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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
6B_760/2011 
 
Urteil vom 20. März 2012 
Strafrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Mathys, Präsident, 
Bundesrichter Schneider, Denys, 
Gerichtsschreiber Borner. 
 
Verfahrensbeteiligte 
G.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Dayana Berényi Kamm, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau, 
Frey-Herosé-Strasse 12, Wielandhaus, 5001 Aarau, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Gehilfenschaft zu versuchtem Raub; Willkür, Grundsatz in dubio pro reo, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Strafgericht, 1. Kammer, vom 15. September 2011. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Das Obergericht des Kantons Aargau verurteilte G.________ am 15. September 2011 zweitinstanzlich wegen Gehilfenschaft zu versuchtem Raub, falschen Alarms und geringfügiger Sachbeschädigung zu einer bedingten Geldstrafe von 180 Tagen zu Fr. 50.--. 
 
B. 
G.________ führt Beschwerde in Strafsachen und beantragt, das angefochtene Urteil sei aufzuheben, und er sei vom Vorwurf der Gehilfenschaft zu versuchtem Raub freizusprechen. 
 
Die Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau und das Obergericht haben auf eine Vernehmlassung verzichtet (act. 11 f.). 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Das Bezirksgericht Aarau gelangte zur Überzeugung, der Beschwerdeführer habe dem Haupttäter ein Messer und einen Pfefferspray zur Verfügung gestellt. Die Aussagen des Haupttäters seien glaubhaft, weil er die Übergabe der Gegenstände sehr detailliert umschrieben habe. Eine gegenteilige Darstellung der Geschehnisse habe der Beschwerdeführer nicht glaubwürdig erbringen können. Des weiteren habe er bezüglich der Überwachungskameras beim Erotiksalon Tipps gegeben, was der Haupttäter und sein Komplize ausgesagt hätten. Zudem sei ihm ein Beuteanteil von 20 % zugesichert worden (Urteil vom 15. Dezember 2010, S. 7 Ziff. 2.3.3). 
 
Die Vorinstanz führt die Schilderung des Haupttäters an, wonach er selbst das Messer aus dem Messerblock und den Pfefferspray aus der dunkelblauen Jacke des Beschwerdeführers genommen habe, nachdem dieser ihm gesagt habe, wo sich der Pfefferspray befinde. Diese Schilderung stelle ein Realkriterium dar, das auf die Glaubhaftigkeit der Aussage schliessen lasse. Insbesondere habe er sich mit seinen Aussagen auch selbst belastet, was ebenfalls für die Glaubhaftigkeit der Aussagen spreche. Zudem sei kein Grund ersichtlich, weshalb er den Beschwerdeführer falsch hätte beschuldigen sollen. Somit bestünden für die Vorinstanz keine erheblichen Zweifel an der erstinstanzlichen Beweislage (angefochtener Entscheid S. 8 Ziff. 3.3.1.2). 
 
2. 
Der Beschwerdeführer macht willkürliche Beweiswürdigung (in dubio pro reo) geltend. Die Vorinstanz habe verschiedene Fakten, die ihn entlasten würden, offensichtlich nicht oder zu wenig gewürdigt. 
 
2.1 Er widerlegt zutreffend die vorinstanzliche Annahme, der Haupttäter habe sich durch die Aussage, er habe das Messer aus dem Messerblock und den Pfefferspray aus der dunkelblauen Jacke behändigt, selbst belastet. Als ihn die Polizei nach den Raubversuchen anhielt, trug er die beiden Gegenstände auf sich. Hätte er zugegeben, die Waffen ohne Kenntnis des Beschwerdeführers behändigt zu haben, hätte er weitere Straftaten eingestanden und sich selbst belastet. Mit seiner Aussage, die Gegenstände mit dem Einverständnis des Beschwerdeführers mitgenommen zu haben, belastete er somit diesen und entlastete gleichzeitig sich selbst. Folglich hätte die Vorinstanz diese Äusserung nicht heranziehen dürfen, um die Aussagen des Haupttäters als glaubhaft zu beurteilen. 
 
Als weitere Folge erweist sich die vorinstanzliche Feststellung als haltlos, es sei kein Grund ersichtlich, weshalb der Haupttäter den Beschwerdeführer falsch hätte beschuldigen sollen. Allenfalls wollte er sich damit selbst entlasten. 
 
Angesichts dieser willkürlichen Feststellungen ist der angefochtene Entscheid aufzuheben. 
 
2.2 Die Vorinstanz erachtete den erstinstanzlichen Sachverhalt als erwiesen. Danach hatte auch der Komplize des Haupttäters ausgesagt, der Beschwerdeführer habe bezüglich der Überwachungskameras beim Erotiksalon Tipps gegeben. Demgegenüber legt der Beschwerdeführer dar, er werde einzig vom Haupttäter belastet (Berufung, S. 5 Ziff. 4 und Beschwerdeschrift S. 3 Ziff. 2). 
 
Insoweit hätte der Beschwerdeführer eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Begründungspflicht) rügen müssen. Da der angefochtene Entscheid ohnehin aufzuheben ist (E. 2.1), wird die Vorinstanz dieser Frage bei der Neubeurteilung nachgehen können. 
 
2.3 Dasselbe gilt hinsichtlich der Beuteaufteilung. Bereits in der Berufung (S. 4 f. Ziff. 3) hatte der Beschwerdeführer auf die widersprüchlichen Aussagen des Haupttäters hingewiesen. Am 13. Februar 2010 sagte dieser aus, der Komplize hätte 15 % und der Beschwerdeführer 20 % des Deliktsguts erhalten sollen. In einem Videoclip auf dem Mobiltelefon des Komplizen versprach der Haupttäter diesem kurz vor den Raubversuchen einen Beuteanteil von 50 %. Im neuen Entscheid wird sich die Vorinstanz dazu äussern, ob und inwiefern dies Rückschlüsse auf die Glaubhaftigkeit der Aussagen des Haupttäters zulässt. 
 
3. 
Der angefochtene Entscheid ist aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Kosten sind keine zu erheben und der Beschwerdeführer ist angemessen zu entschädigen (Art. 66 Abs. 4 und Art. 68 Abs. 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau vom 15. September 2011 aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen. 
 
2. 
Es werden keine Kosten erhoben. 
 
3. 
Der Kanton Aargau hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 3'000.-- zu entschädigen. 
 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Strafgericht, 1. Kammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 20. März 2012 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Mathys 
 
Der Gerichtsschreiber: Borner