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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
5P.363/2005 /blb 
 
Urteil vom 20. März 2006 
II. Zivilabteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Raselli, Präsident, 
Bundesrichterin Hohl, Bundesrichter Marazzi, 
Gerichtsschreiber Gysel. 
 
Parteien 
X.________ (Ehefrau), 
Beschwerdeführerin, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Bruno Häfliger, 
 
gegen 
 
Y.________ (Ehemann), 
Beschwerdegegner, 
vertreten durch Rechtsanwältin lic. iur. Regula Suter-Furrer, 
Obergericht (II. Kammer) des Kantons Luzern als Rekursinstanz nach ZPO, Postfach, 6002 Luzern. 
 
Gegenstand 
Eheschutzmassnahmen, 
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid 
des Obergerichts (II. Kammer) des Kantons Luzern 
als Rekursinstanz nach ZPO vom 17. August 2005. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Die Eheleute Y.________ und X.________ leben seit Anfang August 2004 getrennt. Mit Eheschutzentscheid vom 23. Mai 2005 verpflichtete der Amtsgerichtspräsident II von A.________ Y.________, der Ehefrau mit Wirkung ab 2. August 2004 einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von Fr. 3'000.-- zu zahlen. 
Dagegen rekurrierten beide Parteien, X.________ mit dem Antrag, den Unterhaltsbeitrag mit Wirkung ab 1. Oktober 2004 auf monatlich Fr. 7'920.-- zu erhöhen, Y.________ mit dem Begehren, ihn mit Wirkung ab August 2004 auf monatlich Fr. 600.-- herabzusetzen. 
B. 
In teilweiser Gutheissung beider Rekurse entschied das Obergericht (II. Kammer) des Kantons Luzern am 17. August 2005, dass Y.________ mit Wirkung ab 2. August 2004 Unterhaltsbeiträge von monatlich Fr. 2'100.-- bis Dezember 2005 und anschliessend von monatlich Fr. 3'500.-- zu zahlen habe. 
C. 
X.________ führt staatsrechtliche Beschwerde und verlangt, der obergerichtliche Entscheid sei bezüglich der ihr ab Januar 2006 zugesprochenen Unterhaltsbeiträge aufzuheben. 
Sowohl der Beschwerdegegner als auch das Obergericht beantragen, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Das Bundesgericht prüft die Rechtsmittelvoraussetzungen frei und von Amtes wegen, ohne an die Auffassungen der Parteien gebunden zu sein (BGE 131 III 667 E. 1 S. 668 f.; 131 I 266 E. 2 S. 267, mit Hinweisen). 
Der im Eheschutzverfahren ergangene Entscheid der oberen kantonalen Instanz gilt nicht als Endentscheid im Sinne von Art. 48 Abs. 1 OG und ist daher nicht mit Berufung anfechtbar. Hingegen ist in einem solchen Fall die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte gegeben (Art. 84 Abs. 1 lit. a OG; BGE 127 III 474 E. 2 S. 476 ff.). Die vorliegende Beschwerde, die von der im Verfahren vor der letzten kantonalen Instanz (Art. 86 Abs. 1 OG) unterlegenen Partei (Art. 88 OG) rechtzeitig (Art. 89 Abs. 1 OG) eingereicht worden ist, ist daher formell an die Hand zu nehmen. 
2. 
2.1 Im Bereich der Verfassungsbeschwerde gilt der Grundsatz der richterlichen Rechtsanwendung nicht (BGE 125 I 71 E. 1c S. 76). Das Bundesgericht prüft nur gestützt auf (im Sinne von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG) klar und detailliert erhobene und, soweit möglich, belegte Rügen, ob ein kantonaler Entscheid verfassungswidrig ist (BGE 130 I 258 E. 1.3 S. 261 f. mit Hinweisen). Auf appellatorische Kritik, wie sie allenfalls im Rahmen eines Berufungsverfahrens zulässig ist, wird nicht eingetreten (BGE 128 I 295 E. 7a S. 312; 117 Ia 10 E. 4b S. 11 f.). 
2.2 Neue Tatsachenbehauptungen, neue rechtliche Argumente und neue Beweisanträge sind im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde grundsätzlich unstatthaft. Zulässig sind neue Vorbringen rechtlicher oder tatsächlicher Art, zu deren Geltendmachung erst die Begründung des angefochtenen Entscheids Anlass gegeben hat, sowie neue Vorbringen zu Gesichtspunkten, die sich aufdrängen und die deshalb von der kantonalen Instanz offensichtlich hätten berücksichtigt werden müssen. Eine weitere Ausnahme gilt für Vorbringen, die erstmals im Rahmen von Sachverhaltsabklärungen gemäss Art. 95 OG Bedeutung erlangen, und für neue rechtliche Vorbringen in Fällen, da die letzte kantonale Instanz volle Überprüfungsbefugnis besass und das Recht von Amtes wegen anzuwenden hatte (BGE 128 I 354 E. 6c S. 357 mit Hinweisen). 
3. 
Die Beschwerdeführerin bezeichnet den angefochtenen Entscheid in verschiedener Hinsicht als willkürlich. 
3.1 Willkür im Sinne von Art. 9 BV liegt nach ständiger Rechtsprechung nicht schon dann vor, wenn eine andere Lösung als die beanstandete ebenfalls vertretbar erscheint oder gar vorzuziehen wäre. Das Bundesgericht hebt einen kantonalen Entscheid wegen materieller Rechtsverweigerung nur dann auf, wenn er offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder sonst wie in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Die Aufhebung eines kantonalen Entscheids rechtfertigt sich in jedem Fall nur dort, wo nicht nur die Begründung, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist (BGE 132 I 13 E. 5.1 S. 17 mit Hinweisen). 
3.2 
3.2.1 Im Zusammenhang mit dem Bedarf des Beschwerdegegners hat das Obergericht unter anderem berücksichtigt, dass dieser seiner ersten Ehefrau in Abgeltung güterrechtlicher Ansprüche jährlich Fr. 25'000.-- schulde und die Rate, die am 1. Juli 2004 fällig geworden sei, in zweien Malen bezahlt habe. Am 1. Juli 2005 sei die letzte Rate von Fr. 25'000.-- fällig geworden. Es seien dem Beschwerdegegner antragsgemäss Fr. 1'100.-- pro Monat als Rücklage für diese güterrechtlichen Zahlungen beim Notbedarf anzurechnen. 
3.2.2 Das Zugestehen von monatlich Fr. 1'100.-- unter dem Titel güterrechtliche Zahlungen beruht nach Auffassung der Beschwerdeführerin auf einem offensichtlichen Versehen und sei deshalb unhaltbar. Das Obergericht verkenne, dass die letzte Rate von Fr. 25'000.-- am 1. Juli 2005 fällig geworden sei und eine Rücklage ab 1. Januar 2006 deshalb jeglicher Grundlage entbehre. Es sei daher von einem Einkommensüberschuss des Beschwerdegegners von Fr. 9'086.--, statt von Fr. 7'986.-- auszugehen. 
In seiner Vernehmlassung weist der Beschwerdegegner darauf hin, dass er wegen mangelnder Liquidität im Jahre 2004 nicht in der Lage gewesen sei, seiner früheren Ehefrau die ganze damals fällig gewordene Rate von Fr. 25'000.-- zu erbringen. Er habe deshalb den Betrag am 24. August 2004 und am 18. März 2005 in zwei Teilen bezahlt. Im obergerichtlichen Verfahren habe er ausgeführt, er hoffe, auch für die im Jahre 2005 geschuldete Rate eine entsprechende Regelung treffen zu können. 
3.2.3 Den vom Obergericht angerufenen Belegen sind tatsächlich die vom Beschwerdegegner geltend gemachten Zahlungsdaten zu entnehmen. In ihrer Vernehmlassung zur Beschwerde erklärt die kantonale Rekursinstanz sodann auch, dass der am 1. Juli 2005 fällig gewordene Betrag noch nicht bezahlt sei und in Raten beglichen werde. Die Berücksichtigung entsprechender Rücklagen ist daher nicht zu beanstanden. Beizufügen ist, dass dem Bedarf des Beschwerdegegners insofern keine entscheidende Bedeutung zukommt, als die strittigen Unterhaltsbeiträge nicht auf einer hälftigen Teilung des Einkommensüberschusses beruhen, sondern nach dem für die Beschwerdeführerin angemessenen Bedarf festgesetzt worden sind (vgl. nachstehend E. 3.3 und 3.4). 
3.3 
3.3.1 Sodann rügt die Beschwerdeführerin, die kantonale Rekursinstanz sei selbst unter der Annahme, dass dem Beschwerdegegner die erwähnten Rücklagen zuzugestehen seien, in unhaltbarer Weise von der konstanten bundesgerichtlichen Praxis der hälftigen Überschussverteilung abgewichen. Werde von einem (nicht korrigierten) Überschuss von Fr. 7'986.-- ausgegangen, entspreche der ihr zugesprochene Unterhaltsbeitrag von Fr. 3'500.-- bei weitem nicht dessen Halbierung, müsse doch vom Überschuss vorab noch ihr Negativsaldo von Fr. 1'208.-- gedeckt werden. Dem angefochtenen Entscheid sei kein Argument zu entnehmen, das gegen die Erhaltung des auf hohen Ausgaben beruhenden Lebensstandards der Parteien und damit gegen eine Halbierung der Überschussquote sprechen würde. Angesichts der luxuriösen Wohnsituation des Beschwerdegegners müsste ihr sogar eher mehr als die Hälfte des Überschusses zukommen. 
3.3.2 
3.3.2.1 Im angefochtenen Entscheid führt das Obergericht aus, dass während des ehelichen Zusammenlebens das Einkommen der Parteien nicht vollumfänglich für den Lebensunterhalt verwendet, sondern ein Teil davon in das Geschäft des Beschwerdegegners investiert worden sei. Mit dem weiteren Hinweis, das Argument des Amtsgerichtspräsidenten, die Beschwerdeführerin verfüge über mehr Freizeit als der Beschwerdegegner, sei angesichts ihrer Teilzeitbeschäftigung und der ihr obliegenden Arbeitssuche nicht stichhaltig, hält es jedoch dafür, der vom erstinstanzlichen Richter zugesprochene Unterhaltsbeitrag sei ab Januar 2006 zu erhöhen. Um den gebührenden Unterhalt der Beschwerdeführerin zu decken, seien Fr. 3'500.-- im Monat angemessen und ausreichend. 
3.3.2.2 Den Feststellungen des Obergerichts zur Verwendung des Einkommens hält die Beschwerdeführerin unter Berufung auf die vom Beschwerdegegner im erstinstanzlichen Verfahren eingereichte Vernehmlassung vom 11. Oktober 2004 entgegen, die für das Geschäft erworbene Liegenschaft sei fremd finanziert und der Lebensunterhalt deshalb nicht geschmälert worden. Der Einwand ist unbehelflich: An der von der Beschwerdeführerin angerufenen Stelle hatte der Beschwerdegegner nicht etwa von einer vollumfänglichen Fremdfinanzierung gesprochen, sondern erklärt, der Kauf der Liegenschaft sei zum grössten Teil mit fremden Mitteln finanziert worden. Ob der Anteil des Fremdkapitals grösser oder kleiner gewesen ist, ändert an der Richtigkeit der Feststellung, dass der übrige Teil aus dem Geschäftsgewinn finanziert worden sei, nichts. Der Beschwerdegegner weist im Übrigen mit Recht darauf hin, dass er in seiner Stellungnahme vor Amtsgericht ausdrücklich vorgebracht habe, er habe den restlichen Teil der Investitionen aus dem laufenden Geschäftsgewinn finanziert. 
3.4 
3.4.1 Den angefochtenen Entscheid erachtet die Beschwerdeführerin auch im Ergebnis als willkürlich. Sie verweist dabei auf die persönlichen Umstellungen, die sie auf sich genommen habe, um zum Beschwerdegegner in die Schweiz zu ziehen. Ferner erklärt sie, auf dem Arbeitsmarkt nur schwer vermittelbar zu sein, und bringt vor, dass den Beschwerdegegner die Schuld an der Trennung treffe. Abschliessend macht sie geltend, sie habe in der Schweiz die wohlhabende Geschäftsfrau repräsentieren müssen und vermöge nun mit den zugesprochenen Fr. 3'500.-- diesen luxuriösen Lebensstil nicht zu halten. 
3.4.2 Diese Vorbringen sind nicht geeignet, die Feststellung des Obergerichts, die Beschwerdeführerin habe nicht glaubhaft gemacht, dass sie mit einem monatlichen Beitrag des Beschwerdegegners von Fr. 3'500.-- den für sie gebührenden Unterhalt nicht zu decken vermöchte, als willkürlich erscheinen zu lassen. Mit ihren Ausführungen begnügt sich die Beschwerdeführerin damit, aufzuzeigen, dass sie im Stande wäre, mehr auszugeben, als ihr zur Verfügung steht. Sie setzt sich indessen nicht in einer den Anforderungen von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG entsprechenden Form mit der obergerichtlichen Auffassung auseinander, der Lebensstandard, den sie sich mit monatlichen Einkünften von insgesamt über Fr. 6'000.-- leisten könne, sei ihren Verhältnissen angemessen. Insoweit ist auf die Beschwerde daher nicht einzutreten. 
4. 
Nach dem Gesagten ist die staatsrechtliche Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Die Gerichtsgebühr ist ausgangsgemäss der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG). Diese ist ausserdem zu verpflichten, den Beschwerdegegner für seine Umtriebe im bundesgerichtlichen Verfahren zu entschädigen (Art. 159 Abs. 2 OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'500.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt. 
3. 
Die Beschwerdeführerin wird verpflichtet, den Beschwerdegegner für seine Umtriebe im bundesgerichtlichen Verfahren mit Fr. 2'500.-- zu entschädigen. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht (II. Kammer) des Kantons Luzern als Rekursinstanz nach ZPO schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 20. März 2006 
Im Namen der II. Zivilabteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: