Grund der Akten nichts darauf hinweist und im Übrigen auch nicht behauptet wird, dass der Bruder der Versicherten bereits vor Dezember 1997 in mittlerem Grade hilflos gewesen wäre, kann im vorliegenden Prozess offen bleiben, ob der Anspruch auf Hilflosenentschädigung mindestens mittleren Grades im Sinne von Art. 29septies Abs. 1 AHVG notwendigerweise von der jeweils für die Festlegung der Hilflosenentschädigung zuständigen Verwaltungsbehörde festgestellt werden muss oder ob der Nachweis der grossen Pflegebedürftigkeit auch in anderer Form erbracht werden kann. 
 
b) Mit Blick auf den Umstand, dass der Anspruch des seit Dezember 1997 von der Beschwerdeführerin betreuten T.________ auf eine Hilflosenentschädigung für Hilflosigkeit mittleren Grades am 1. März 1998 entstanden ist, erfüllt die Versicherte die gesamten Voraussetzungen zur Anrechnung von Betreuungsgutschriften erstmals im Jahr 1998. Da allerdings während des Jahres, in dem der Anspruch auf Betreuungsgutschriften entsteht, keine solchen angerechnet werden können (Art. 52k in Verbindung mit Art. 52f Abs. 1 AHVV; vgl. Erw. 1b hievor), erweisen sich die ablehnende Verfügung der Ausgleichskasse vom 10. November 1998 und der den Verwaltungsakt bestätigende vorinstanzliche Entscheid vom 22. Juli 1999 im Ergebnis als rechtens. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
 
II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsge- 
richt des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche 
Abteilung, und dem Bundesamt für Sozialversicherung 
zugestellt. 
Luzern, 19. Februar 2001 
 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der III. Kammer: 
 
 
 
 
Die Gerichtsschreiberin: