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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 1/2} 
1P.134/2002 
1P.194/2002/sch 
 
Urteil vom 21. Mai 2002 
I. Öffentlichrechtliche Abteilung 
 
Bundesgerichtsvizepräsident Aemisegger, Präsident, 
Bundesrichter Aeschlimann, Fonjallaz, 
Gerichtsschreiber Haag. 
 
Verein gegen Tierfabriken Schweiz (VgT), 
Beschwerdeführer, 
handelnd durch Erwin Kessler, Im Büel 2, 9546 Tuttwil, 
 
gegen 
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau, 
Staubeggstrasse 8, 8500 Frauenfeld, 
Anklagekammer des Kantons Thurgau, 
Marktgasse 9, Postfach 339, 9220 Bischofszell. 
 
Art. 29 BV, Art. 6 EMRK - Rechtsverweigerung 
 
Staatsrechtliche Beschwerden gegen den Nichterlass einer Verfügung (1P.134/2002) sowie gegen die Verfügung der Anklagekammer des Kantons Thurgau vom 9. April 2002 (1P.194/2002) 
 
Sachverhalt: 
A. 
Der Verein gegen Tierfabriken erstattete am 15. September 2000 beim Bezirksamt Münchwilen Strafanzeige gegen Hansueli Jost wegen Verstosses gegen die Tierschutzgesetzgebung. Da die Anzeige im September 2001 beim Bezirksamt Münchwilen immer noch hängig war, erhob der Verein gegen Tierfabriken am 6. September 2001 bei der Anklagekammer des Kantons Thurgau Beschwerde wegen Rechtsverweigerung. Da diese Beschwerde im März 2002 noch nicht beurteilt war, gelangte der Verein gegen Tierfabriken am 7. März 2002 mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Rechtsverweigerung an das Bundesgericht (Verfahren 1P.134/2002). 
Mit Verfügung vom 9. April 2002 leitete der Präsident der Anklagekammer die Beschwerdeschrift des Vereins gegen Tierfabriken vom 6. September 2001 als förmliches Ersuchen um Akteneinsicht im Strafverfahren gegen Hansueli Jost an das Bezirksamt Münchwilen weiter. 
B. 
Der Verein gegen Tierfabriken erhebt gegen diese Verfügung des Präsidenten der Anklagekammer staatsrechtliche Beschwerde wegen Rechtsverweigerung und beantragt im Wesentlichen, die beanstandete Verfügung sei aufzuheben (Verfahren 1P.194/2002). 
C. 
Das Bundesgericht teilte den Verfahrensbeteiligten am 15. April 2002 mit, es werde in Aussicht genommen, das Verfahren 1P.134/2002 als erledigt abzuschreiben. Der Präsident der Anklagekammer beantragt, die Kosten für die Abschreibung des Verfahrens seien dem Beschwerdeführer aufzuerlegen und es seien ihm keine Parteikosten zuzusprechen. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Die beiden staatsrechtlichen Beschwerden betreffen dieselbe Angelegenheit, und es ist gerechtfertigt, sie in einem Urteil zu behandeln. 
2. 
Mit der Verfügung des Präsidenten der Anklagekammer vom 9. April 2002 wurde das zuständige Bezirksamt Münchwilen beauftragt, über das Akteneinsichtsrecht des Beschwerdeführers förmlich zu entscheiden. Damit wird das staatsrechtliche Beschwerdeverfahren 1P.134/2002, in welchem die Untätigkeit der Anklagekammer kritisiert worden war, gegenstandslos. Das Verfahren ist somit nach Art. 40 OG in Verbindung mit Art. 72 BZP wegen des nachträglichen Wegfalls des Rechtsschutzinteresses als erledigt abzuschreiben (vgl. BGE 118 Ia 488 E. 1a S. 490 und E. 3c S. 494). 
 
Art. 72 BZP bestimmt, dass bei diesem Verfahrensausgang über die Prozesskosten mit summarischer Begründung auf Grund der Sachlage vor Eintritt des Erledigungsgrundes zu entscheiden ist. Bei der Beurteilung der Kosten- und Entschädigungsfolgen ist somit in erster Linie auf den mutmasslichen Ausgang des Verfahrens abzustellen. Lässt sich dieser im konkreten Fall nicht feststellen, so sind allgemeine prozessrechtliche Kriterien heranzuziehen: Danach wird jene Partei kosten- und entschädigungspflichtig, welche das gegenstandslos gewordene Verfahren veranlasst hat oder bei welcher die Gründe eingetreten sind, die dazu geführt haben, dass der Prozess gegenstandslos geworden ist. Die Regelung bezweckt, denjenigen, der in guten Treuen Beschwerde erhoben hat, nicht im Kostenpunkt dafür zu bestrafen, dass die Beschwerde infolge nachträglicher Änderung der Umstände abzuschreiben ist, ohne dass ihm dies anzulasten wäre (BGE 118 Ib 488 E. 4a S. 494 f.). Die Kostenfolgen der vorliegenden Verfahren sind nachfolgend in E. 4 zu regeln. 
3. 
3.1 Der Beschwerdeführer kritisiert eine formelle Rechtsverweigerung, doch übersieht er, dass das Bundesgericht gemäss Art. 90 Abs.1 lit. b OG nur klar und detailliert erhobene Rügen prüft (Rügeprinzip), welche soweit möglich zu belegen sind. Auf ungenügend begründete Rügen und rein appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 127 I 38 E. 3c S. 43; 117 Ia 393 E. 1c S. 395, je mit Hinweisen). 
3.2 Beim angefochtenen Entscheid des Präsidenten der Anklagekammer vom 9. April 2002 handelt es sich um einen Zwischenentscheid, der das Strafverfahren nicht abschliesst, sondern das Bezirksamt Münchwilen anweist, über das Gesuch des Beschwerdeführers um Akteneinsicht zu entscheiden. Es fragt sich daher, ob er für den Beschwerdeführer einen rechtlichen, nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 87 Abs. 2 OG zur Folge hat und demnach angefochten werden kann. Ein solcher Nachteil liegt nur vor, wenn ein für den Beschwerdeführer günstiger Endentscheid die durch den Zwischenentscheid entstandenen Nachteile nicht mehr zu beheben vermag. Eine blosse Verlängerung oder Verteuerung des Verfahrens genügt demgegenüber für die Annahme eines nicht wieder gutzumachenden rechtlichen Nachteils nicht (BGE 117 Ia 251 E. 1b S. 253, 117 Ia 396 E. 1 S. 398, 116 Ia 442 E. 1c S. 446, 115 Ia 311 E. 2c S. 314). Gestützt auf diese Rechtsprechung hat das Bundesgericht das Vorliegen eines nicht wieder gutzumachenden rechtlichen Nachteils bei Verweigerung der Akteneinsicht im Rahmen der Strafuntersuchung verneint (Urteil 1P.572/ 2000 vom 24. November 2000). 
 
Auch im vorliegenden Fall ist kein nicht wieder gutzumachender rechtlicher Nachteil gegeben. Der Beschwerdeführer bringt zwar vor, er habe Anspruch auf einen Entscheid innert angemessener Frist und die Weiterleitung seines Gesuchs an das Bezirksamt Münchwilen sei sinnlos, da er dort bereits vergeblich ein entsprechendes Gesuch gestellt habe. Sinngemäss behauptet er, das Durchlaufen des Instanzenzugs stelle eine leere, zwecklose Formalität dar. Ob die Kritik des Beschwerdeführers an der Verfahrensführung durch die kantonalen Instanzen berechtigt ist, kann nicht im vorliegenden Verfahren entschieden werden. Das Bundesgericht könnte auf die Beschwerde in Anwendung von Art. 87 Abs. 2 OG auch dann nicht eintreten, wenn das Gesuch um Akteneinsicht materiell behandelt und abgewiesen worden wäre, da es sich auch bei einem solchen Entscheid um einen Zwischenentscheid ohne nicht wieder gutzumachenden rechtlichen Nachteil handeln würde (Urteil des Bundesgerichts 1P.572/2000 vom 24. November 2000). Um so mehr trifft dies auf den im vorliegenden Fall umstrittenen Entscheid zu, in welchem die letzte kantonale Instanz über die Akteneinsicht noch gar nicht entschieden hat, sondern statt dessen die Strafuntersuchungsbehörde aufforderte, einen erstinstanzlichen Entscheid über die Akteneinsicht zu fällen. Auf die staatsrechtliche Beschwerde gegen diesen Zwischenentscheid kann das Bundesgericht somit in Anwendung von Art. 87 Abs. 2 OG nicht eintreten. 
4. 
Bei diesem Ausgang des bundesgerichtlichen Verfahrens sind die Gerichtskosten grundsätzlich dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG). In Bezug auf das Verfahren 1P.134/2002 kann angesichts der Umstände der Angelegenheit auf die Erhebung von Gerichtskosten verzichtet werden. Die Gerichtsgebühr für das Verfahren 1P.194/2002 ist indessen vom Beschwerdeführer zu bezahlen. Eine Parteientschädigung ist nicht zuzusprechen (Art. 159 Abs. 2 OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht im Verfahren nach Art. 36a OG
 
1. 
Auf die staatsrechtliche Beschwerde im Verfahren 1P.194/2002 wird nicht eingetreten. 
2. 
Das Verfahren 1P.134/2002 wird als gegenstandslos abgeschrieben. 
3. 
Die Gerichtsgebühr im Verfahren 1P.194/2002 von Fr. 1'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt. 
4. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft und der Anklagekammer des Kantons Thurgau schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 21. Mai 2002 
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: