Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
I 778/06 {T 7} 
 
Urteil vom 20. September 2007 
II. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter U. Meyer, Präsident, 
Bundesrichter Lustenberger, Seiler, 
Gerichtsschreiberin Keel Baumann. 
 
Parteien 
M._________, Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher Dr. Willi Egloff, Zinggstrasse 16, 3007 Bern, 
 
gegen 
 
IV-Stelle Bern, Chutzenstrasse 10, 3001 Bern, Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 13. Juli 2006. 
 
Sachverhalt: 
A. 
A.a Der 1955 geborene M._________ meldete sich im März 1981 bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an unter Hinweis auf eine am 27. Juni 1980 am linken Handgelenk erlittene Verletzung. Mit Verfügung vom 14. Juli 1983 wurde ihm rückwirkend für die Zeit vom 1. Juni bis 31. Juli 1981 aufgrund eines Invaliditätsgrades von 50 % eine befristete halbe Invalidenrente zugesprochen. Am 24. September 1984 wurde das Wiederaufleben der halben Rente mit Wirkung ab 1. Mai 1985 (Invaliditätsgrad: 64 %) verfügt. 
A.b Mit Verfügung vom 8. Januar 1996 hob die IV-Stelle Bern die Rente gestützt auf den neu ermittelten Invaliditätsgrad von 26 % auf Ende des der Zustellung der Verfügung folgenden Monats auf. Die vom Versicherten hiergegen erhobene Beschwerde hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Entscheid vom 7. August 1996 gut, hob die Verfügung auf und wies die Sache zu ergänzender medizinischer Abklärung (insbesondere Einholung eines psychiatrischen Gutachtens) an die IV-Stelle zurück. Gestützt auf das von ihr daraufhin eingeholte Gutachten des Dr. med. R.________, Spezialarzt für Psychiatrie und Psychotherapie FMH, vom 30. August 1997 verfügte die Verwaltung am 11. März 1998 die Weitergewährung der halben Rente bei einem Invaliditätsgrad von 61,93 %. 
A.c Nach Einholung eines Gutachtens beim Zentrum X._________ vom 3. April 2003 verfügte die IV-Stelle am 14. Oktober 2003 die Aufhebung der halben Rente bei einem ermittelten Invaliditätsgrad von 29 % auf Ende des der Zustellung der Verfügung folgenden Monats (Ende November 2003). Daran hielt sie auf Einsprache des Versicherten hin fest (Entscheid vom 24. Februar 2004). 
B. 
Die vom Versicherten mit dem Antrag auf Aufhebung der Verfügung vom 14. Oktober 2003 und des Einspracheentscheids vom 24. Februar 2004 erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Entscheid vom 13. Juli 2006 ab. 
C. 
M._________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Rechtsbegehren, der kantonale Entscheid sei aufzuheben und es sei ihm weiterhin eine Rente gemäss Verfügung vom 11. März 1998 auszurichten. Des Weitern ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege. 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
 
1. 
1.1 Das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110) ist am 1. Januar 2007 in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Da der angefochtene Entscheid vorher ergangen ist, richtet sich das Verfahren noch nach OG (Art. 132 Abs. 1 BGG; BGE 132 V 393 E. 1.2 S. 395). 
1.2 Der angefochtene Entscheid betrifft Leistungen der Invalidenversicherung. Das Bundesgericht prüft daher nur, ob das vorinstanzliche Gericht Bundesrecht verletzte, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt wurde (Art. 132 Abs. 2 OG [in der Fassung gemäss Ziff. III des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Änderung des IVG, in Kraft seit 1. Juli 2006] in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG). 
2. 
Streitig und zu prüfen ist, ob der Beschwerdeführer über Ende November 2003 hinaus eine Rente der Invalidenversicherung beanspruchen kann. 
3. 
Im angefochtenen Entscheid werden die gesetzlichen Bestimmungen und die Grundsätze über den Begriff der Invalidität (Art. 8 Abs. 1 ATSG in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 IVG), den Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 IVG in der bis 31. Dezember 2003 gültig gewesenen und in der seit 1. Januar 2004 geltenden Fassung), die Bemessung des Invaliditätsgrades bei erwerbstätigen Versicherten nach der allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs (bis 31. Dezember 2003: Art. 1 Abs. 1 IVG in Verbindung mit Art. 16 ATSG; ab 1. Januar 2004: Art. 28 Abs. 2 IVG in Verbindung mit Art. 16 ATSG; BGE 130 343 E. 3.4 S. 348, 128 V 29 E. 1 S. 30, 104 V 135 E. 2a und b S. 136) zutreffend dargelegt. Richtig wiedergegeben ist auch die Rechtsprechung zum nur ausnahmsweise invalidisierenden Charakter somatoformer Schmerzstörungen (BGE 130 V 352). Gleiches gilt für die Revision von Invalidenrenten bei wesentlicher Änderung der tatsächlichen Verhältnisse (Art. 1 Abs. 1 IVG in Verbindung mit Art. 17 Abs. 1 ATSG), namentlich was die dabei zu vergleichenden Sachverhalte anbelangt (vgl. nunmehr BGE 133 V 108). Darauf wird verwiesen. 
4. 
4.1 Anders als die IV-Stelle, welche von einer zweifellosen Unrichtigkeit der ursprünglichen Verfügung ausging und diese in Wiedererwägung zog, prüfte die Vorinstanz, ob die Voraussetzungen für eine revisionsweise Aufhebung der Invalidenrente (Art. 17 Abs. 1 ATSG) gegeben seien. Sie verglich dabei den der Verfügung vom 11. März 1998, in welchem die halbe Rente des Beschwerdeführers aufgrund einer materiellen Prüfung des Rentenanspruches bestätigt wurde, zugrunde liegenden Sachverhalt mit den tatsächlichen Verhältnissen, wie sie sich bis zum Zeitpunkt des Einspracheentscheides (24. Februar 2004) verwirklicht hatten, welches Vorgehen im Einklang mit der Rechtsprechung steht (BGE 133 V 108). 
 
In den der Verfügung vom 11. März 1998 zugrunde liegenden medizinischen Unterlagen werden ein psychosomatisches Schmerzsyndrom mit Schmerzverarbeitungsstörung (Gutachten des Dr. med. R.________ vom 30. August 1997) und ein chronisches therapieresistentes Thorakolumbovertebralsyndrom sowie ein Status nach Resektion des Processus styloideus ulnai links bei posttraumatischer Pseudoarthrosenbildung nach Handgelenksfraktur (Bericht des Hausarztes Dr. med. S.________, Allgemeine Medizin FMH, vom 3. November 1995) diagnostiziert. Übereinstimmend gelangten die Ärzte damals zum Ergebnis, dass dem Beschwerdeführer körperlich schwere Arbeiten nicht mehr zumutbar seien und nur leichte Arbeiten mit Wechselbelastung, wie leichte Hilfsarbeiten in einem grösseren Betrieb, in Frage kämen. Dr. med. S.________ attestierte dem Beschwerdeführer eine volle Arbeitsfähigkeit für leichtere körperliche Verrichtungen im Sitzen und teilweise auch im Stehen wie das Sortieren, Frankieren und Fertigstellen für den Versand von Post, kleine Handreichungen, innerbetriebliche Kurierdienste und die Bestellung von Kleinmaterialien. Dr. med. R.________ erachtete eine leichte Tätigkeit von der Leistung her als im Umfang von 40 % zumutbar, allenfalls bei längerer zeitlicher Verteilung über den Tag. 
 
Der Einspracheentscheid vom 24. Februar 2004 stützt sich im Wesentlichen auf das Gutachten des Zentrums X._________ vom 3. April 2003. Die Ärzte des Zentrums X.________ diagnostizierten eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung mit Ausweitungstendenz ohne psychiatrische Komorbidität und ein Lumbovertebralsyndrom und führten aus, dass sich für die geltend gemachten Handgelenksbeschwerden nur äusserst bescheidene Befunde fänden. Der Beschwerdeführer sei in seiner ursprünglichen Tätigkeit als Maurer zu 100 % arbeitsunfähig; in einer leichten, gelegentlich mittelschweren Arbeit sei er hingegen ganztags vollschichtig einsetzbar, welche Einschätzung ab 1997 gelte. Seit 1997 sei der Gesundheitszustand im Wesentlichen unverändert. 
4.2 Gestützt auf das Gutachten des Zentrums X.________ vom 3. April 2003 ging die Vorinstanz davon aus, dass der Beschwerdeführer im massgebenden Zeitpunkt des Einspracheentscheides in einer leichten, gelegentlich mittelschweren Tätigkeit voll arbeitsfähig wäre und sich sein Gesundheitszustand mithin seit März 1998 in revisionsrechtlich erheblichem Sinne verändert habe. Diese auf ärztlichen Stellungnahmen beruhende Feststellung der Verbesserung des Gesundheitszustandes seit Erlass der Verfügung vom 11. März 1998 ist tatsächlicher Natur. Mit Blick darauf, dass die Ärzte des Zentrums X.________ in ihrem Gutachten vom 3. April 2003 den Gesundheitszustand als seit 1997 im Wesentlichen unverändert beurteilten, erweist sie sich als aktenwidrig und damit als offensichtlich unrichtig, weshalb dem vorinstanzlichen Entscheid nicht gefolgt werden kann. 
4.3 Als zutreffend erweist sich hingegen das Vorgehen der IV-Stelle, welche die Verfügung wiedererwägungsweise aufgehoben hat. Denn gemäss Art. 53 Abs. 2 ATSG kann der Versicherungsträger auf formell rechtskräftige Verfügungen oder Einspracheentscheide zurückkommen, wenn diese zweifellos unrichtig sind und ihre Berichtigung von erheblicher Bedeutung ist. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Dr. med. R.________ diagnostizierte in dem der Rentenzusprechung zugrunde liegenden Bericht vom 30. August 1997 zwar ein psychosomatisches Schmerzsyndrom mit Schmerzverarbeitungsstörung und attestierte dem Versicherten eine Arbeitsfähigkeit von 40 % in leichten Tätigkeiten. Diese Einschätzung wird indessen im Bericht nicht nachvollziehbar begründet, sondern sie stützt sich auf die vom Versicherten anlässlich der Untersuchung (nach den eigenen Angaben des Arztes zeitweise recht dramatisch und appellativ) geschilderten Schmerzen und ist umso unverständlicher, als der Umstand des Versichertseins und eine mehr oder weniger unbewusste Rentenbegehrlichkeit nach Auffassung des Dr. med. R.________ die entscheidende Rolle spielten. Im Gutachten des Zentrums X.________ vom 3. April 2003 wird denn auch darauf hingewiesen, dass jegliche Psychopathologie fehle, um die von Dr. med. R.________ attestierte Einschränkung aus rein psychiatrischer Sicht zu begründen; auch in klinischen Punkten fehle jegliche Auffälligkeit; der Versicherte scheine psychisch weitgehend unauffällig und kommuniziere völlig normal. Die Einschätzung des Dr. med. R.________ sei psychiatrisch nicht nachvollziehbar; auszugehen sei vielmehr von einer seit 1997 im Wesentlichen unveränderten vollen Arbeitsfähigkeit in einer leichten, gelegentlich mittelschweren Arbeit. 
 
Bei dieser Sachlage erweist sich die von einer Arbeitsfähigkeit von bloss 40 % in einer adaptierten Tätigkeit ausgehende Verfügung vom 11. März 1998 als zweifellos unrichtig. Da ihre Berichtigung von erheblicher Bedeutung ist, war die IV-Stelle befugt, sie in Wiedererwägung zu ziehen. 
4.4 Für den zur Ermittlung des Invaliditätsgrades durchzuführenden Einkommensvergleich ist mit der Vorinstanz (gestützt auf die Angaben der ehemaligen Arbeitgeberin des Beschwerdeführers) von einem Valideneinkommen von Fr. 59'102.- und von einem (aufgrund von Tabellenlöhnen ermittelten) Invalideneinkommen von Fr. 49'069.- auszugehen. Bei einer Gegenüberstellung der beiden Vergleichseinkommen resultiert ein rentenausschliessender Invaliditätsgrad von 17 %. Dass die IV-Stelle die Rente auf Ende des der Zustellung der Verfügung folgenden Monats aufgehoben hat, ist demnach nicht zu beanstanden. 
5. 
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 134 Satz 2 OG in der seit 1. Juli 2006 geltenden Fassung; vgl. E. 1.2 hiervor). 
 
Die unentgeltliche Rechtspflege (Prozessführung, Verbeiständung) kann gewährt werden (Art. 152 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Art. 135 OG), da die Bedürftigkeit aktenkundig ist, die Beschwerde nicht als aussichtslos zu bezeichnen und die Vertretung geboten war (BGE 125 V 201 E. 4a S. 202 und 371 E. 5b S. 372, je mit Hinweisen). Es wird indessen ausdrücklich auf Art. 152 Abs. 3 OG aufmerksam gemacht, wonach die begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz zu leisten haben wird, wenn sie später dazu im Stande ist. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung werden sie einstweilen auf die Gerichtskasse genommen. 
3. 
Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung wird Rechtsanwalt Willi Egloff, Bern, für das Verfahren vor dem Bundesgericht aus der Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 1500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) ausgerichtet. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen zugestellt. 
Luzern, 20. September 2007 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: