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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
6B_366/2010 
 
Urteil vom 21. September 2010 
Strafrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Favre, Präsident, 
Bundesrichter Mathys, Bundesrichterin 
Jacquemoud-Rossari, 
Gerichtsschreiberin Binz. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, vertreten durch Fürsprecher Peter Stein, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8001 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Grobe Verletzung von Verkehrsregeln; willkürliche Beweiswürdigung, Verletzung des rechtlichen Gehörs, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Strafkammer, vom 11. Februar 2010. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
X._______ wird vorgeworfen, am 7. März 2008 auf der Autobahn A 53 einen Personenwagen mit übersetzter Geschwindigkeit gelenkt zu haben. In der Folge wurde er erstinstanzlich der groben Verletzung der Verkehrsregeln schuldig gesprochen und mit einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu Fr. 100.-- bestraft. Das Obergericht des Kantons Zürich wies mit Urteil vom 11. Februar 2010 die von X._______ dagegen erhobene Berufung ab. 
 
B. 
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt X._______, der Entscheid des Obergerichts sei aufzuheben und das Dossier zu ergänzender Beweisabnahme und Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Die Beschwerde richtet sich gegen die (vorweggenommene) Beweiswürdigung der Vorinstanz. Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör sowie das Recht auf Vernehmung von Entlastungszeugen gemäss Art. 6 EMRK
 
1.1 Die Vorinstanz führt aus, die Aussagen des Beschwerdeführers seien in wesentlichen Punkten widersprüchlich und an das jeweilige Untersuchungsergebnis angepasst. Zuerst habe der Beschwerdeführer ausgesagt, er oder sein Cousin "A.________" könnten den Personenwagen gelenkt haben. Später sei er sich sicher gewesen, dass sein Cousin "B.________" der Lenker gewesen sei. Die Version des Beschwerdeführers, sein Cousin trage den Rufnamen "A.________", sei nicht überzeugend. Der angebliche Cousin, welcher "A.________" genannt werden wolle, habe sich in seiner (ersten) Bestätigung als "B.C.________" bezeichnet und eine entsprechende E-Mail-Adresse angegeben. Auffällig für eine vorgetäuschte Bestätigung sei insbesondere der Umstand, dass er in der nachträglichen Bestätigung seine Anschrift, sein "Geständnis" sowie die Namensangabe bei der Unterschrift auf "B.A.C.________" abgeändert habe. Die Angaben des Beschwerdeführers seien als unglaubhaft zu qualifizieren (angefochtenes Urteil E. 2.3 S. 16 ff.). Zum Beweisantrag des Beschwerdeführers auf gerichtliche Einvernahme seines Vaters hält die Vorinstanz fest, selbst auf eine Zeugenaussage könnte nicht abgestellt werden. Es sei auffällig, dass die ursprünglichen Bestätigungen sowohl des Cousins als auch des Vaters des Beschwerdeführers von einem falschen Zeitpunkt bzw. Zeitraum ausgingen. Der Cousin habe bestätigt, am 7. April 2008 zu schnell mit dem Personenwagen unterwegs gewesen zu sein. Etwas später habe der Vater in einer "eidesstattlichen Bestätigung" angegeben, dem Cousin den Fahrzeugschlüssel am 5. April 2008 übergeben zu haben, wobei der Cousin erst am 11. April 2008 wieder zurückgekommen sei. Interessanterweise habe der Beschwerdeführer bei der ersten Instanz davon gesprochen, dem Cousin das Fahrzeug vom 5. bis am 11. April 2008 ausgeliehen zu haben. Erst auf Vorhalt, die Geschwindigkeitsübertretung sei bereits am 7. März 2008 erfolgt, habe der Beschwerdeführer offenbar sein Versehen bemerkt und die Angabe mit "3. bis 12. März 2008" korrigiert. Einen Tag später habe der angebliche Cousin eine neue Bestätigung verfasst, in welcher die Geschwindigkeitsübertretung vom 7. März 2008 datiere. In der Folge habe auch der Vater in seiner abgeänderten Bestätigung angegeben, den Schlüssel am 5. März 2008 übergeben und am 11. März 2008 zurückerhalten zu haben. Verdächtig für eine Absprache sei ausserdem, dass der Vater des Beschwerdeführers in der ersten Bestätigung vom Neffen "B.C.________" gesprochen habe. In der Ergänzung und Korrektur habe er ausdrücklich festgehalten, der volle Name laute "B.A.C.________". Auffällig sei zudem die weitgehend graphische Übereinstimmung der "Ergänzung und Korrektur" des Vaters und des zweiten "Persönlichen Geständnisses" des Cousins. Auch die durchwegs schlechte Ortographie sämtlicher Bestätigungsschreiben deute auf den selben Urheber hin. Bei dieser Ausgangslage könne eine Zeugeneinvernahme des Vaters des Beschwerdeführers in antizipierter Beweiswürdigung unterbleiben (angefochtenes Urteil E. 2.4 S. 24 ff.). 
 
1.2 Der Beschwerdeführer bringt vor, aus der schriftlichen Stellungnahme seines Vater gehe hervor, dass er sich im Tatzeitpunkt in Deutschland aufgehalten habe und dass sein Vater am 5. März 2008 dem Cousin den Autoschlüssel übergeben habe. Sein Vater stehe nach wie vor zu seiner schriftlich deponierten Aussage, obwohl er mehrfach auf die Folgen einer falschen Zeugenaussage aufmerksam gemacht worden sei. Die Zeugenaussage würde einen gewichtigen Entlastungsbeweis darstellen, mit welchem sich die Vorinstanz auseinanderzusetzen hätte. Es würden keine derart stichhaltigen Beweise vorliegen, dass auf die Abnahme entlastender Beweise verzichtet werden dürfte. Indem die Vorinstanzen seinen Beweisantrag in der Annahme ablehnen würden, dies könne nichts am Beweisergebnis ändern, verletzten sie seinen Anspruch auf rechtliches Gehör in willkürlicher Art und Weise. Sein Cousin habe als anonymer Zeuge mittels schriftlicher Stellungsnahme ein persönliches Geständnis abgelegt. Die Vorinstanzen verunmöglichten ihm, dieses mit einer Zeugenaussage seines Vaters zu untermauern. 
 
1.3 Der in Art. 29 Abs. 2 BV gewährleistete Anspruch auf rechtliches Gehör verlangt, dass die Behörden die Vorbringen des vom Entscheid in seiner Rechtsstellung Betroffenen auch tatsächlich hören, prüfen und in der Entscheidfindung berücksichtigen. Keine Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt vor, wenn eine Behörde auf die Abnahme beantragter Beweismittel verzichtet, weil sie aufgrund der bereits abgenommenen Beweise ihre Überzeugung gebildet hat und ohne Willkür in vorweggenommener Beweiswürdigung annehmen kann, ihre Überzeugung würde durch weitere Beweiserhebungen nicht geändert (BGE 136 I 229 E. 5.2 und 5.3 S. 236 f. mit Hinweisen). Gemäss Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK hat der Angeschuldigte im Strafverfahren das Recht, Fragen an die Belastungszeugen zu stellen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie sie für Belastungszeugen gelten. 
Auf dem Gebiet der Beweiswürdigung ist die Kognition des Bundesgerichts auf Willkür beschränkt. Willkür liegt nach ständiger Rechtsprechung vor, wenn der Entscheid offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft (BGE 135 I 313 E. 1.3 S. 316; 135 II 356 E. 4.2.1 S. 362; je mit Hinweisen). 
 
1.4 Vorab ist festzuhalten, dass lediglich das vorinstanzliche Urteil Anfechtungsobjekt der vorliegenden Beschwerde bildet (Art. 80 Abs. 1 BGG). Auf die Vorbringen des Beschwerdeführers, welche sich auf das Verhalten der Untersuchungsbehörde sowie der ersten Instanz beziehen, ist deshalb nicht einzutreten. Ausgangspunkt der vorinstanzlichen Beweiswürdigung ist die Haltereigenschaft des Beschwerdeführers am betreffenden Personenwagen sowie seine Ähnlichkeit mit der auf dem Radarfoto abgebildeten Person (angefochtenes Urteil E. 2.5 S. 27). Die Vorinstanz untermauert diese Indizien für die Täterschaft des Beschwerdeführers mit einer Würdigung seiner Aussagen. Sie legt umfassend dar, wieso sie die Bestätigungen des angeblichen Cousins und des Vaters des Beschwerdeführers als gefälscht und deshalb als ungeeignet für einen Entlastungsbeweis erachtet. Anhand zahlreicher Kriterien zeigt die Vorinstanz auf, inwiefern die Aussagen des Beschwerdeführers nicht glaubhaft sind. So würdigt sie dessen Stellungnahmen betreffend Sehhilfe (angefochtenes Urteil E. 2.3.3 S. 20 f.), Anwesenheit am Tatort (angefochtenes Urteil E. 2.3.6 S. 22), Übergabe des Autoschlüssels an den Cousin (angefochtenes Urteil E. 2.3.7 S. 23) sowie Dauer der Ausleihe des Personenwagens (angefochtenes Urteil E. 2.3.8 S. 23 f.). Auf diese umfassende Aussageanalyse kann verwiesen werden (Art. 109 Abs. 3 BGG). Die Vorinstanz zieht schliesslich das Verhalten des Beschwerdeführers im Untersuchungsverfahren in ihre Beweiswürdigung ein. Sie hält fest, der Beschwerdeführer habe die Vornahme von erkennungsdienstlichen Massnahmen (Fotografie, 3D-Scanning) und damit auch die Möglichkeit eines Entlastungsbeweises mit fadenscheinigen Argumenten verweigert (angefochtenes Urteil E. 2.5.3 und 2.5.5 S. 27 f.). Die Vorinstanz verzichtet auf eine gerichtliche Einvernahme des Vaters des Beschwerdeführers, weil sie ihre Überzeugung aufgrund bereits abgenommener Beweise gebildet hat. Sie konnte ohne Willkür annehmen, ihre Überzeugung werde durch weitere Beweiserhebungen nicht geändert. Diese vorweggenommene Beweiswürdigung stellt keine Verletzung von verfassungsmässigen Rechten dar. Die Rüge des Beschwerdeführers erweist sich als unbegründet. 
 
2. 
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 21. September 2010 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: 
 
Favre Binz