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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
6S.249/2002 /kra 
 
Urteil vom 21. November 2002 
Kassationshof 
 
Bundesrichter Schubarth, Präsident, 
Bundesrichter Schneider, Wiprächtiger, Kolly, Karlen, 
Gerichtsschreiber Kipfer Fasciati. 
 
X.________, 
Beschwerdeführer, vertreten durch Advokat Felix Moppert, Lohweg 10, 4054 Basel, 
 
gegen 
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt, Binningerstrasse 21, Postfach, 4001 Basel. 
 
Veruntreuung, Betrug und mehrfache Urkundenfälschung, 
 
Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt, Ausschuss, vom 7. Januar 2002. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Das Strafgericht Basel-Stadt erkannte mit Urteil vom 21. Juni 1999 X.________ der mehrfachen qualifizierten Veruntreuung (Art. 138 Ziff. 1 und 2 StGB), des Betruges (Art. 148 Ziff. 1 aStGB) und der mehrfachen Urkundenfälschung (Art. 251 Ziff. 1 StGB) schuldig und verurteilte ihn zu dreieinhalb Jahren Zuchthaus. Es verpflichtete ihn ferner zu Schadenersatz im Betrag von Fr. 4'000'000.--. 
 
Mit Urteil vom 7. Januar 2002 hiess das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt nach einer Parteiverhandlung die Appellation X.________s teilweise gut, sprach ihn von der Anklage des Betrugs frei und setzte die Strafe neu auf zwei Jahre und neun Monate Zuchthaus fest. Im Übrigen bestätigte es das erstinstanzliche Urteil. 
B. 
Das Urteil des Appellationsgerichts beruht im Wesentlichen auf folgendem Sachverhalt: 
 
X.________ fungierte während 40 Jahren als massgeblicher Verantwortlicher der A.________-Gruppe; diese war in der A.________ Holding zusammengefasst. X.________ war zusammen mit den beiden Firmeninhabern Mitglied des Verwaltungsrates der Holding. Zur Gruppe gehörten insbesondere das Chemie-Unternehmen B.________ AG und deren Tochtergesellschaften. X.________ hatte in der Gruppe zahlreiche Verwaltungsratsmandate inne und genoss das volle Vertrauen der beiden Firmeninhaber, die ihm in allen Geschäftsbelangen freie Hand liessen. 
 
Ende 1989 liess sich X.________, damals auch Verwaltungsratspräsident der B.________ AG, zu Lasten eines Kontos der polnischen B.________-Tochter einen Verrechnungsscheck über Fr. 4'000'000.-- ausstellen, löste ihn ein und verwendete das Geld für private Zwecke, ohne zum sofortigen Ersatz fähig und willens zu sein. 1993 überwiesen Unternehmen der A.________-Gruppe der X.________ gehörenden C.________AG insgesamt Fr. 4'886'056.--, damit diese sie als Treuhänderin verwalte; X.________ brauchte den wesentlichen Teil des Geldes für eigene Zwecke, ohne zum sofortigen Ersatz fähig und willens zu sein, und er unterliess es, die entsprechende Schuld in der Bilanz der C.________AG aufzuführen. Im Jahre 1995 schliesslich liess X.________ auf Briefpapier, das die Inhaber der A.________-Gruppe früher blanko unterschrieben hatten, einen Text verfassen, wonach er mit Wirkung ab 1957 für seine persönlichen Bemühungen jährlich Fr. 600'000.-- nachträglich berechnen dürfe; er gab diese Falsifikate zu den Akten zweier Gerichtsverfahren, die wegen der veruntreuten Gelder gegen ihn liefen. 
C. 
X.________ führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde. (Das gleichzeitig gestellte Gesuch um Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege zog er wieder zurück.) Die in derselben Sache eingereichte staatsrechtliche Beschwerde wies das Bundesgericht mit Entscheid vom heutigen Tag ab, soweit es überhaupt darauf eintrat. 
 
Die Staatsanwaltschaft und das Appellationsgericht beantragen die Abweisung der Beschwerde. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Der Beschwerdeführer bringt vor, zu Unrecht in Anwendung von Art. 138 Ziff. 2 StGB verurteilt worden zu sein, weil er nicht berufsmässiger Vermögensverwalter im Sinne dieser Bestimmung gewesen sei. In der Hauptsache wendet er ein, als Verwaltungsratsmitglied zwar verschiedene Führungsaufgaben, nicht aber die Vermögensverwaltung wahrgenommen zu haben. Eine Verurteilung nach dem Grundtatbestand der Veruntreuung komme aber nicht in Frage, weil die inkriminierten Handlungen als einfache Veruntreuungen verjährt seien. 
1.1 Der Beschwerdeführer hat die ihm vorgeworfenen Taten vor Inkrafttreten des neuen Vermögensstrafrechts am 1. Januar 1995 begangen. Es ist deshalb vorab zu prüfen, welches Recht als das mildere anzuwenden ist. Die Vorinstanz wendet das neue Recht an, weil dieses keine erhöhte Mindeststrafe vorsieht. 
 
Die Frage nach dem anwendbaren Recht ist bei einer möglicherweise verjährten Tat zunächst unter dem Gesichtspunkt des milderen Verjährungsregimes zu prüfen. Nach Art. 140 Ziff. 1 aStGB ist der Grundtatbestand der Veruntreuung ein Vergehen, welches gemäss dem bis zum 31. Dezember 1994 geltenden Art. 70 aStGB in fünf bzw. siebeneinhalb Jahren verjährt, wohingegen eine Tat nach dem Grundtatbestand von Art. 138 Ziff. 1 nStGB als Verbrechen in zehn bzw. fünfzehn Jahren verjährt. Erst wenn fest steht, dass die Tat überhaupt noch verfolgt werden kann, ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, welches Recht als materiell milderes anzuwenden ist. In casu wäre dieser Punkt jedoch nur dann von Belang, wenn der Beschwerdeführer zu Unrecht der qualifizierten Veruntreuung schuldig gesprochen worden wäre. 
 
Sowohl die Verjährungsfristen wie auch die objektiven Tatbestandserfordernisse der qualifizierten Veruntreuung sind im alten und im neuen Recht identisch. Das neue Recht ist hinsichtlich der Strafdrohung milder als das alte Recht. 
1.2 Der qualifizierte Tatbestand der Veruntreuung mit einer Höchststrafe von zehn Jahren Zuchthaus ist namentlich erfüllt, wenn der Täter die Tat als berufsmässiger Vermögensverwalter begeht (Art. 138 Ziff. 2 StGB). 
 
Berufsmässige Vermögensverwaltung ist nicht leichthin anzunehmen; nicht jede Person, die in Ausübung ihres Berufs Vermögen anvertraut erhält, kann als berufsmässiger Vermögensverwalter angesehen werden. Ein solcher ist nur, wer Vermögenswerte von Drittpersonen in deren Interesse und im Rahmen allfälliger Anweisungen selbständig und berufsmässig verwaltet. Berufsmässig ist diese Tätigkeit, wenn sie einen bedeutenden Teil der Erwerbstätigkeit des Verwalters darstellt und einen erheblichen Umfang aufweist (BGE 117 IV 20 E. 1b; 100 IV 30). 
 
Das Organ und der Angestellte einer juristischen Person, welche gemäss ihrem Zweck Vermögen verwaltet, gelten als berufsmässige Vermögensverwalter, wenn sie intern für die Verwaltung von Kundenvermögen verantwortlich sind (Art. 172 StGB; vgl. BGE 120 IV 182 E. 1b; 110 IV 15 E. 4; 106 IV 20 E. 2b). Anders verhält es sich hingegen mit dem Gesellschaftsvermögen selbst. So ist namentlich das Verwaltungsratsmitglied einer Aktiengesellschaft nicht berufsmässiger Vermögensverwalter; es ist in Bezug auf die Gesellschaft auch nicht ein Dritter, sondern als Organ Teil der Gesellschaft (vgl. BGE 121 III 176 E. 4d). Zwar kann es über das Vermögen der Gesellschaft bestimmen, tut dies aber im Rahmen seiner Aufgaben als Organ der Gesellschaft. Mit der Wahl zum Organ empfängt der Gewählte nicht Gesellschaftsvermögen, um dieses im Interesse der Gesellschaft zu verwalten; die Gesellschaft behält Gewahrsam an den betreffenden Vermögenswerten und verwaltet sie, wenn auch durch ihre Organe, weiterhin selbst. 
 
Wer Drittpersonen nur berät, ist ebenfalls nicht Vermögensverwalter, weil er nicht selbständig über Vermögenswerte des Beratenen verfügen kann; die Verfügungsmacht bleibt beim Eigentümer. 
1.3 Der Beschwerdeführer bekleidete in der A.________-Gruppe zahlreiche Verwaltungsratsmandate. Das ist aber - wie auch die Staatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme einräumt - für die Frage, ob er ein berufsmässiger Vermögensverwalter war, nicht entscheidend. 
 
Der Beschwerdeführer genoss das volle Vertrauen der Inhaber der A.________-Gruppe, die ihm freie Hand liessen, seine Vorschläge stets billigten und sich sogar in privaten Angelegenheiten von ihm beraten liessen. Der Beschwerdeführer spielte also in der Leitung und Verwaltung der A.________-Gruppe offensichtlich die massgebliche Rolle. Doch auch dies macht ihn noch nicht zum berufsmässigen Vermögensverwalter. Entscheidend ist, ob er seine Tätigkeit in der Eigenschaft eines Organs der Gruppe bzw. einzelner Tochtergesellschaften wahrgenommen hat oder ob er als Mandatar, als aussenstehender Dritter handelte, den die Firmeninhaber oder einzelne Gesellschaften damit beauftragt hatten. 
1.4 Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz, die sich auf die eigenen Angaben des Beschwerdeführers stützen, lagen die Umsetzung der Beschlüsse, die die Oberleitung der A.________-Gruppe fällte, sowie die daraus resultierenden Führungs- und Kontrollarbeiten in der Hand des Beschwerdeführers und in jener weiterer Mitarbeiter der vom Beschwerdeführer gegründeten und geleiteten D.________ AG; dazu gehörten namentlich Verkäufe von Firmen, die Finanzplanung und die Beschaffung der notwendigen Finanzmittel, die gesamte Buchhaltung aller Konzernfirmen. Wie der Beschwerdeführer ferner selbst erklärte, nahmen er und die D.________ AG recht eigentlich ein Generalmanagement für die Firmeninhaber und ihre Unternehmungen wahr. 
 
Diese Feststellungen sind summarisch; Einzelheiten des angesprochenen Generalmanagements sind nicht abgeklärt worden. Die Feststellungen lassen jedoch den Schluss zu, dass der Beschwerdeführer, auch wenn er Führungsentscheide wohl oft in der Funktion eines Organs der Gesellschaften der A.________-Gruppe fällte, diese dann nicht in dieser Eigenschaft umsetzte. Die Umsetzung erfolgte vielmehr über die dem Beschwerdeführer gehörende und von ihm geleitete D.________ AG, die darüber hinaus auch noch andere Aufgaben im Rahmen der Verwaltung der A.________-Gruppe wahrnahm. Die D.________ AG war demzufolge während vieler Jahre beauftragt, in einem wesentlichen Umfang das Vermögen der A.________-Gruppe im Rahmen der von deren Organen getroffenen Entscheiden zu verwalten. 
 
Dass dem so war, zeigt der Fall des Verrechnungsschecks von Fr. 4'000'000.--. Die erforderliche Zweitunterschrift auf dem Auftrag an die Bank zum Ausstellen des Schecks zu Lasten der polnischen B.________-Tochter leistete das für das operative Geschäft der B.________ AG zuständige Mitglied der Direktion der D.________ AG. Daraus geht hervor, dass der Verrechnungsscheck im Rahmen der Verwaltung der B.________ AG durch die D.________ AG ausgestellt wurde, welche mit der Vermögensverwaltung der A.________-Gruppe faktisch betraut war. Dasselbe gilt auch für den zweiten beurteilten Fall: Die hier veruntreuten Gelder der A.________-Gruppe waren einer Tochtergesellschaft der D.________ AG explizit zum Zwecke der Verwaltung übergeben worden. Die Qualifikation des Beschwerdeführers als eines berufsmässigen Vermögensverwalters im Sinne von Art. 140 Ziff. 2 aStGB resp. Art. 138 Ziff. 2 nStGB ist unter diesen Umständen nicht zu beanstanden. 
 
Die Beschwerde ist demnach abzuweisen. 
2. Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat der Beschwerdeführer die Kosten zu tragen (Art. 278 Abs. 1 BStP). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt. 
3. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt und dem Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt, Ausschuss, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 21. November 2002 
Im Namen des Kassationshofes 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: