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«AZA» 
U 221/99 Vr 
 
IV. Kammer 
Bundesrichter Borella, Rüedi und Bundesrichterin Leuzinger; Gerichtsschreiber Grünvogel 
 
 
Urteil vom 20. April 2000 
 
in Sachen 
S.________, 1949, Beschwerdeführerin, vertreten durch die Beratungsstelle X.________, 
 
gegen 
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt, Luzern, Beschwerdegegnerin, 
und 
Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Bern 
 
 
A.- Die 1949 geborene S.________ arbeitete bei der Firma Y.________ AG und war damit bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) gegen Unfall und Berufskrankheit versichert. Am 14. Juli 1994 stürzte sie beim Radfahren auf die rechte Schulter. Diese hatte sie sich bereits 1986 bei einem bei der SUVA versicherten Unfall verletzt. Nach fünf Tagen konnte sie ihre Arbeit wieder vollständig aufnehmen. Am 6. Februar 1995 suchte sie den Hausarzt Dr. K.________ wegen Schmerzen in der rechten Schulter auf. Es folgten mehrere Untersuchungen sowie eine in der Orthopädischen Klinik des Spitals Z.________ am 15. August 1995 durchgeführte Schultergelenksarthroskopie mit AC-Gelenksresektion und Acromioplastik sowie einem Rotatorenintervallverschluss an der rechten Schulter. Trotz zum Teil intensiver Therapie, u.a. auch in der anstaltseigenen Rehabilitationsklinik (vom 8. bis 31. Mai 1996) kam es zu einer Einsteifung der rechten Schulter bei starken Beschwerden. In der Folge prüfte die SUVA, welche die gesetzlichen Leistungen erbracht hatte, die Renten- und Integritätsentschädigungsfrage. Zu diesem Zweck liess sie S.________ u.a. durch den Kreisarzt-Stellvertreter Dr. L.________ am 1. November 1996 untersuchen. Nachdem die von der Invalidenversicherung in Auftrag gegebene Expertise des Zentrums für Medizinische Begutachtung (ZMB) vom 12. November 1997 der Anstalt zur Kenntnis gebracht worden war, sprach diese S.________ mit Wirkung ab 1. Juli 1997 eine Rente auf Grund einer unfallbedingten Erwerbsunfähigkeit von 25 % sowie eine Integritätsentschädigung auf der Basis einer Integritätseinbusse von 25 % zu (Verfügung vom 11. Dezember 1997). Auf Einsprache hin, mit welcher S.________ einen Bericht des Orthopäden Dr. D.________ vom 12. Mai 1997 beibrachte, hielt die Anstalt mit Entscheid vom 7. Juli 1998 an ihrem Standpunkt fest. 
 
B.- Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Entscheid vom 19. Mai 1999 ab. 
 
C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt S.________ beantragen, der vorinstanzliche Entscheid sowie der Einspracheentscheid vom 7. Juli 1998 seien aufzuheben und es seien ihr eine Rente auf der Basis einer Erwerbsunfähigkeit von 70 % sowie eine Integritätsentschädigung auf der Grundlage einer Integritätseinbusse von 40 % zuzusprechen. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- a) Das Recht, angehört zu werden, ist formeller Natur. Die Verletzung des rechtlichen Gehörs führt ungeachtet der Erfolgsaussichten der Beschwerde in der Sache selbst zur Aufhebung der angefochtenen Verfügung. Es kommt mit anderen Worten nicht darauf an, ob die Anhörung im konkreten Fall für den Ausgang der materiellen Streitentscheidung von Bedeutung ist, d.h. die Behörde zu einer Änderung ihres Entscheides veranlasst wird oder nicht (BGE 124 V 183 Erw. 4a mit Hinweisen). Das Gericht kann die Frage einer allfälligen Verletzung des Gehörsanspruchs nicht nur auf Grund von Parteivorbringen, sondern auch von Amtes wegen prüfen. Anlass zur Aufhebung eines Entscheides von Amtes wegen geben indessen nur Verletzungen wesentlicher Verfahrensvorschriften (BGE 120 V 362 Erw. 2a mit Hinweisen; RKUV 1996 Nr. U 265 S. 292 Erw. 2c). Dagegen gilt eine - nicht besonders schwerwiegende - Verletzung des rechtlichen Gehörs als geheilt, wenn die betroffene Person die Möglichkeit erhielt oder erhält, sich vor einer Beschwerdeinstanz zu äussern, die sowohl den Sachverhalt wie die Rechtslage frei überprüfen kann. Die Heilung eines - allfälligen - Mangels soll aber die Ausnahme bleiben (BGE 125 V 371 Erw. 4c/aa, 124 V 183 Erw. 4a mit Hinweisen). 
 
b) Zum rechtlichen Gehör gehört insbesondere das Recht, an der Erhebung wesentlicher Tatsachen mitzuwirken oder sich zumindest zum Beweisergebnis zu äussern, wenn dieses geeignet ist, den Entscheid zu beeinflussen (BGE 125 V 335 Erw. 3b, 124 V 181 Erw. 1a, je mit Hinweisen). Daraus hat das Eidgenössische Versicherungsgericht abgeleitet, dass die SUVA beim Beizug von Gutachten, die von dritter Seite in Auftrag gegeben wurden, der versicherten Person die Möglichkeit bieten muss, sich nachträglich zur Expertise wie auch zur Person des Sachverständigen zu äussern und gegebenenfalls Ergänzungsfragen zu stellen. Im Rahmen der umfassenden, freien Beweiswürdigung ist sodann das Beweismaterial zu gewichten, wobei dazu auch gehört, zu Zweifeln am materiellen Gehalt eines Gutachtens Stellung zu nehmen (BGE 125 V 337 Erw. 4b; vgl. auch BGE 120 V 362 Erw. 1c in fine). 
 
c) Wird eine von dritter Stelle in Auftrag gegebene Expertise im Verwaltungsverfahren zur alleinigen Entscheidungsgrundlage sowie vom kantonalen Gericht zu einem wesentlichen Punkt der Beurteilung gemacht und ist das Gutachten somit in überwiegender Weise von streitentscheidender Bedeutung, so kann die Verletzung der in Erw. 1b hievor aufgezeigten Gehörs- und Mitwirkungsrechte nicht dadurch wieder gutgemacht werden, dass die betroffene Person sich nachträglich im Einsprache- oder Beschwerdeverfahren zum Inhalt der Gutachten äussern kann. Vielmehr ist darin eine schwere, die Heilung des Verfahrensmangels ausschliessende Gehörsverletzung zu erblicken (vgl. RKUV 1999 Nr. U 350 S. 481 Erw. 3b/bb, wo die Verletzung der in Art. 60 Abs. 1 BZP verankerten Gehörs- und Mitwirkungsrechte im Verwaltungsverfahren als unheilbar bezeichnet wurde). 
 
2.- a) Vorliegend wurde die Beschwerdeführerin seit dem Unfall vom 14. Juli 1994 von verschiedenen Ärzten abgeklärt und behandelt. Im Hinblick auf den Fallabschluss wartete die SUVA das von der IV-Stelle beim ZMB in Auftrag gegebene polydisziplinäre Gutachten vom 12. November 1997 ab, gestützt auf welches die Anstalt die Rentenfrage beurteilte und am 11. Dezember 1997 die dem Anfechtungsverfahren zu Grunde liegende Verfügung erliess. Dabei hat sie der Beschwerdeführerin sämtliche beim Beizug eines externen Gutachtens zu beachtenden Rechte vorenthalten. So wurde ihr weder eine Abschrift des Gutachtens zugestellt, noch die Gelegenheit gegeben, sich zum Gutachten wie auch zur Person des Sachverständigen nachträglich zu äussern, geschweige denn Ergänzungen zur Expertise zu beantragen, ehe diese für die Rentenfestsetzung zur alleinigen Entscheidungsgrundlage und zu einem wesentlichen Punkt der Verfügung gemacht wurde. Damit liegt eine schwerwiegende Verletzung der garantierten Gehörs- und Mitwirkungsrechte bzw. ein schwerwiegender Verfahrensmangel vor, bei dem eine Heilungsmöglichkeit im anschliessenden Rechtsmittelverfahren entfällt. 
 
b) Da das Gutachten des ZMB vom 12. November 1997 in einem mit unheilbaren Mängeln behafteten Verfahren bei der Festsetzung des Invaliditätsgrades Berücksichtigung fand, ist die Sache - soweit die Rentenfrage betreffend - an die Anstalt zurückzuweisen, damit sie der Beschwerdeführerin die garantierten Mitwirkungsrechte (Erw. 1b) gewährt und anschliessend neu verfügt. Dabei wird die SUVA berücksichtigen, dass die Versicherte bereits im Einspracheverfahren auf die Expertise des Orthopäden Dr. D.________ vom 12. Mai 1997 verwiesen hat, welche den ZMB-Ärzten, soweit aktenmässig erkennbar, nicht zur Verfügung gestanden hat. 
Soweit die SUVA im angefochten Einspracheentscheid die von den ZMB-Ärzten diagnostizierten psychogenen Störungen als unfallfremd bezeichnet hat, ist dies nicht zu beanstanden. Denn die nach der Rechtsprechung für die Rechtsfrage der Adäquanz psychischer Unfallfolgen massgebenden Voraussetzungen (BGE 115 V 135 Erw. 4 - 7) sind in Übereinstimmung mit der Vorinstanz beim als banal einzustufenden Unfall nicht gegeben. 
 
3.- Hinsichtlich der Integritätsentschädigung haben SUVA und Vorinstanz auf die Einschätzung des KreisarztStellvertreters Dr. L.________ vom 1. November 1996 verwiesen, was nicht zu beanstanden ist. Die Beschwerdeführerin bringt keine triftigen Gründe vor, welche eine abweichende Ermessensausübung als nahe liegender erscheinen liessen (Art. 132 lit. a OG: vgl. zur Ermessenskontrolle BGE 114 V 316 Erw. 5a mit Hinweisen). 
 
4.- Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG). Dem Prozessausgang entsprechend hat die Beschwerdeführerin Anspruch auf eine reduzierte Parteientschädigung (Art. 135 in Verbindung mit Art. 159 Abs. 3 OG). 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne 
teilweise gutgeheissen, dass der Entscheid des Verwal- 
tungsgerichts des Kantons Bern vom 19. Mai 1999 und 
der Einspracheentscheid der SUVA vom 7. Juli 1998 so- 
weit aufgehoben werden, als sie die Invalidenrente zum 
Gegenstand haben, und die Sache an die SUVA zurückge- 
wiesen wird, damit sie im Sinne der Erwägungen verfah- 
re und über diesen Leistungsanspruch neu verfüge. 
 
II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
III. Die SUVA hat der Beschwerdeführerin für das Verfahren 
vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Par- 
teientschädigung von Fr. 500.- (einschliesslich Mehr- 
wertsteuer) zu bezahlen. 
 
IV. Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern wird über eine 
Parteientschädigung für das kantonale Verfahren ent- 
sprechend dem Ausgang des letztinstanzlichen Prozesses 
zu befinden haben. 
 
V. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsge- 
richt des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche 
Abteilung, und dem Bundesamt für Sozialversicherung 
zugestellt. 
Luzern, 20. April 2000 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der IV. Kammer: 
 
 
 
 
Der Gerichtsschreiber: