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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
2A.161/2004 /kra 
 
Urteil vom 19. Juli 2004 
II. Öffentlichrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Wurzburger, Präsident, 
Bundesrichter Hungerbühler, Müller, 
Gerichtsschreiberin Müller. 
 
Parteien 
AX.________, , 
BX.________, 
Beschwerdeführer, 
beide vertreten durch Advokat Marco Albrecht, 
 
gegen 
 
Departement für Justiz und Sicherheit des Kantons Thurgau, 8500 Frauenfeld, 
Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau, Frauenfelderstrasse 16, 8570 Weinfelden. 
 
Gegenstand 
Familiennachzug, 
 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom 21. Januar 2004. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Der aus der Türkei stammende, *** 1972 geborene AX.________ reiste am 18. September 2000 illegal in die Schweiz ein und stellte ein Asylgesuch. Das Bundesamt für Flüchtlinge wies das Gesuch am 15. Januar 2001 ab. Die dagegen erhobene Beschwerde wies die Schweizerische Asylrekurskommission mit Urteil vom 29. Mai 2001 ab. AX.________ tauchte in der Folge unter. Am 20. Juni 2002 reiste er wieder in die Schweiz ein, und *** August 2002 heiratete er in C.________ die 1956 geborene Schweizerin B.________. Am 17. September 2002 stellte BX.________ ein Gesuch um Nachzug ihres Ehemannes; gleichentags ersuchte AX.________ um Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Mit Schreiben vom 15. Januar 2003 teilte das Ausländeramt des Kantons Thurgau BX.________ mit, es gehe davon aus, dass es sich bei ihrer Ehe mit AX.________ um eine Gefälligkeitsehe handle, und machte sie auf die Möglichkeit aufmerksam, eine rekursfähige Verfügung zu verlangen. Hierauf ersuchte das Ehepaar X.________, nunmehr durch einen Anwalt vertreten, am 31. Januar 2003 erneut um eine Aufenthaltsbewilligung für AX.________. Mit Verfügung vom 17. Februar 2003 wies das Ausländeramt des Kantons Thurgau das Gesuch ab mit der Begründung, es handle sich um eine Gefälligkeitsehe. Dagegen erhob AX.________ am 10. März 2003 Rekurs beim Departement für Justiz und Sicherheit des Kantons Thurgau. Dieses entscheid mit Zwischenverfügung vom 13. März 2003, dass sich AX.________ bis zu einem anders lautenden Entscheid des Departements im Kanton Thurgau aufhalten dürfe; mit Entscheid vom 16. September 2003 wies es den Rekurs ab. Gegen diesen Entscheid erhoben AX.________ und BX.________ am 15. Oktober 2003 Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau. Dieses wies die Beschwerde mit Entscheid vom 21. Januar 2004 ab. 
B. 
Dagegen haben AX.________ und BX.________ beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben. Sie beantragen, den Entscheid des Verwaltungsgerichts aufzuheben und AX.________ eine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen; eventuell die Sache zu neuer Beurteilung an das Verwaltungsgericht oder an das Ausländeramt zurückzuweisen. 
Das Departement für Justiz und Sicherheit und das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau beantragen die Abweisung der Beschwerde. Denselben Antrag stellt das Bundesamt für Zuwanderung, Integration und Auswanderung. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
1.1 Nach Art. 7 des Bundesgesetzes vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG; SR 142.20) hat der ausländische Ehegatte eines Schweizer Bürgers grundsätzlich Anspruch auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung (Abs. 1 Satz 1). Für das Eintreten auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde (vgl. Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 OG in Verbindung mit Art. 4 ANAG) ist lediglich entscheidend, ob formell eine eheliche Beziehung besteht; anders als bei Art. 8 EMRK ist nicht erforderlich, dass diese auch intakt ist und tatsächlich gelebt wird (BGE 126 II 265 E. 1b S. 266; 122 II 289 E. 1b S. 292). Auf die Beschwerde gegen die Verweigerung einer Aufenthaltsbewilligung an den ausländischen Ehegatten einer Schweizer Bürgerin ist daher einzutreten. Die Frage, ob die Bewilligung verweigert werden muss, weil einer der in Art. 7 ANAG vorbehaltenen Ausnahmetatbestände oder ein Verstoss gegen das Rechtsmissbrauchsverbot vorliegt, betrifft nicht das Eintreten, sondern bildet Gegenstand der materiellen Beurteilung (BGE 126 II 265 E. 1b S. 266; 124 II 289 E. 2b S. 291). 
1.2 Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, sowie die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts (Art. 104 lit. a und b OG), nicht jedoch die Unangemessenheit des angefochtenen Entscheids (vgl. Art. 104 lit. c OG) gerügt werden (vgl. BGE 125 II 105 E. 2a S. 107, 521 E. 2a S. 523, mit Hinweisen). Hat - wie hier - eine richterliche Behörde als Vorinstanz entschieden, ist das Bundesgericht an deren Sachverhaltsfeststellung gebunden, sofern diese nicht offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften zustande gekommen ist (Art. 105 Abs. 2 OG). 
1.3 Das Bundesgericht wendet das Bundesrecht bei der Verwaltungsgerichtsbeschwerde von Amtes wegen an; es ist gemäss Art. 114 Abs. 1 OG an die von den Parteien vorgebrachten Begründungen nicht gebunden und kann die Beschwerde auch aus anderen als den geltend gemachten Gründen gutheissen oder abweisen (BGE 128 II 145 E. 1.2.2 S. 150 f.; 127 II 264 E. 1b S. 268, mit Hinweisen). 
2. 
2.1 Gemäss Art. 7 Abs. 2 ANAG hat der ausländische Ehegatte eines Schweizer Bürgers keinen Anspruch auf die ihm nach Absatz 1 grundsätzlich zustehende Aufenthaltsbewilligung, wenn die Ehe eingegangen worden ist, um die Vorschriften über Aufenthalt und Niederlassung von Ausländern und namentlich jene über die Begrenzung der Zahl der Ausländer zu umgehen. Erfasst wird davon die sog. Scheinehe bzw. Ausländerrechtsehe, bei der die Ehegatten von vornherein keine echte eheliche Gemeinschaft beabsichtigen (BGE 128 II 145 E. 2.1 S. 151, mit Hinweis). 
2.2 Dass Ehegatten mit der Heirat nicht eine eheliche Lebensgemeinschaft begründen, sondern die Vorschriften über Aufenthalt und Niederlassung von Ausländern umgehen wollen, entzieht sich in der Regel dem direkten Beweis und kann insofern nur durch Indizien nachgewiesen werden. Ein solches Indiz lässt sich darin erblicken, dass dem Ausländer die Wegweisung drohte, etwa weil er ohne Heirat keine Aufenthaltsbewilligung erhalten hätte oder sie ihm nicht verlängert worden wäre. Für das Vorliegen einer Ausländerrechtsehe können sodann die Umstände und die kurze Dauer der Bekanntschaft sprechen sowie insbesondere die Tatsache, dass die Ehegatten eine Wohngemeinschaft gar nie aufgenommen haben. Dasselbe gilt, wenn für die Heirat eine Bezahlung vereinbart wurde. Dass die Begründung einer wirklichen Lebensgemeinschaft gewollt war, kann umgekehrt nicht schon daraus abgeleitet werden, dass die Ehegatten während einer gewissen Zeit zusammen lebten und intime Beziehungen unterhielten; ein derartiges Verhalten kann auch nur vorgespiegelt sein, um die Behörden zu täuschen (BGE 122 II 289 E. 2b S. 295, mit Hinweisen). Für die Anwendbarkeit von Art. 7 Abs. 2 ANAG genügt es freilich nicht, dass die Ehe abgeschlossen wurde, um dem ausländischen Ehegatten den Aufenthalt in der Schweiz zu ermöglichen; erforderlich ist vielmehr, dass die eheliche Gemeinschaft nicht wirklich gewollt war; auf die Motive der Heirat kommt es mit andern Worten nicht an, sofern der Wille vorhanden ist, eine Lebensgemeinschaft zu begründen (BGE 121 II 97 E. 3b in fine S. 102; unveröffentlichtes Urteil des Bundesgerichts vom 1. Dezember 2000 [2A.397/2000] E. 3a in fine). 
3. 
3.1 Das Verwaltungsgericht ist zur Auffassung gelangt, dass von Seiten des Beschwerdeführers die Ehe nur geschlossen worden sei, um die Vorschriften über Aufenthalt und Niederlassung in der Schweiz zu umgehen. In der Tat bestehen hier mehrere Indizien für eine Scheinehe, darunter insbesondere der Altersunterschied von 16 Jahren und die Tatsache, dass der Beschwerdeführer als abgewiesener Asylbewerber ohne die Heirat mit einer Schweizerin oder einer hier niedergelassenen Ausländerin kaum zu einer Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz käme. Ebenso mutet das Fehlen eines Familienfestes und die bescheidene Hochzeitsfeier - eine Mahlzeit im Restaurant in kleinem Kreise - ungewöhnlich an. Ob die - in einigen Punkten widersprüchlichen - Aussagen der Beschwerdeführer zu den genauen Umständen des Kennenlernens ein weiteres Indiz für eine Scheinehe darstellen, wie das Verwaltungsgericht festhält, oder ob es sich dabei um Missverständnisse aufgrund fehlender Sprachkenntnisse des Beschwerdeführers handelt, ist hingegen im Gesamtzusammenhang von untergeordneter Bedeutung. 
3.2 Indessen leben die beiden Ehepartner seit der Heirat zusammen; es bestehen keine konkreten Hinweise darauf, dass heute keine eheliche Gemeinschaft gelebt würde. Da es aber nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, wie oben ausgeführt (E. 2.2 in fine), für die Verneinung eines Anspruchs gemäss Art. 7 ANAG nicht genügt, dass die Ehe aus ausländerrechtlichen Motiven geschlossen wurde, sondern dass zudem feststehen muss, dass keine eheliche Lebensgemeinschaft gewollt war bzw. ist, muss auch der Zeitraum zwischen der Eheschliessung und dem angefochtenen Urteil eineinhalb Jahre später in die Beurteilung mit einbezogen werden. Dies hat das Verwaltungsgericht unterlassen. Es hat einzig gestützt auf die Umstände bis und mit Eheschliessung auf eine Ausländerrechtsehe geschlossen, ohne über die seitherige Entwicklung, insbesondere über das Bestehen einer echten Lebensgemeinschaft, Abklärungen zu treffen. Dadurch hat es nicht nur den rechtserheblichen Sachverhalt unvollständig abgeklärt, sondern überdies das rechtliche Gehör der Beschwerdeführer, die explizit beantragt hatten, in Bezug auf ihre Ehe befragt zu werden, verletzt. 
4. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde erweist sich nach dem Gesagten als begründet. Der angefochtene Entscheid ist daher aufzuheben und die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Diese wird abzuklären haben, wie sich die Ehe des Beschwerdeführers seit ihrem Abschluss entwickelt hat. Sollte sich dabei ergeben, dass die Beschwerdeführer in dieser Zeit eine echte Lebensgemeinschaft aufrechterhalten haben, würde dies die für die Annahme einer Scheinehe sprechenden Indizien in einem andern Licht erscheinen lassen, selbst wenn berücksichtigt wird, dass ein harmonisches Eheleben auch nur vorgetäuscht werden kann. Sollten sich die Ehegatten inzwischen aber getrennt haben, würde dies umgekehrt den Schluss auf eine Scheinehe bestätigen. 
 
Bei diesem Verfahrensausgang sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 156 Abs. 2 OG). Der Kanton Thurgau hat den Beschwerdeführern eine angemessene Parteientschädigung auszurichten (Art. 159 Abs. 2 OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird gutgeheissen, der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom 21. Januar 2004 aufgehoben und die Sache zu neuer Beurteilung an das Verwaltungsgericht zurückgewiesen. 
2. 
Es werden keine Kosten erhoben. 
3. 
Der Kanton Thurgau hat den Beschwerdeführern eine Parteientschädigung von Fr. 2'000.-- auszurichten. 
4. 
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, dem Departement für Justiz und Sicherheit des Kantons Thurgau und dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau sowie dem Bundesamt für Zuwanderung, Integration und Auswanderung schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 19. Juli 2004 
Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: