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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
I 585/02 
 
Urteil vom 21. Februar 2003 
IV. Kammer 
 
Besetzung 
Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Ferrari; Gerichtsschreiberin Bollinger 
 
Parteien 
M.________, 1948, Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher Bruno Habegger, Brauihof 2, Hübeligasse, 4900 Langenthal, 
 
gegen 
 
IV-Stelle Bern, Chutzenstrasse 10, 3007 Bern, Beschwerdegegnerin 
 
Vorinstanz 
Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Bern 
 
(Entscheid vom 4. Juni 2002) 
 
Sachverhalt: 
A. 
M.________, geboren 1948, war ab 1970 als Strassenbauer bei der Bauunternehmung X.________ AG tätig. Seit 1985 leidet er an rezidivierenden cervicovertebralen und lumbovertebralen Schmerzschüben, welche ab 1994 zu wiederholten Arbeitsausfällen führten. Nachdem er ab dem 23. Mai 2000 aus gesundheitlichen Gründen nurmehr zu 50 % arbeitsfähig war, meldete er sich am 16. August 2000 wegen Rückenbeschwerden und Gelenkschmerzen bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Eine körperlich leichtere Arbeit, welche ihm die X.________ AG ab dem 1. März 2001 bei ihrer Tochtergesellschaft R.________ AG angeboten hatte, musste er wegen Schmerzen schon nach wenigen Tagen wieder aufgeben. Seither übt er keine Erwerbstätigkeit mehr aus. Nach medizinischen und erwerblichen Abklärungen sprach ihm die IV-Stelle Bern mit Verfügung vom 28. September 2001 aufgrund eines gerundeten Invaliditätsgrades von 63 % eine halbe Rente ab dem 1. März 2001 zu. 
B. 
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Entscheid vom 4. Juni 2002 ab. 
C. 
M.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Antrag, der angefochtene Entscheid sowie die Verfügung vom 28. September 2001 seien aufzuheben, es sei der Invaliditätsgrad neu festzusetzen und ihm eine ganze Invalidenrente zuzusprechen. Eventuell sei die Angelegenheit an die Beschwerdeführerin (recte: Beschwerdegegnerin) zur Neufestsetzung des Invaliditätsgrades zurückzuweisen. 
 
Die IV-Stelle beantragt die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, das Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Die Vorinstanz hat die gesetzlichen Bestimmungen über die Voraussetzungen und den Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 und 1bis IVG) und die Invaliditätsbemessung bei Erwerbstätigen nach der Einkommensvergleichsmethode (Art. 28 Abs. 2 IVG; BGE 104 V 136 Erw. 2a und b) zutreffend dargelegt. Darauf kann verwiesen werden. Richtig sind auch die Ausführungen über die den ärztlichen Auskünften bei der Ermittlung des Invaliditätsgrades zukommende Bedeutung (BGE 125 V 261 Erw. 4, 115 V 134 Erw. 2, 114 V 314 Erw. 3c, 105 V 158 Erw. 1). 
 
Zu ergänzen ist, dass das am 1. Januar 2003 in Kraft getretene Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 im vorliegenden Fall nicht anwendbar ist, da nach dem massgbenden Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Verfügung eingetretene Rechts- und Sachverhaltsänderungen nicht berücksichtigt werden (BGE 127 V 467 Erw. 1, 121 V 366 Erw. 1b). 
2. 
Das kantonale Gericht hat in eingehender und überzeugender Würdigung sämtlicher medizinischer Unterlagen dargelegt, dass der Beschwerdeführer in einer seinem Gesundheitszustand angepassten Tätigkeit zu 50 % arbeitsfähig wäre. Dabei hat es sich zu Recht auf die in allen Teilen den gerichtlichen Anforderungen entsprechenden Beurteilungen durch Frau Dr. med. L.________ vom 8. Juni 2001 und Dr. med. H.________ vom 29. Mai 2001, gestützt. Was in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vorgebracht wird, vermag zu keinem anderen Ergebnis zu führen. Die Einschätzungen von Hausarzt Dr. med. G.________ im ärztlichen Zwischenbericht vom 27. Februar 2001 sowie im Arztzeugnis vom 5. Juli 2001 stehen einer 50%igen Arbeitsfähigkeit in einer angepassten Tätigkeit nicht entgegen. Den in den Akten befindlichen Ausführungen von Dr. med. V.________ vom 15. Januar 2001, kann bezüglich der Arbeitsfähigkeit nichts entnommen werden. Soweit die Dres. med. G.________ und V.________ zu Handen der Krankenversicherung eine nicht näher begründete und mit den im vorliegenden Verfahren eingeholten Auskünften teilweise im Widerspruch stehende vollständige Arbeitsunfähigkeit bescheinigen, vermag dies an der Glaubwürdigkeit der Ausführungen von Dr. med. H.________ und Frau Dr. med. L.________ nichts zu ändern, zumal der Erfahrungstatsache Rechnung zu tragen ist, dass Hausärzte mitunter im Hinblick auf ihre auftragsrechtliche Vertrauensstellung in Zweifelsfällen eher zu Gunsten der Patientinnen und Patienten aussagen (BGE 125 V 353 Erw. 3b/cc). Die abweichende Einschätzung zu Handen der Krankenversicherung ändert auch nichts daran, dass die vorliegenden medizinischen Unterlagen eine hinreichend schlüssige Beurteilung der Frage der Arbeitsfähigkeit im massgeblichen Zeitraum erlauben, so dass die Vorinstanz zu Recht auf die Anordnung eines Gutachtens verzichtet hat, zumal hievon keine neuen Erkenntnisse erwartet werden können, die zu einem abweichenden Ergebnis zu führen vermöchten (antizipierte Beweiswürdigung; BGE 124 V 94 Erw. 4b, SVR 2001 IV Nr. 10 S. 28 Erw. 4b). 
3. 
Streitig und zu prüfen ist sodann die Berechnung des Invaliditätsgrades nach der allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs. 
3.1 Für die Vornahme des Einkommensvergleichs ist grundsätzlich auf die Gegebenheiten im Zeitpunkt des allfälligen Rentenbeginns abzustellen. Bevor die Verwaltung über einen Leistungsanspruch befindet, muss sie indessen prüfen, ob in der dem Rentenbeginn folgenden Zeit eine erhebliche Veränderung der hypothetischen Bezugsgrössen eingetreten ist. Gegebenenfalls hat sie vor ihrem Entscheid einen weiteren Einkommensvergleich durchzuführen (BGE 128 V 174; Urteil vom 18. Oktober 2002, I 761/01). 
3.2 Die Vorinstanz hat das hypothetische Einkommen ohne Invalidität (Valideneinkommen) gestützt auf die Angaben der ehemaligen Arbeitgeberin vom 28. August 2000 für das Jahr 2001 auf Fr. 64'163.- festgesetzt, was nunmehr unbestritten und auf Grund der Akten korrekt ist. 
3.3 Umstritten ist die Festlegung des trotz Gesundheitsschädigung zumutbarerweise noch realisierbaren Einkommens (Invalideneinkommen). Die Vorinstanz erwägt zu Recht, dass für dessen Bestimmung primär auf die beruflich-erwerbliche Situation, in welcher der Versicherte konkret steht, abzustellen ist. Hat er nach Eintritt des Gesundheitsschadens keine oder jedenfalls keine ihm an sich zumutbare neue Erwerbstätigkeit aufgenommen, bei der - kumulativ - besonders stabile Arbeitsverhältnisse gegeben sind und anzunehmen ist, dass er die ihm verbleibende Arbeitsfähigkeit in zumutbarer Weise voll ausschöpft, sowie das Einkommen aus der Arbeitsleistung als angemessen und nicht als Soziallohn erscheint, gilt grundsätzlich der von ihm tatsächlich erzielte Verdienst als Invalidenlohn (BGE 126 V 76 Erw. 3b/aa mit Hinweisen). Andernfalls können nach der Rechtsprechung für die Invaliditätsbemessung Tabellenlöhne herangezogen werden, wie sie in der vom Bundesamt für Statistik herausgegebenen Schweizerischen Lohnstrukturerhebung (LSE) enthalten sind. Dabei ist auf die standardisierten Bruttolöhne (Tabellengruppe A) abzustellen, wobei jeweils vom so genannten Zentralwert auszugehen ist. Zu berücksichtigen ist, dass den Auswertungen in der Tabellengruppe A eine einheitliche Arbeitszeit von 40 Stunden in der Woche zugrunde liegt, während die effektive durchschnittliche Arbeitszeit regelmässig höher liegt. 
3.4 Der Beschwerdeführer war im Zeitpunkt des Rentenbeginns (1. März 2001) im Rahmen eines Arbeitsversuchs bei der R.________ AG, einer Tochterfirma der X.________ AG, tätig. Wie einem im Verwaltungsgerichtsbeschwerdeverfahren eingereichten Schreiben der X.________ AG vom 23. August 2002 zu entnehmen ist, musste dieser Versuch wegen Rückenproblemen bereits nach wenigen Tagen wieder abgebrochen werden. Auch das etwa 30-jährige Arbeitsverhältnis zwischen dem Versicherten und der X.________ AG vermag nichts daran zu ändern, dass angesichts der kurzen Dauer des Arbeitsversuchs und der dabei aufgetretenen gesundheitlichen Probleme des Beschwerdeführers nicht von einer besonders stabilen Anstellung im Sinne der Rechtsprechung ausgegangen werden kann (vgl. Urteil vom 28. November 2002, U 141/02). Auf die möglichen Einkommenverhältnisse bei der R.________ AG kann demnach nicht abgestellt werden, vielmehr ist das Invalideneinkommen anhand der Tabellenlöhne zu bestimmen. 
 
 
 
Gemäss Tabelle A1 der LSE 2002 belief sich der Zentralwert für die mit einfachen und repetitiven Arbeiten beschäftigten Männer im privaten Sektor im Jahre 2000 auf Fr. 4437.- (einschliesslich 13. Monatslohn), was umgerechnet auf die betriebsübliche durchschnittliche Arbeitszeit im Jahre 2001 von 41,7 Stunden (Die Volkswirtschaft 2/2003, Tabelle B9.2 S. 90) und unter Berücksichtigung der Nominallohnentwicklung im Jahr 2001 von 2,5 % (Die Volkswirtschaft, 2/2003, Tabelle B10.2 S. 91) ein Jahreseinkommen von Fr. 56'894.60 ergibt. Bei einer Arbeitsfähigkeit von 50 % führt dies zu einem Einkommen von Fr. 28'447.30. 
4. 
4.1 Wird das Invalideneinkommen auf der Grundlage von statistischen Durchschnittswerten ermittelt, ist der entsprechende Ausgangswert (Tabellenlohn) allenfalls zu kürzen. Damit soll der Tatsache Rechnung getragen werden, dass persönliche und berufliche Merkmale einer versicherten Person, wie Art und Ausmass der Behinderung, Lebensalter, Dienstjahre, Nationalität oder Aufenthaltskategorie und Beschäftigungsgrad Auswirkungen auf die Lohnhöhe haben können (BGE 124 V 323 Erw. 3b/aa). 
 
Der Abzug hat nicht automatisch, sondern dann zu erfolgen, wenn im Einzelfall Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die versicherte Person wegen eines oder mehrerer dieser Merkmale ihre gesundheitlich bedingte (Rest-)Arbeitsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur mit unterdurchschnittlichem erwerblichem Erfolg verwerten kann. Bei der Bestimmung der Höhe des Abzugs vom Tabellenlohn sodann ist nicht in der Weise vorzugehen, dass für jedes in Betracht fallende Merkmal separat eine Reduktion vorgenommen wird, weil damit Wechselwirkungen ausgeblendet würden. Vielmehr ist der Einfluss aller Merkmale auf das Invalideneinkommen (leidensbedingte Einschränkung, Alter, Dienstjahre, Nationalität, Aufenthaltskategorie und Beschäftigungsgrad) unter Würdigung der Umstände im Einzelfall nach pflichtgemässem Ermessen gesamthaft zu schätzen. Dabei ist der Abzug auf insgesamt höchstens 25 % zu begrenzen (BGE 126 V 79 f. Erw. 5b/aa-cc). 
4.2 Die Frage, ob und in welchem Ausmass der statistische Lohn von Fr. 28'447.30 zu korrigieren ist, hängt demnach von den gesamten persönlichen und beruflichen Umständen des Einzelfalls ab. Der Beschwerdeführer kann gemäss ärztlicher Einschätzung (interdisziplinäre Beurteilung durch Frau Dr. med. L.________ und Dr. med. H.________ vom 29. Mai und 8. Juni 2001; Arztbericht Dr. med. G.________ vom 27. Februar 2001) nur für angepasste leichte Tätigkeiten eingesetzt werden, so dass er auf dem Arbeitsmarkt in Konkurrenz mit einem Mitbewerber ohne physische Einschränkungen benachteiligt ist, was sich auf das Lohnniveau auswirkt. Dafür, dass der Versicherte wegen seiner ausländischen Nationalität auf dem Arbeitsmarkt eine Lohneinbusse hinnehmen müsste, sind keine Anhaltspunkte ersichtlich; bei der Anzahl Dienstjahre ist zu berücksichtigen, dass deren Bedeutung im privaten Sektor abnimmt, je niedriger das Anforderungsprofil ist (AHI 1999 S. 181 Erw. 3b). Der Abzugsgrund der Teilzeitbeschäftigung kommt nicht zur Anwendung, weil dem Beschwerdeführer die Ausübung einer leichteren Tätigkeit mit einer Leistungsfähigkeit von 50 % auch ganztags möglich wäre. Ferner ist das Alter des Beschwerdeführers (Jahrgang 1948) zu beachten. Unter Berücksichtigung aller Umstände erscheint gesamthaft ein Abzug von 15 % als angemessen. Das Invalideneinkommen beläuft sich damit auf Fr. 24'180.20, was im Vergleich zum Valideneinkommen von Fr. 64'163.- einen Invaliditätsgrad von 62.31 % ergibt. Die Verfügung der IV-Stelle vom 28. September 2001, mit welcher dem Beschwerdeführer eine halbe Invalidenrente zugesprochen wurde, ist daher im Ergebnis zu bestätigen. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, der Ausgleichskasse des Schweizerischen Baumeisterverbandes und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. 
Luzern, 21. Februar 2003 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Die Präsidentin der IV. Kammer: Die Gerichtsschreiberin: