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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
5A_44/2012 
 
Urteil vom 20. März 2012 
II. zivilrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichterin Hohl, Präsidentin, 
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Marazzi, 
Gerichtsschreiber Bettler. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
Obergericht des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, Hirschengraben 13/15, Postfach 2401, 8021 Zürich, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Unentgeltliche Rechtspflege (Ehescheidung), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, vom 13. Dezember 2011. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
X.________ (geb. 1969) und Z.________ (geb. 1969) heirateten im August 1997. Sie wurden Eltern eines Sohnes (geb. 1999). Seit Mitte Mai 2005 leben die Ehegatten getrennt. Die Folgen des Getrenntlebens mussten gerichtlich geregelt werden. 
Am 17. August 2010 (Begehren um Durchführung des Sühneverfahrens vom 16. April 2010) reichte die Ehefrau beim Bezirksgericht Horgen eine Scheidungsklage ein. Mit Verfügung vom 14. Juni 2011 gewährte das Bezirksgericht der Ehefrau die unentgeltliche Rechtspflege und bestellte ihr einen unentgeltlichen Rechtsbeistand. Am 27. September 2011 erging das Scheidungsurteil. 
Gegen das bezirksgerichtliche Scheidungsurteil erhob X.________ am 3. November 2011 Berufung an das Obergericht des Kantons Zürich. 
 
B. 
In der Berufungsschrift vom 3. November 2011 ersuchte X.________ ebenfalls um unentgeltliche Rechtspflege für das Berufungsverfahren. Auf entsprechende Aufforderung des Obergerichts hin reichte sie am 3. Dezember 2011 diverse Unterlagen zu ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen nach. 
Mit Beschluss vom 13. Dezember 2011 wies das Obergericht das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege mangels Bedürftigkeit ab (Ziff. 1 des Beschlusses) und ordnete das weitere Verfahren (Frist zur Berufungsantwort, Bezeichnung des Referenten: Ziff. 2-4 des Beschlusses). 
 
C. 
Dem Bundesgericht beantragt X.________ (nachfolgend Beschwerdeführerin) mit Beschwerde in Zivilsachen vom 14. Januar 2012, die Ziff. 1 des obergerichtlichen Beschlusses vom 13. Dezember 2011 sei aufzuheben und es sei ihr für das Berufungsverfahren die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren. Zudem ersucht sie für das bundesgerichtliche Verfahren um unentgeltliche Rechtspflege. 
Das Bundesgericht hat die Vorakten, hingegen keine Vernehmlassungen eingeholt. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Angefochten ist der Entscheid des Obergerichts, das kantonal letztinstanzlich das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das Berufungsverfahren abgewiesen hat (Art. 75 BGG; vgl. zum Erfordernis der double instance: BGE 137 III 424 E. 2.2 S. 426). 
Beim angefochtenen Entscheid handelt es sich um einen Zwischenentscheid, der einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG; BGE 129 I 129 E. 1.1 S. 131). Bei Zwischenentscheiden folgt der Rechtsweg demjenigen der Hauptsache (BGE 137 III 380 E. 1.1 S. 382). In der Hauptsache geht es um ein Scheidungsverfahren und damit eine Zivilsache (Art. 72 Abs. 1 BGG), in der das Obergericht auch nicht vermögensrechtliche Fragen zu beurteilen hat, so dass keine vermögensrechtliche Angelegenheit vorliegt (Art. 74 Abs. 1 BGG; Urteil 5A_311/2010 vom 3. Februar 2011 E. 1.1, nicht publ. in: BGE 137 III 118). Die Beschwerde in Zivilsachen ist in der Hauptsache zulässig und kann auch gegen den vorliegenden Zwischenentscheid ergriffen werden. 
 
2. 
2.1 Das Bezirksgericht hat das Scheidungsurteil am 5. Oktober 2011 versandt (BGE 137 III 130 E. 2 S. 131 f.; 137 III 127 E. 2 S. 129 f.). Gemäss Art. 405 Abs. 1 ZPO gilt für das Rechtsmittel sowie für das Rechtsmittelverfahren (und damit auch für das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das Rechtsmittelverfahren) die Schweizerische Zivilprozessordnung (Art. 405 Abs. 1 ZPO; Urteil 5A_405/2011 vom 27. September 2011 E. 4.1.1 und 5.2, nicht publ. in: BGE 137 III 470). Das Obergericht hat demnach das Gesuch der Beschwerdeführerin zutreffend nach Art. 117 ff. ZPO beurteilt. 
 
2.2 Nach Art. 117 ZPO hat eine Person Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn sie nicht über die erforderlichen Mittel verfügt (lit. a) und ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint (lit. b). 
Das Obergericht hat das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege der Beschwerdeführerin abgewiesen, weil sie nicht mittellos sei. 
 
2.3 Ob die Kriterien zur Bestimmung der Mittellosigkeit zutreffend gewählt wurden, ist Rechtsfrage. Demgegenüber handelt es sich um eine Tatfrage, wenn es um die Höhe einzelner Aufwendungen oder Einnahmen geht (BGE 135 I 221 E. 5.1 S. 223; 120 Ia 179 E. 3a S. 181). 
 
2.4 Das Obergericht hat den finanziellen Verpflichtungen der Beschwerdeführerin und ihres Sohnes von Fr. 4'193.-- pro Monat ein Monatseinkommen (inkl. Bonus) von rund Fr. 5'000.-- gegenübergestellt. Es ist so zu einem monatlichen Überschuss von rund Fr. 800.-- gelangt, wovon es einen Notgroschen von monatlich Fr. 600.-- ("nach Praxis der Kammer bei einer Partei mit einem Kind") abgezogen hat. Das Obergericht hat den verbleibenden Überschuss von Fr. 200.-- pro Monat als ausreichend erachtet, um die Kosten des "nicht aufwendig erscheinenden Verfahrens" innerhalb von zwei Jahren zu bezahlen, was praxisgemäss die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ausschliesse (vgl. zu der vom Obergericht angegebenen "Praxis" differenzierend: BGE 135 I 221 E. 5.1 S. 224). Das Obergericht hat folglich die Mittellosigkeit der Beschwerdeführerin verneint. 
 
3. 
3.1 Die Beschwerde ist zu begründen (Art. 42 Abs. 2 BGG). Es ist in gedrängter Form durch Auseinandersetzung mit den Erwägungen des angefochtenen Entscheids darzulegen, welche Vorschriften und warum sie von der Vorinstanz verletzt worden sein sollen. Allgemein gehaltene Einwände, die ohne aufgezeigten oder erkennbaren Zusammenhang mit bestimmten Entscheidungsgründen vorgebracht werden, genügen nicht, da das Bundesgericht nicht gehalten ist, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu untersuchen (BGE 137 III 580 E. 1.3 S. 584; 134 V 53 E. 3.3 S. 60). 
 
Die Verletzung von Grundrechten prüft das Bundesgericht nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und gehörig begründet wird (Art. 106 Abs. 2 BGG). Die Beschwerdeführerin muss präzise angeben, welches verfassungsmässige Recht verletzt wurde und substanziiert anhand der Erwägungen des angefochtenen Entscheids darlegen, worin die Verletzung besteht. Das Bundesgericht prüft nur ausdrücklich vorgebrachte, klar und detailliert erhobene sowie, soweit möglich, belegte Rügen (BGE 137 II 305 E. 3.3 S. 310 f.; 134 II 244 E. 2.2 S. 246). 
 
3.2 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Wird eine Sachverhaltsfeststellung beanstandet, muss in der Beschwerdeschrift dargelegt werden, inwiefern diese Feststellung offensichtlich unrichtig und damit willkürlich (BGE 137 III 226 E. 4.2 S. 234) oder durch eine andere Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG (beispielsweise Art. 29 Abs. 2 BV oder Art. 8 ZGB) zustande gekommen ist und inwiefern die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG). Auf rein appellatorische Kritik am Sachverhalt tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 137 II 353 E. 5.1 S. 356; 135 II 313 E. 5.2.2 S. 322). 
Die Sachverhaltsfeststellung beziehungsweise Beweiswürdigung erweist sich als willkürlich, wenn das Gericht Sinn und Tragweite eines Beweismittels offensichtlich verkannt hat, wenn es ohne sachlichen Grund ein wichtiges und entscheidwesentliches Beweismittel unberücksichtigt gelassen oder wenn es auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen unhaltbare Schlussfolgerungen gezogen hat (BGE 137 III 226 E. 4.2 S. 234). 
 
3.3 Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG). Neu sind Tatsachen, die weder im vorangegangenen Verfahren vorgebracht noch von der Vorinstanz festgestellt wurden. Eine Tatsache, die sich aus den vorinstanzlichen Akten ergibt, ist nicht neu (BGE 136 V 362 E. 3.3.1 S. 364 f.). 
Die Beschwerdeführerin stützt ihre Beschwerde über weite Strecken auf Tatsachen (und entsprechende Beweismittel), die bereits anlässlich des kantonsgerichtlichen Verfahrens Bestand hatten, aber nicht vorgebracht wurden (BGE 136 III 123 E. 4.4.3 S. 128 f.), oder erst nach dem angefochtenen Entscheid entstanden sind und den angefochtenen Entscheid in der Sache betreffen (BGE 135 I 221 E. 5.2.4 S. 229). Diese sind unzulässig und unbeachtlich. 
Immerhin ist die Beschwerdeführerin darauf hinzuweisen, dass sie (vor dem Obergericht) jederzeit ein neues Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege stellen kann, wenn sich ihre Verhältnisse - wie von ihr vor Bundesgericht behauptet - seit dem vorliegend angefochtenen Entscheid verändert haben sollten (vgl. Urteil 5A_405/2011 vom 27. September 2011 E. 4.5.4, nicht publ. in: BGE 137 III 470). 
 
4. 
4.1 Die Beschwerdeführerin beanstandet einzelne Ausgabenpositionen und das vom Obergericht berücksichtigte Einkommen. Darauf ist nachfolgend im Einzelnen einzugehen: 
 
4.2 
4.2.1 Das Obergericht berücksichtigte die von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Schulden nicht, da sie nicht dargelegt habe, dass diese von ihr auch tatsächlich abbezahlt würden. 
 
4.2.2 Soweit sich die Beschwerdeführerin nicht zur beanstandeten Tatsachenfeststellung des Obergerichts (kein Nachweis der tatsächlichen Rückzahlung) äussert, sondern sich in appellatorischer Kritik übt (betreffend Steuerschulden und Schulden gegenüber ihrer Mutter), kann auf die Beschwerde von vornherein nicht eingetreten werden. 
Die Beschwerdeführerin zeigt sodann nicht rechtsgenüglich auf, inwiefern sich die obergerichtliche Tatsachenfeststellung wie von ihr behauptet als willkürlich erweisen soll. Dies hätte vielmehr vorausgesetzt, dass sie mit Aktenhinweisen darlegt, dass sie bereits vor Obergericht die Abzahlung der Schulden prozesskonform eingebracht hat. Reicht sie entsprechende Belege erstmals vor dem Bundesgericht ein, sind diese neu und unzulässig (Art. 99 Abs. 1 BGG und E. 3.3 oben; vgl. BGE 115 II 484 E. 2a S. 485 f.). 
Auf diese Rüge ist demnach nicht einzutreten (vgl. E. 3.2 oben). 
 
4.3 Die Beschwerdeführerin wendet sich sodann gegen die Höhe der vom Obergericht berücksichtigten Ausgaben für den Arbeitsweg, für die Betreuung des Sohnes, für die Krankenkassen und den Internetanschluss. 
Abgesehen davon, dass die Beschwerdeführerin eine Auseinandersetzung mit den obergerichtlichen Feststellungen zur Höhe dieser Ausgabenpositionen vermissen lässt und sich mit der Darlegung der eigenen Sicht der Dinge begnügt, stützt sie sich dabei ausschliesslich auf Tatsachen (und entsprechende Beweismittel), die erst nach dem angefochtenen Entscheid entstanden sind (Schulwechsel des Sohnes und dadurch erhöhe Betreuungskosten; Krankenkassenprämie für das Jahr 2012; Internetanschluss; Beilagen 2 - 6) oder die bereits anlässlich des obergerichtlichen Verfahrens Bestand hatten, aber nicht vorgebracht wurden (Beilage 4; Kosten für das Essen und die Betreuung des Sohnes am Mittag in der Schule). Darauf ist nicht einzutreten (vgl. E. 3.3 oben). 
4.4 
4.4.1 Das Obergericht hat neben dem Nettoeinkommen der Beschwerdeführerin von Fr. 4'017.-- pro Monat auch berücksichtigt, dass sie zusätzlich einen variablen Jahresbonus erhält. Dieser habe in den Vorjahren durchschnittlich Fr. 12'500.-- betragen (Fr. 16'000.-- im Jahr 2008; Fr. 9'500.-- im Jahr 2009; Fr. 12'000.-- im Jahr 2010). Da auch zukünftig davon ausgegangen werden könne, dass die Beschwerdeführerin einen Bonus erhalte, hat es diesen Durchschnittswert berücksichtigt und ist so zu einem Gesamtnettoeinkommen von rund Fr. 5'000.-- pro Monat gelangt. 
 
4.4.2 Die Beschwerdeführerin macht geltend, sie habe vor Obergericht mittels einer Bestätigung des Arbeitgebers dargelegt, dass dieser Bonus variabel sei und demnach in einem schlechteren Jahr auch entfallen könne. Wenn das Obergericht ihr trotzdem einen Bonus von durchschnittlich Fr. 12'500.-- anrechne, sei dies "pure Spekulation und nicht rechtens". 
4.4.3 Zurecht beanstandet die Beschwerdeführerin in rechtlicher Hinsicht nicht, dass auch Boni (wie Gratifikationen) als Einkommensbestandteile zu berücksichtigen sind (statt vieler: TAPPY, in: Code de procédure civile commenté, 2011, N. 23 zu Art. 117 ZPO; EMMEL, in: Sutter-Somm und andere [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, 2010, N. 6 zu Art. 117 ZPO). 
Sodann kann offen gelassen werden, ob sie den Anforderungen an eine Sachverhaltsrüge (vgl. E. 3.2 oben) zu genügen vermag, da sich ihre Rüge als unbegründet erweist: Was die tatsächliche Höhe unregelmässiger Einkünfte betrifft, ist von Durchschnittswerten auszugehen (TAPPY, a.a.O., N. 23 zu Art. 117 ZPO; CORBOZ, in: Commentaire de la LTF, 2009, N. 23 zu Art. 64 BGG; RIES, Die unentgeltliche Rechtspflege nach der aargauischen Zivilprozessordnung, 1990, S. 73 f.). Das Obergericht ist davon ausgegangen, dass die Beschwerdeführerin auch zukünftig einen Bonus erhalten wird und hat für dessen Höhe auf den Durchschnitt der letzten drei Jahre abgestellt. Dies ist nicht zu beanstanden. 
 
5. 
Aus den dargelegten Gründen muss die Beschwerde abgewiesen werden, soweit darauf einzutreten ist. Die Beschwerdeführerin wird kosten-, nicht hingegen entschädigungspflichtig (Art. 66 und Art. 68 BGG). Ihrem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren kann nicht entsprochen werden, zeigen doch die vorstehenden Erwägungen auf, dass ihre Beschwerde von Beginn weg keinen Erfolg haben konnte (Art. 64 Abs. 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2. 
Das Gesuch der Beschwerdeführerin um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren wird abgewiesen. 
 
3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 300.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 20. März 2012 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Hohl 
 
Der Gerichtsschreiber: Bettler