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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
I 343/02 
 
Urteil vom 21. März 2003 
III. Kammer 
 
Besetzung 
Präsident Borella, Bundesrichter Meyer und Kernen; Gerichtsschreiber Grunder 
 
Parteien 
K.________, 1970, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Kaspar Noser, Dorfstrasse 7, 8722 Kaltbrunn, 
 
gegen 
 
IV-Stelle des Kantons St. Gallen, Brauerstrasse 54, 9016 St. Gallen, Beschwerdegegnerin 
 
Vorinstanz 
Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, St. Gallen 
 
(Entscheid vom 28. März 2002) 
 
Sachverhalt: 
A. 
Die 1970 geborene K.________, angelernte Näherin, war seit Mai 1993 als Aushilfe des Restaurants C.________ angestellt. Wegen seit ungefähr dem zwanzigsten Altersjahr bestehender Beschwerden im Schultergürtelbereich, die im Herbst 1999 exazerbierten, meldete sie sich am 18. Mai 2000 zum Bezug von Leistungen der Invalidenversicherung an (Berufsberatung, Umschulung, Rente). Die IV-Stelle des Kantons St. Gallen holte Berichte des Dr. med. G.________, Allgemeine Medizin FMH, vom 19. Juni 2000 (mit beliegendem Schreiben des Dr. med. W.________, Innere Medizin/Rheumatologie FMH, vom 3. Mai 2000) sowie der C.________ vom 27. Juni 2000 ein und zog ein multidisziplinäres Gutachten der Klinik V.________, Rheuma- und Rehabilitationszentrum, vom 13. Februar 2001 bei. Die Aerzte kamen zum Schluss, dass ein weichteilrheumatisches Schmerzsyndrom mit Symptomausweitung und differentialdiagnostisch eine beginnende Fibromyalgie vorliege. Die Versicherte sei wegen häufiger rotatorischer Belastungen der Wirbelsäule und Zwangshaltungen mit vornübergeneigtem Stehen und Sitzen als Näherin und Angestellte eines Restaurants nicht mehr arbeitsfähig, vermöge dagegen eine leidensadaptierte leichte Tätigkeit vollumfänglich auszuüben. Nach durchgeführtem Vorbescheidverfahren lehnte die IV-Stelle mit Verfügung vom 2. Mai 2001 einen Anspruch auf berufliche Eingliederungsmassnahmen sowie Invalidenrente ab. 
B. 
Die hiegegen eingereichte Beschwerde, mit welcher K.________ beantragen liess, unter Aufhebung der Verwaltungsverfügung sei die Sache zur weiteren Abklärung an die IV-Stelle zurückzuweisen, wies das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 28. März 2002 ab. 
C. 
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt K.________ das vorinstanzlich gestellte Rechtsbegehren erneuern. Gleichzeitig ersucht sie um Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung. 
 
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Das am 1. Januar 2003 in Kraft getretene Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 ist im vorliegenden Fall nicht anwendbar ist, da nach dem massgebenden Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Verfügung (hier: vom 2. Mai 2001) eingetretene Rechts- und Sachverhaltsänderungen vom Sozialversicherungsgericht nicht berücksichtigt werden (BGE 127 V 467 Erw. 1, 121 V 366 Erw. 1b). 
2. 
Streitig und zu prüfen ist einzig, ob die Beschwerdeführerin an einem ihre Erwerbsfähigkeit dauernd und erheblich beeinträchtigenden Gesundheitsschaden (Art. 4 Abs. 1 IVG) leidet, der auf Grund der Verhältnisse, wie sie sich bis zum Erlass der angefochtenen Ablehnungsverfügung entwickelt haben (BGE 121 V 366 Erw. 1b mit Hinweisen), zum Eintritt einer leistungsspezifischen Invalidität, sei es hinsichtlich der Rente (Art. 28 IVG), sei es bezüglich einer Umschulung (Art. 17 IVG), geführt hatte (Art. 4 Abs. 2 IVG). 
2.1 Nachdem Dres. med. W.________ und G.________ einen Verdacht auf eine generalisierte Tendofibromyalgie geäussert hatten, entschloss sich die IV-Stelle zur Durchführung einer spezialärztlichen Abklärung, welche vom 20. bis 22. Dezember 2000 in der Klinik V.________ stattfand und deren Ergebnisse in das multidisziplinäre Gutachten vom 13. Februar 2001 Eingang fanden. Darauf beruhen Ablehnungsverfügung und kantonaler Entscheid. Die Beschwerdeführerin macht im Wesentlichen geltend, das Gutachten der Klinik V.________ trage weder diagnostisch noch hinsichtlich der Auswirkungen dem bestehenden Fibromyalgiesyndrom genügend Rechnung. Daher seien weitere medizinische Abklärungen angezeigt. 
2.2 Im umfassenden multidisziplinären (internmedizinischen, rheumatologischen, psychiatrischen, einschliesslich Evaluation der funktionellen Leistungsfähigkeit) Gutachten vom 13. Februar 2001 kommen die Aerzte der Klinik V.________ zum Schluss, dass keine Befunde erhoben werden konnten, die eine Arbeitsunfähigkeit in einer leidensangepassten und leichten Tätigkeit mit wechselbelastenden Verrichtungen im Sitzen und Gehen, bei Heben und Tragen von Gewichten bis maximal 7,5 kg, rechtfertigten. Während der Untersuchungen habe die Beschwerdeführerin über konstante Schmerzen im Schultergürtel (beidseits), im Bereiche des ganzen Rückens und Beckens (beidseits), mit Ausstrahlung in den Nacken und in die Arme geklagt, wobei die Problematik unter Belastung und bei Bewegung deutlich zunehme und sich in Schlafstörungen, Herzklopfen sowie leicht vermehrtem Schwitzen und Kältegefühl in den Händen auswirke. Aufgrund der klinischen Befunde seien der Gelenks- und Muskelstatus sowie die Laborresultate unauffällig. Bei Palpation der Weichteilstrukturen hätten 13 von 18 fibromyalgietypischen Tenderpoints positiv nachgewiesen werden können, wobei aber auch eine deutliche Druckdolenz über den (sogenannten) Kontrollpunkten, z.B. über der Spina scapulae, frontal im Bereich der Stirne oder an der Tibiavorderkante, bestanden habe. Während der Evaluation der funktionellen Leistungsfähigkeit sei eine allgemein reduzierte Belastbarkeit festgestellt worden, die nicht durch eine somatische Funtionsstörung erklärt werden könne. Der Leistungswille habe sich als unzuverlässig erwiesen bei einer erheblichen körperlichen Dekonditionierung und mangelnder Bereitschaft der Versicherten, sich zu belasten und ein gewisses Mass an unvermeidbar hervorgerufenen Beschwerden bei der Erfüllung der gestellten Aufgaben in Kauf zu nehmen. Auch seien die Leistungen in den durchgeführten Tests nicht konsistent gewesen. Schliesslich seien psychiatrisch keine Hinweise auf eine Beeinträchtigung der kognitiven Basisfunktionen (Aufmerksamkeit, Konzentrationsvermögen, Gedächtnis) während der Untersuchungssituation gefunden worden, noch seien im formalen und inhaltlichen Denken unter Berücksichtigung des sprachlichen Ausdrucksvermögens irgendwelche Auffälligkeiten zu entdecken gewesen. Diagnostisch habe sich das Bild einer Symptomausweitung (entsprechend den Kriterien nach Matheson) gezeigt. Dysfunktional-verhaltensleitende Ueberzeugungen oder eine Affektstörung, die als Erklärung für diese Phänomenologie herangezogen werden könnten, seien nicht nachzuweisen. Die psychopathologische Untersuchung habe allgemein und insbesondere unter Berücksichtigung der für die Beurteilung einer Schmerzstörung relevanten Kategorien keinen bemerkenswerten Befund ergeben. 
2.3 Nach der Rechtsprechung ist den im Rahmen des Verwaltungsverfahrens eingeholten Gutachten von externen Spezialärzten (Administrativexperten), welche auf Grund eingehender Beobachtungen und Untersuchungen sowie nach Einsicht in die Akten Bericht erstatten und bei der Erörterung der Befunde zu schlüssigen Ergebnissen gelangen, im Rahmen der Beweiswürdigung volle Beweiskraft zuzuerkennen, solange nicht konkrete Indizien gegen die Zuverlässigkeit der Expertise sprechen (BGE 125 V 353 Erw. 3b/bb; AHI 2001 S. 114 Erw. 3b/bb; je mit Hinweisen). 
2.4 Konkrete Indizien gegen die Zuverlässigkeit der umfassenden und schlüssigen Expertise bestehen nicht. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, die Aerzte der Klinik V.________ seien keine Spezialisten, die über genügend Kenntnisse des Fibromyalgie-Syndroms verfügten, ist nicht stichhaltig und wird durch die Erörterungen im Gutachten selber widerlegt. Wie aus einer Vielzahl von Beschwerdeverfahren bekannt ist, handelt es sich bei der Klinik V.________ um eine Institution, welche gerade für die Abklärung von in den weichteilrheumatischen Formenkreis fallenden unklaren gesundheitlichen Beeinträchtigungen spezialisiert, erfahren und kompetent ist. Auch im vorliegenden Fall haben die Aerzte alle medizinisch möglichen Untersuchungen durchgeführt. Mehr lässt sich nicht tun. Auf Grund der erhobenen Befunde wurde ein entzündliches Geschehen ausgeschlossen, zudem wurde die Versicherte eingehend befragt und insbesondere wurde die für die Diagnose nach der medizinischen Literatur (Harrisons Innere Medizin 2, 13. Auflage, Deutsche Ausgabe, herausgegeben von Kurt J. G. Schmailzl, Blackwell Wissenschafts-Verlag, S. 1992; Lehrbuch der inneren Medizin, 3. neubearbeitete und erweiterte Auflage, Georg Thieme Verlag Stuttgart, S. 651 ff.) unabdingbar notwendige Ueberprüfung der "tender points" (besonders schmerzhafte Druckpunkte) vorgenommen. Obwohl mehr als 11 der für die Diagnosestellung erforderlichen tender points druckempfindlich waren, lag primär keine Fibromyalgie vor, weil auch Druckschmerzen an den Kontrollstellen bestanden (Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 259. Auflage, S. 521). Es lässt sich daher nicht beanstanden, dass die Aerzte ein weichtteilrheumatisches Schmerzsyndrom angaben und lediglich differentialdiagnostisch eine beginnende Fibromyalgie annahmen, weshalb von der beantragten Ueberprüfung des Gutachtens der Klinik V.________ durch eine weitere fachärztliche Expertise abzusehen ist. Sodann ist entgegen den Vorbringen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde die Einschätzung der Arbeitsunfähigkeit überzeugend. Sie schliesst die Annahme einer leistungsbegründenden Invalidität aus. 
3. 
Dem Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung kann stattgegeben werden (Art. 152 in Verbindung mit Art. 135 OG), da die Bedürftigkeit aktenkundig ist, die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht als aussichtslos zu bezeichnen ist und die Vertretung geboten war (BGE 125 V 202 Erw. 4a und 372 Erw. 5b, je mit Hinweisen). Es wird indessen ausdrücklich auf Art. 152 Abs. 3 OG aufmerksam gemacht, wonach die begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz zu leisten haben wird, wenn sie später dazu imstande ist. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung wird Rechtsanwalt Kaspar Noser, Kaltbrunn, für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht aus der Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2'500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) ausgerichtet. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, der Coop AHV-Ausgleichskasse, Basel, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. 
 
Luzern, 21. März 2003 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der III. Kammer: Der Gerichtsschreiber: