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[AZA 7] 
I 117/00 
I 161/00 Vr 
 
I. Kammer 
 
Präsident Lustenberger, Bundesrichter Schön, Borella, 
Bundesrichterin Leuzinger und Bundesrichter Ferrari; 
Gerichtsschreiber Hadorn 
 
Urteil vom 20. Oktober 2000 
 
in Sachen 
IV-Stelle Basel-Landschaft, Hauptstrasse 109, Binningen, Beschwerdeführerin, 
gegen 
A.________, 1953, Beschwerdegegnerin, vertreten durch das Patronato INCA, Rechtsdienst, Basel, 
 
und 
A.________, 1953, Beschwerdeführerin, vertreten durch das Patronato INCA, Rechtsdienst, Basel, 
 
gegen 
IV-Stelle Basel-Landschaft, Hauptstrasse 109, Binningen, Beschwerdegegnerin, 
 
und 
Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft, Liestal 
 
A.- Mit Verfügung vom 22. August 1997 lehnte die IV-Stelle Basel-Landschaft das Gesuch der 1953 geborenen A.________ um Ausrichtung einer Invalidenrente trotz Vorliegens einer Arbeitsunfähigkeit von 100 % ab, da die versicherungsmässigen Voraussetzungen nicht erfüllt seien. 
 
B.- Beschwerdeweise liess A.________ eine ganze Invalidenrente und eine Hilflosenentschädigung beantragen. 
Mit Verfügung vom 2. Februar 1998 sprach ihr die IV-Stelle rückwirkend ab 1. März 1989 eine Hilflosenentschädigung mittleren Grades zu. Soweit nicht gegenstandslos geworden, hiess das Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft die Beschwerde mit Entscheid vom 17. Februar 1999 gut und sprach A.________ eine ganze Invalidenrente zu. 
 
C.- Die IV-Stelle erhebt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, der kantonale Entscheid sei aufzuheben. 
A.________ lässt auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen. 
Zugleich lässt sie selber Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und beantragen, es sei ihr eine Parteientschädigung für das kantonale Verfahren zuzusprechen. Die IV-Stelle verzichtet auf eine Stellungnahme zu dieser Verwaltungsgerichtsbeschwerde. 
 
Das Bundesamt für Sozialversicherung lässt sich nicht vernehmen. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- Da den beiden Verwaltungsgerichtsbeschwerden derselbe Sachverhalt zu Grunde liegt, sich die gleichen Rechtsfragen stellen und die Rechtsmittel den nämlichen vorinstanzlichen Entscheid betreffen, rechtfertigt es sich, die beiden Verfahren zu vereinigen und in einem einzigen Urteil zu erledigen (BGE 123 V 215 Erw. 1, 120 V 466 Erw. 1 mit Hinweisen; Poudret, Commentaire de la loi fédérale d'organisation judiciaire, Bd. 1, S. 343 unten f.). 
 
2.- Streitig und zu prüfen sind die versicherungsmässigen Voraussetzungen für den Bezug einer Invalidenrente. 
 
a) Nach Art. 6 Abs. 1 IVG haben Anspruch auf Leistungen alle bei Eintritt der Invalidität versicherten Schweizer Bürger, Ausländer und Staatenlosen. Ausländische Staatsangehörige sind nach Abs. 2 derselben Bestimmung vorbehältlich des hier nicht relevanten Art. 9 Abs. 3 IVG nur anspruchsberechtigt, solange sie ihren Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz haben und sofern sie bei Eintritt der Invalidität während mindestens eines vollen Jahres Beiträge geleistet oder sich ununterbrochen während zehn Jahren in der Schweiz aufgehalten haben. 
Gemäss Art. 36 Abs. 1 IVG haben Anspruch auf eine ordentliche Rente die rentenberechtigten Versicherten, die bei Eintritt der Invalidität während mindestens eines vollen Jahres Beiträge geleistet haben. 
Die nicht erwerbstätigen Ehefrauen von Versicherten waren nach Art. 3 Abs. 2 lit. b AHVG (in der bis Ende 1996 gültig gewesenen Fassung) von der Beitragspflicht befreit. 
Am 1. Januar 1997 trat die 10. AHV-Revision in Kraft. Dabei wurde der soeben erwähnte Abs. 2 lit. b von Art. 3 AHVG ersatzlos gestrichen. Neu sind die Versicherten gemäss Art. 3 Abs. 1 AHVG beitragspflichtig, solange sie eine Erwerbstätigkeit ausüben. Für Nichterwerbstätige beginnt die Beitragspflicht am 1. Januar nach Vollendung des 
20. Altersjahres und dauert bis zum Ende des Monats, in welchem Frauen das 64. und Männer das 65. Altersjahr vollendet haben. Nach Art. 3 Abs. 3 AHVG (in Kraft seit 
1. Januar 1997) gelten die eigenen Beiträge als bezahlt, sofern der Ehegatte Beiträge von mindestens der doppelten Höhe des Mindestbeitrags bezahlt hat, bei: 
a.nichterwerbstätigen Ehegatten von erwerbstätigen 
Versicherten 
 
b.(...) 
 
Gemäss Ziff. 1 lit. c Abs. 1 Satz 1 der Übergangsbestimmungen zur 10. AHV-Revision (ÜbBest. AHV 10) gelten die neuen Vorschriften für alle Renten, auf die der Anspruch nach dem 31. Dezember 1996 entsteht. 
 
b) Unbestrittenermassen reiste die Versicherte nach ihrer Heirat mit einem italienischen Staatsangehörigen im August 1980 aus Italien in die Schweiz ein. Eigene Beiträge an die Alters- und Hinterlassenenversicherung oder Erziehungszeiten weist sie nur für einen Monat (Mai 1982) nach. Ihr Ehemann hat seit der Einreise jedes Jahr mehr als den doppelten Mindestbeitrag an die Alters- und Hinter- lassenenversicherung geleistet. 
Im Rahmen eines ersten Rentengesuchs fasste die Invalidenversicherungs-Kommission des Kantons Basel-Landschaft (heute IV-Stelle) am 5. November 1990 einen Beschluss, wonach die Versicherte seit dem 1. Mai 1985 (Ablauf der Wartezeit von einem Jahr gemäss Art. 29 Abs. 1 lit. b IVG) zu 100 % invalid sei. Mangels Erfüllung der versicherungsmässigen Voraussetzungen (Fehlen eigener Beitragszahlungen) lehnte die Ausgleichskasse Basel-Landschaft jedoch die Auszahlung einer Rente mit Verfügung vom 20. März 1991 ab. Das zweite, vorliegend streitige Gesuch lehnte die IV-Stelle Basel-Landschaft mit derselben Begründung ab. 
Die Vorinstanz hingegen erwog, dank der auf 1. Januar 1997 mit der 10. AHV-Revision in Kraft gesetzten neuen Regelung, wonach die Mindestbeitragspflicht auch dann erfüllt sei, wenn der Ehegatte bzw. die Ehegattin der betreffenden Person wenigstens das Doppelte des Mindestbeitrags bezahlt habe, erfülle die Versicherte über die Beiträge ihres Ehegatten nun die versicherungsmässigen Voraussetzungen. Dem widerspricht die Beschwerde führende IV-Stelle mit dem Argument, das neue Recht sei nur anwendbar, wenn der Versicherungsfall für die jeweilige Leistungsart (hier: 
Invalidenrente) am 1. Januar 1997 oder später eingetreten sei. Die Versicherte sei jedoch schon am 1. Mai 1985 invalid geworden, ihr Versicherungsfall somit vor dem 
1. Januar 1997 eingetreten, weshalb die neue Regelung keine Anwendung finde. 
 
c) Zwar trifft zu, dass laut der am 1. Januar 1997 im Rahmen der 10. AHV-Revision in Kraft getretenen Fassung von Art. 6 Abs. 2 IVG bei der Ermittlung der einjährigen Mindestbeitragsdauer für den ordentlichen Rentenanspruch nach IVG keine persönliche Beitragsentrichtung mehr nötig ist (BGE 125 V 254 Erw. 1). Dies verschafft der Versicherten aber noch keinen Anspruch auf eine Invalidenrente. Vielmehr ist Folgendes zu beachten: Die Invalidität gilt laut Art. 4 Abs. 2 IVG als eingetreten, sobald sie die für die Begründung des Anspruchs auf die jeweilige Leistung erforderliche Art und Schwere erreicht hat. Vorliegend ist nach dem Gesagten erstellt und im Übrigen nicht bestritten, dass der Versicherungsfall (Eintritt der Invalidität bezüglich einer Rente) bereits in den 80er Jahren eingetreten ist. Im damaligen Zeitpunkt waren die versicherungsmässigen Voraussetzungen (einjährige Mindestbeitragsdauer) nach den damals geltenden Rechtsvorschriften unbestrittenermassen nicht erfüllt. 
Daher könnte die Versicherte nach neuem Recht nur dann Anspruch auf eine Invalidenrente erheben, wenn bei Versicherungsfällen, welche vor dem 1. Januar 1997 eingetreten sind, rückwirkend vom Erfordernis der persönlichen Beitragsentrichtung abgesehen werden könnte. Wie das Eidgenössische Versicherungsgericht in AHI 2000 S. 174 ff. 
Erw. 3-5 einlässlich dargelegt hat, wollte der Gesetzgeber mit Ausnahme der in Ziff. 1 lit. f Abs. 2 (betrifft Witwenrenten geschiedener Frauen) und Ziff. 1 lit. h (betrifft Staatsangehörige von Ländern ohne Sozialversicherungsabkommen mit der Schweiz) ÜbBest. AHV 10 ausdrücklich geregelten Fälle keine Anknüpfung neuen Rechts an früher eingetretene Versicherungsfälle (erster Satz von Ziff. 1 lit. c Abs. 1ÜbBest. AHV 10; vgl. ferner BGE 126 V 5 und nicht veröffentlichtes Urteil H. vom 6. Dezember 1999, H 318/98). Der vorliegende Sachverhalt lässt sich unter keine dieser Ausnahmen subsumieren. Demnach muss es dabei sein Bewenden haben, dass im Zeitpunkt des Versicherungsfalls für eine Rente die versicherungsmässigen Voraussetzungen nicht erfüllt waren und die Versicherte sich nicht rückwirkend auf die erst später in Kraft gesetzten Erleichterungen der 10. AHV-Revision berufen kann. Da sich sodann auch aus dem Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Italienischen Republik vom 14. Dezember 1962 über Soziale Sicherheit nichts zu ihren Gunsten ableiten lässt, hat sie keinen Anspruch auf eine Invalidenrente. 
 
3.- a) Nach Art. 85 Abs. 2 lit. f AHVG in Verbindung mit Art. 69 IVG hat die obsiegende Partei sowohl im Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht als auch im kantonalen Prozess Anspruch auf Ersatz der Kosten für die Vertretung (SVR 1995 IV Nr. 51 S. 143 Erw. 3b mit Hinweis). 
Die Beschwerdeführerin war im vorinstanzlichen Prozess durch das Patronato INCA vertreten. Wie das Eidgenössische Versicherungsgericht im nicht veröffentlichten Urteil G. vom 19. November 1998 (I 336/97) erkannt hat, gilt die mit BGE 122 V 278 geänderte Rechtsprechung über die Zusprechung einer Parteientschädigung analog auch bei einer Vertretung durch dieses Patronato. Indem die Vorinstanz der im kantonalen Verfahren obsiegenden Versicherten keine Parteientschädigung zusprach, hat sie diese Praxis missachtet. 
 
b) Nun ergibt der letztinstanzliche Prozess nach dem Gesagten, dass der kantonale Entscheid aufzuheben ist, die Versicherte im Rentenpunkt unterliegt und somit insoweit keine Parteientschädigungen geltend machen kann. Indessen hat die Versicherte im vorinstanzlichen Verfahren auch die Zusprechung einer Hilflosenentschädigung beantragt. Da die Verwaltung diesem Begehren pendente lite entsprach, wurde der Prozess diesbezüglich gegenstandslos. Das Patronato INCA hat dies im Schreiben an die Vorinstanz vom 24. Februar 1998 bestätigt, hiebei aber ausdrücklich am Antrag auf eine Parteientschädigung festgehalten. Die Vorinstanz hätte daher nicht stillschweigend über diesen Punkt hinweggehen dürfen. Denn bei Gegenstandslosigkeit richtet sich der Anspruch auf eine Parteientschädigung danach, wie der Prozess mutmasslich ausgegangen wäre (SVR 1998 UV Nr. 11 S. 33 Erw. 6a; vgl. auch BGE 118 Ia 494 Erw. 4a, 107 V 127). Die Sache ist daher an das kantonale Gericht zurückzuweisen, damit es der Versicherten auf Grund der Tatsache, dass ihr während des Verfahrens eine Hilflosenentschädigung gewährt wurde, eine Parteientschädigung für das kantonale Verfahren zuspreche. 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
I.In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde der 
IV-Stelle Basel-Landschaft wird Dispositiv-Ziffer 1 
des Entscheids des Versicherungsgerichts des Kantons 
Basel-Landschaft vom 17. Februar 1999 aufgehoben. 
 
II.Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde von A.________ wird in dem Sinne teilweise gutgeheissen, dass Dispositiv- Ziffer 3 des Entscheids des Versicherungsgerichts des 
 
 
Kantons Basel-Landschaft vom 17. Februar 1999 aufgehoben 
und die Sache an die Vorinstanz zurückgewiesen 
wird, damit sie über eine Parteientschädigung für das 
kantonale Verfahren im Sinne der Erwägungen neu entscheide. 
III. Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
IV.Die IV-Stelle Basel-Landschaft hat A.________ für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 250.- (einschliesslich 
 
 
Mehrwertsteuer) zu bezahlen. 
 
V.Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht 
des Kantons Basel-Landschaft und dem Bundesamt 
für Sozialversicherung zugestellt. 
Luzern, 20. Oktober 2000 
 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der I. Kammer: 
 
Der Gerichtsschreiber: