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[AZA 7] 
I 513/01 Vr 
 
II. Kammer 
 
Präsident Schön, Bundesrichter Ursprung und Frésard; 
Gerichtsschreiberin Hofer 
 
Urteil vom 20. März 2002 
 
in Sachen 
M.________, 1940, Beschwerdeführer, vertreten durch den Rechtsschutz X.________, 
gegen 
IV-Stelle des Kantons Thurgau, St. Gallerstrasse 13, 8500 Frauenfeld, Beschwerdegegnerin, 
 
und 
AHV/IV-Rekurskommission des Kantons Thurgau, Weinfelden 
 
A.- Mit Verfügung vom 19. März 2001 sprach die IV-Stelle des Kantons Thurgau dem 1940 geborenen M.________ mit Wirkung ab 1. November 1999 gestützt auf einen Invaliditätsgrad von 60 % eine halbe Invalidenrente zu. 
 
B.- Die hiegegen erhobene Beschwerde wies die AHV/IV-Rekurskommission des Kantons Thurgau mit Entscheid vom 10. Juli 2001 ab. 
C.- M.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Antrag, es sei ihm ab 1. November 1999 eine ganze Invalidenrente nebst Zusatzrente für die Ehefrau zu gewähren. 
 
Während die Vorinstanz und die IV-Stelle die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragen, lässt sich das Bundesamt für Sozialversicherung nicht vernehmen. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- a) Die Vorinstanz hat die gesetzliche Bestimmung über den Invaliditätsbegriff (Art. 4 IVG) und die Voraussetzungen, unter denen geistige Gesundheitsschäden darunter fallen (BGE 102 V 165; AHI 2001 S. 228 Erw. 2b mit Hinweisen), richtig dargelegt. Darauf wird verwiesen. Gleiches gilt für die Erwägungen zur Bedeutung ärztlicher Auskünfte im Rahmen der Invaliditätsschätzung (BGE 125 V 261 Erw. 4) und zum Beweiswert von medizinischen Gutachten und Arztberichten (BGE 125 V 352 Erw. 3). 
Zu ergänzen ist, dass nach Art. 28 Abs. 1 IVG der Versicherte Anspruch auf eine ganze Rente hat, wenn er mindestens zu 66 2/3 %, auf eine halbe Rente, wenn er mindestens zu 50 % oder auf eine Viertelsrente, wenn er mindestens zu 40 % invalid ist; in Härtefällen hat der Versicherte nach Art. 28 Abs. 1bis IVG bereits bei einem Invaliditätsgrad von mindestens 40 % Anspruch auf eine halbe Rente. 
 
b) Bei erwerbstätigen Versicherten ist der Invaliditätsgrad auf Grund eines Einkommensvergleichs zu bestimmen. 
Dazu wird das Erwerbseinkommen, das der Versicherte nach Eintritt der Invalidität und nach Durchführung allfälliger Eingliederungsmassnahmen durch eine ihm zumutbare Tätigkeit bei ausgeglichener Arbeitsmarktlage erzielen könnte, in Beziehung gesetzt zum Erwerbseinkommen, das er erzielen könnte, wenn er nicht invalid geworden wäre (Art. 28 Abs. 2 IVG). Der Einkommensvergleich hat in der Regel in der Weise zu erfolgen, dass die beiden hypothetischen Erwerbseinkommen ziffernmässig möglichst genau ermittelt und einander gegenübergestellt werden, worauf sich aus der Einkommensdifferenz der Invaliditätsgrad bestimmen lässt. Insoweit die fraglichen Erwerbseinkommen ziffernmässig nicht genau ermittelt werden können, sind sie nach Massgabe der im Einzelfall bekannten Umstände zu schätzen und die so gewonnenen Annäherungswerte miteinander zu vergleichen (allgemeine Methode des Einkommensvergleichs; BGE 104 V 136 Erw. 2a und b). 
 
2.- a) Nach dem Gutachten der Medizinischen Abklärungsstelle der Invalidenversicherung am Spital Y.________ (MEDAS) vom 2. Oktober 2000 leidet der Beschwerdeführer an sich somatoform präsentierenden Angststörungen mit Agoraphobie und Panikattacken sowie an einem ängstlich-depressiven Syndrom mittleren Ausprägungsstandes, einer ausgeprägten Aggravation, welche wahrscheinlich im Rahmen einer Entwicklung körperlicher Symptome aus psychischen Gründen entstanden ist, distalen Unterschenkel/Sprunggelenksschmerzen beidseits, möglicherweise spondylogen bedingt, bei Wirbelsäulenfehlhaltung mit Hyperlordose der Lendenwirbelsäule, vermehrter Beckenkippung und Hyperkyphose der Brustwirbelsäule sowie muskulärer Dysbalance, Schwindelsensationen und Tinnitusbeschwerden. Für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Hilfsarbeiter sowie für andere Tätigkeiten sei er unter Beachtung sowohl der somatisch als auch der psychisch bedingten gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu 60 % arbeitsunfähig. Wegen der rheumatologischen Probleme kommen gemäss Gutachten des Dr. med. S.________ vom 6. Dezember 1999, welches die Ärzte der MEDAS ihrer Beurteilung ebenfalls zugrunde gelegt haben, nur leichte Tätigkeiten in Frage, die in wechselnder Stellung erfolgen können, kein Heben von Gewichten über 5-10 kg erfordern und kein Steigen auf Leitern oder Begehen anderer exponierter Wegen nötig machen. 
Die Rekurskommission ist in einlässlicher und sorgfältiger Würdigung der medizinischen Akten - insbesondere des Gutachtens der MEDAS (samt psychiatrischem Konsiliarbericht vom 6. September 2000), welches die rechtsprechungsgemäss erforderlichen Kriterien für beweiskräftige ärztliche Entscheidungsgrundlagen (BGE 125 V 352 Erw. 3 mit Hinweisen) erfüllt und dem somit voller Beweiswert zukommt - zum überzeugenden Schluss gelangt, dass der Beschwerdeführer in der Lage ist, eine leidensangepasste Tätigkeit zu 40 % zu verrichten. Dieser Betrachtungsweise ist unter Verweisung auf die vorinstanzlichen Erwägungen beizupflichten. 
 
 
b) In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird eine mangelhafte Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gerügt und die Anordnung einer neuen interdisziplinären Untersuchung verlangt. 
Diesem Begehren kann nicht entsprochen werden. Der Beschwerdeführer ist sowohl rheumatologisch wie auch psychiatrisch sowie von einem Spezialisten für Hals-Nasen-Ohrenerkrankungen (Berichte des Dr. med. K.________ vom 14. Juni 1999 und 21. März 2000) eingehend untersucht und beurteilt worden und es besteht auch im Lichte der letztinstanzlich vorgebrachten Einwendungen kein Anlass zu ergänzenden Abklärungen. Namentlich hat der Psychiater Dr. 
med. A.________ im Rahmen der MEDAS-Begutachtung schlüssig und nachvollziehbar begründet, weshalb nebst einer psychischen Krankheit auch ein zu einem grossen Teil willensmässig bewusst gesteuertes Verhalten vorliegt, welches sich in einem anders nicht erklärbaren, schlechten Testergebnis, einer Diskrepanz zwischen den subjektiven Angaben und der Verhaltensbeobachtung und im Verhalten in der Familie manifestierte. 
 
Als weitere invaliditätsfremde Faktoren, die das Verhalten des Versicherten mitbestimmen, nennt der Gutachter die grossen sprachlichen Schwierigkeiten, Arbeitslosigkeit, finanzielle Not und mangelnde Integration. In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beschränkt sich der Beschwerdeführer darauf, das Vorliegen invaliditätsfremder Gründe pauschal zu bestreiten, und bringt nichts Konkretes vor, was zu näheren Abklärungen Anlass geben würde. Auch sind keine Indizien ersichtlich, die gegen die Zuverlässigkeit der Feststellungen des Experten sprechen würden. 
 
3.- Zu prüfen bleibt, wie sich die fachärztlich festgestellte Einschränkung der Arbeitsfähigkeit erwerblich auswirkt. 
 
a) Die IV-Stelle hat für die Berechnung des hypothetischen Einkommens ohne Invalidität (Valideneinkommen) auf das Einkommen abgestellt, das der Beschwerdeführer im Jahre 1999 in der Firma B.________, wo er vom 6. August 1997 bis 
31. Januar 1998 als Aushilfsmitarbeiter auf Abruf angestellt war, verdient hätte. Für diese Tätigkeit sei er 60 % arbeitsunfähig, was einer Erwerbseinbusse und damit einem Invaliditätsgrad in dieser Höhe entspreche. Die Vorinstanz bestätigte diese Auffassung mit der Begründung, der Versicherte sei sowohl vor, wie auch nach dem Eintritt der Arbeitsunfähigkeit im November 1998 nicht erwerbstätig gewesen, weshalb zur Ermittlung der Vergleichseinkommen auf Tabellenlöhne oder auf die gleiche Lohnbasis abzustellen sei. 
 
b) Diese Vorgehensweise, welche vom Beschwerdeführer grundsätzlich nicht bestritten wird, ist an sich nicht zu beanstanden. Die Berufslaufbahn des Versicherten weist verschiedene Tätigkeiten aus. Bis zur Aufnahme der Arbeit in der Firma B.________ im August 1997 war er seit 1995 - abgesehen von kurzen Arbeitseinsätzen im Rahmen eines Beschäftigungsprogramms - arbeitslos. Alsdann war er vom 12. Mai bis 21. August 1998 bei der C.________ AG angestellt. 
Bei diesen Gegebenheiten macht es wenig Sinn, auf die entsprechenden Zahlen abzustellen. Mangels aussagekräftiger konkreter Anhaltspunkte wäre somit bei beiden Vergleichseinkommen für die Einkommensermittlung auf Erfahrungs- und Durchschnittswerte (Tabellenlöhne) im Bereich Hilfsarbeitertätigkeit zurückzugreifen. Demnach beläuft sich das Valideneinkommen 2001 ausgehend von der vom Bundesamt für Sozialversicherung herausgegebenen Schweizerischen Lohnstrukturerhebung (LSE 1998, TA 1, Durchschnitt privater Sektor, Kategorie 4: Monatlicher Bruttolohn = Fr. 4268.-), unter Hochrechnung von 40 auf 41,9 Wochenstunden (BGE 126 V 77 Erw. 3b/bb; Die Volkswirtschaft 2002 Heft 2, S. 88 Tabelle B9.2) und unter Berücksichtigung der Lohnentwicklung von 0,3 % (1998/99), 1,3 % (1999/2000) und 2,4 % (2000/2001; Die Volkswirtschaft 2002 Heft 2, S. 89 Tabelle B10. 2) auf Fr. 55'816.-. Das hypothetische Invalideneinkommen beträgt ausgehend von dieser Grösse und der Arbeitsfähigkeit von 40 % Fr. 22'326.-. 
 
 
c) Insoweit der Beschwerdeführer dafür hält, die Restarbeitsfähigkeit sei nicht verwertbar, ist das unbegründet, da die ihm zumutbaren Hilfsarbeitertätigkeiten einerseits Gegenstand von Angebot und Nachfrage auf dem ihm offen stehenden, ausgeglichenen Arbeitsmarkt sind (vgl. BGE 110 V 276 Erw. 4b; ZAK 1991 S. 320 Erw. 3b) und er anderseits in deren Ausübung nicht derart eingeschränkt ist, dass der allgemeine Arbeitsmarkt die entsprechenden Stellen praktisch nicht kennt oder eine Beschäftigung nur unter nicht realistischem Entgegenkommen eines Arbeitgebers möglich wäre (ZAK 1991 S. 320 Erw. 3b und 1989 S. 321 Erw. 4a). 
 
d) Die Vorinstanz hat dem Umstand, dass der Versicherte invaliditätsbedingt nur noch leichte Arbeiten im Umfang von 40 % ausführen kann, mit einem leidensbedingten Abzug von 10 % Rechnung getragen. Dies ist im Rahmen der Angemessenheitsprüfung nicht zu beanstanden. Entgegen dem Beschwerdeführer besteht mit Blick auf die Rechtsprechung (BGE 126 V 75) kein Grund für einen maximal zulässigen Abzug von 25 %. Damit beträgt der Invalidenlohn Fr. 20'093.- (Fr. 22'326.- abzüglich 10 %), was gegenüber dem hypothetischen Valideneinkommen einen Erwerbsausfall von Fr. 35'723.- ergibt und einem Invaliditätsgrad von 64 % entspricht, womit ein Anspruch auf eine ganze Rente nicht ausgewiesen ist. 
 
4.- Streitig ist weiter, ob der Versicherte Anspruch auf eine Zusatzrente für seine Ehefrau hat. 
 
a) Nach Art. 34 Abs. 1 IVG haben rentenberechtigte verheiratete Personen, die unmittelbar vor ihrer Arbeitsunfähigkeit eine Erwerbstätigkeit ausübten, Anspruch auf eine Zusatzrente für ihren Ehegatten, sofern diesem kein Anspruch auf eine Alters- oder Invalidenrente zusteht. 
Der Eintritt der Arbeitsunfähigkeit gemäss dieser Bestimmung richtet sich nach Art. 29 Abs. 1 lit. b IVG und der dazu ergangenen Rechtsprechung (vgl. AHI 1998 S. 124 Erw. 3c) und fällt daher mit dem Beginn der einjährigen Wartezeit zusammen (Botschaft über die zehnte Revision der Alters- und Hinterlassenenversicherung vom 5. März 1990, BBl 1990 II 110). Der Anspruch auf Zusatzrente für die Ehefrau muss daher verneint werden, wenn zwischen dem Ende der Aktivitätsperiode (oder einer dieser gleichgestellten Periode im Sinne von Art. 30 IVV) und dem Zeitpunkt des Eintritts der Arbeitsunfähigkeit Zeit vergeht (SVR 2001 IV Nr. 36 S. 109 Erw. 1c). 
 
b) Die invalidenversicherungsrechtlich relevante Arbeitsunfähigkeit ist vorliegend am 20. November 1998 eingetreten. Im Anmeldeformular zum Bezug von Leistungen der Invalidenversicherung vom 7. Mai 1999 gab der Versicherte an, zuletzt bis 21. August 1998 erwerbstätig gewesen zu sein. Im individuellen Konto sind Eintragungen bis September 1998 vermerkt. Seither hat er weder eine Erwerbstätigkeit ausgeübt noch Leistungen im Sinne von Art. 30 IVV bezogen. Da er die Erwerbstätigkeit somit unbestrittenermassen über anderthalb Monate vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit aufgegeben hat, ist der Vorinstanz beizupflichten, dass keine unmittelbar vor der Arbeitsunfähigkeit ausgeübte Erwerbstätigkeit im Sinne von Art. 34 Abs. 1 IVG vorliegt. Damit fehlt es an einer der Voraussetzungen für die Zusprechung einer Zusatzrente. Anders entscheiden hiesse die Gesetzesbestimmung über ihren eindeutigen Wortlaut ("unmittelbar vor ihrer Arbeitsunfähigkeit") hinaus interpretieren (vgl. SVR 2001 IV Nr. 36 S. 109), weshalb die Verneinung der Anspruchsberechtigung bei Vorliegen eines Zeitraumes von mehr als anderthalb Monaten zwischen der Ausübung der Erwerbstätigkeit und dem Eintritt der Arbeitsunfähigkeit nicht als überspitzt formalistisch oder rechtsmissbräuchlich erscheint. Daran ändert nichts, dass der Versicherte sich nur deshalb nicht sogleich erneut bei der Arbeitslosenkasse zum Leistungsbezug meldete, weil er hoffte, aus eigener Initiative eine neue Arbeitsstelle zu finden. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
I.Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
 
II.Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
III. Dieses Urteil wird den Parteien, der AHV/IV-Rekurskommission des Kantons Thurgau, der Ausgleichskasse des Kantons Thurgau und dem Bundesamt für Sozialversicherung 
 
 
zugestellt. 
Luzern, 20. März 2002 
 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident Die Gerichts- der II. Kammer: schreiberin: