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[AZA 7] 
I 611/99 Gb 
 
III. Kammer 
 
Bundesrichter Schön, Spira und Bundesrichterin Widmer; 
Gerichtsschreiber Hadorn 
 
Urteil vom 20. Juni 2000 
 
in Sachen 
 
Bundesamt für Sozialversicherung, Effingerstrasse 20, Bern, 
Beschwerdeführer, 
gegen 
 
Y.________, 1947, Beschwerdegegnerin, vertreten durch die AMB Analysen Menschenrechtsberatung, Müllheimerstrasse 53a, Basel, 
 
und 
 
Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft, Liestal 
 
A.- Y.________ (geb. 1947) erhält seit dem 21. Juli 1997 berufliche Eingliederungsmassnahmen und bezieht Taggelder der Invalidenversicherung. Mit Abrechnung vom 2. April 1998 gewährte ihr die Ausgleichskasse der Migros- Betriebe für die Zeit vom 1. bis 17. März 1998 Taggelder zu je Fr. 96.-. 
 
B.- Die dagegen gerichtete Beschwerde hiess das Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft mit Entscheid vom 13. September 1999 gut. Es sprach Y.________ für den Monat März 1998 zusätzliche 13 Taggelder zu. 
 
C.- Das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, der kantonale Entscheid sei aufzuheben. 
Während die Ausgleichskasse dem BSV beipflichtet, ohne eine materielle Stellungnahme einzureichen, lässt Y.________ auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen und zusätzlich beantragen, die Migros habe ihr angemessenen Schadenersatz zu leisten. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- Vorliegend ist einzig der Taggeldanspruch der Versicherten zu prüfen. Auf deren Begehren um Schadenersatz zu Lasten der Migros-Betriebe kann aus zwei Gründen nicht eingetreten werden. Einerseits ist das Eidgenössische Versicherungsgericht für Haftpflichtfragen sachlich nicht zuständig. Anderseits kennt das verwaltungsgerichtliche Verfahren das Institut der Anschlussbeschwerde nicht (BGE 114 V 245 Erw. 4 mit Hinweisen). Deshalb ist es der Versicherten, die den kantonalen Entscheid nicht mit einer eigenen Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten hat, prozessual nicht gestattet, in der Vernehmlassung selbständige Rechtsbegehren zu stellen, die über den durch die Verwaltungsgerichtsbeschwerde des BSV bestimmten Streitgegenstand (BGE 110 V 51 Erw. 3b und c) hinausgehen. 
 
2.- Die Versicherte bezieht berufliche Massnahmen und Taggelder der Invalidenversicherung. Vom 26. Februar bis 31. März 1998 war sie krankheitshalber voll arbeitsunfähig. Die Ausgleichskasse gewährte ihr für die ersten 3 Wochen der Krankheitsperiode Taggelder, letztmals für den 17. März 1998 (mit Abrechnung vom 5. Mai 1998 überwies sie zusätzlich ein Taggeld für den 18. März 1998 und nahm die regelmässigen Taggeldzahlungen ab 1. April 1998 wieder auf). Die Beschwerdegegnerin wendete vor der Vorinstanz hiegegen ein, vom 28. Februar bis 15. März 1998 seien Schulferien gewesen. Während der Ferien bestehe ohnehin Anspruch auf Taggelder. Daher sei irrelevant, dass sie in diesen 2 Wochen zugleich krank gewesen sei. Die auf 3 Wochen beschränkte Auszahlung von Taggeldern während Krankheitsperioden könne erst nach den Ferien zu laufen beginnen und dauere bis Ende März 1998. Während die Vorinstanz gestützt auf diese Argumentation der Versicherten 13 weitere Taggelder für die Zeitspanne vom 19. - 31. März 1998 zusprach, wendet das BSV ein, das Taggeld sei eine akzessorische Leistung und könne nur gewährt werden, solange eine Eingliederungsmassnahme andauere. In den Ferien bestehe die Möglichkeit, den Lernstoff zu Hause zu vertiefen, also die Eingliederung weiterzuführen. Durch Krankheit hingegen werde diese in jedem Fall unterbrochen. Daher bestehe vorliegend ungeachtet der Ferien nur Anspruch auf maximal 3 Wochen Taggelder für den Krankheitsfall. 
 
3.- a) Nach Art. 22 Abs. 1 Satz 1 IVG hat der Versicherte während der Eingliederung Anspruch auf ein Taggeld, wenn er an wenigstens drei aufeinanderfolgenden Tagen wegen der Eingliederung verhindert ist, einer Arbeit nachzugehen, oder in seiner gewohnten Tätigkeit zu mindestens 50 % arbeitsunfähig ist. Gemäss ständiger Rechtsprechung ist das Taggeld eine akzessorische Leistung zu bestimmten Eingliederungsmassnahmen der Invalidenversicherung. Es kann grundsätzlich nur ausgerichtet werden, wenn und solange solche Massnahmen zur Durchführung gelangen (BGE 114 V 140 Erw. 1a mit Hinweis; SVR 1988 IV Nr. 3 S. 13 Erw. 1a). Nach dem Prinzip der Akzessorietät besteht kein Anspruch auf Taggelder in Perioden, da keine Eingliederungsmassnahmen durchgeführt werden (BGE 114 V 140 Erw. 2a; SVR 1998 IV Nr. 3 S. 13 Erw. 1a). 
 
b) Verwaltung und Vorinstanz wendeten im vorliegenden Fall das Kreisschreiben über die Taggelder (KSTG) an. Hinsichtlich der Taggeldauszahlung bei Unterbruch der Eingliederung durch Ferien bestimmt Rz. 1022 KSTG, dass der Taggeldanspruch für die Urlaubstage weiterbesteht, sofern die Ferien im üblichen Umfang gemäss Gesetz oder Vertrag gewährt werden oder durch Schul- bzw. Betriebsschliessung bedingt sind. Bei Krankheit oder Unfall, wenn die Heilungskosten (wie vorliegend) nicht zu Lasten der Invalidenversicherung gehen, bestimmt Rz. 1025 des erwähnten Kreisschreibens, dass die Invalidenversicherung das Taggeld für längstens drei Wochen pro Krankheitsfall weitergewährt, sofern nicht ein anderer Versicherer eine in der Art dem Taggeld entsprechende Leistung erbringt (z.B. die Unfallversicherung). 
 
c) Beim erwähnten Kreisschreiben handelt es sich nicht um objektives Recht, sondern um vom BSV zum Zwecke rechtsgleicher Gesetzesanwendung erlassene Verwaltungsweisungen. Solche sind für das Eidgenössische Versicherungsgericht nicht verbindlich. Es berücksichtigt sie aber praxisgemäss bei seiner Entscheidung, sofern sie eine dem Einzelfall angepasste und gerecht werdende Auslegung der anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen zulassen. Anderseits weicht es insoweit von Weisungen ab, als sie mit den anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen nicht vereinbar sind (BGE 123 V 72 Erw. 4a, 122 V 253 Erw. 3d, 363 Erw. 3c, je mit Hinweisen). 
 
d) Die im KSTG für den Unterbruch der Eingliederungsmassnahme bei Ferien und bei Krankheit getroffene Regelung der Taggeldauszahlung trägt dem Grundsatz der Akzessorietätin angemessener Weise Rechnung. Einerseits wird das Taggeld während der üblichen Ferien weitergewährt, womit der Umstand berücksichtigt wird, dass Ferien wohl unterrichtsfreie, aber nicht zwingenderweise lernfreie Zeit sind, die Eingliederung also während der Ferien oft weitergeführt wird (SVR 1998 IV Nr. 3 S. 13 Erw. 1d). Anderseits wird der akzessorische Charakter des Taggeldes im Krankheitsfall für eine vernünftige Dauer weiterhin bejaht, obwohl kranke Versicherte in Wirklichkeit die Eingliederung meist vorübergehend unterbrechen müssen. Demnach sind die genannten Randziffern des Kreisschreibens mit Art. 22 Abs. 1 IVG vereinbar und somit gesetzeskonform. 
 
e) Im vorliegenden Fall fragt sich demnach, ob die Eingliederung zunächst ferienhalber im Sinne von Rz. 1022 KSTG unterbrochen wurde und eine Weiterzahlung der Taggelder während maximal 3 Wochen ab dem erneuten Schulbeginn nach Rz. 1025 zu erfolgen hat, oder ob der Unterbruch von Anfang an als krankheitsbedingt anzusehen ist, wonach die Versicherte ungeachtet der Ferien ab Krankheitsbeginn maximal 3 Wochen lang Anspruch auf Taggelder hätte. 
Wie erwähnt, sind Ferien unterrichtsfreie, aber nicht zwingenderweise lernfreie Zeit mit der Möglichkeit, die Eingliederungsmassnahme in geeigneter Form weiterzuführen. Ohne ihre Krankheit hätte die Versicherte in ihren Ferien den Ausbildungsstoff vertiefen oder repetieren können. Demgegenüber verhinderte die Krankheit mit voller Arbeitsunfähigkeit die Fortführung der beruflichen Massnahmen in der gesamten hier streitigen Zeitspanne, sowohl während der Schulzeit als auch während der Ferien. War demnach im Urlaub auch zu Hause keine Fortführung der Eingliederung mehr möglich, ist der Unterbruch in erster Linie krankheitsbedingt. Dass zeitgleich mit der Krankheitsperiode zwei Wochen Ferien anfielen, ist unter den beschriebenen Umständen ein Zufall, der nicht dazu benutzt werden kann, den Taggeldanspruch zu verlängern. Daher fällt dieser Anspruch vorliegend unter Rz. 1025 und nicht Rz. 1022 KSTG und endet 3 Wochen nach Beginn der Krankheit. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
I. In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Basel-Landschaft vom 13. September 1999 aufgehoben. 
 
II. Auf das Schadenersatzbegehren der Beschwerdegegnerin wird nicht eingetreten. 
 
III. Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
IV. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft und der Ausgleichskasse der Migros-Betriebe zugestellt. 
 
Luzern, 20. Juni 2000 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der III. Kammer: 
 
Der Gerichtsschreiber: