Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
[AZA 0/2] 
5P.398/2000/sch 
 
II. Z I V I L A B T E I L U N G ******************************** 
 
 
21. Dezember 2000 
 
Es wirken mit: Bundesrichter Reeb, Präsident der II. Zivilabteilung, 
Bundesrichter Merkli, Bundesrichter Meyer und 
Gerichtsschreiber von Roten. 
 
--------- 
 
In Sachen 
H.S.________ und G.S.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Patrick Stutz, Bahnhofstrasse 42, 5401 Baden, 
 
gegen 
Obergericht (3. Zivilkammer) des Kantons Aargau, 
 
betreffend 
Art. 9, Art. 29 Abs. 1 und Art. 49 Abs. 1 BV 
(Frist zur Erklärung über den Erwerb der Erbschaft), 
wird im Verfahren nach Art. 36a OG 
festgestellt und in Erwägung gezogen: 
 
1.- H.S.________ und G.S.________ sind Erben der am 21. April 1997 verstorbenen S.E.________, über deren Nachlass ein Inventar im Sinne von Art. 580 ff. ZGB aufgenommen wurde. Die Frist zur Erklärung über den Erwerb der Erbschaft erstreckte ihnen der Gerichtspräsident von Zurzach letztmals bis 31. Mai 2000. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Obergericht (3. Zivilkammer) des Kantons Aargau ab (Ziffer 1) und setzte H.S.________ und G.S.________ "für die Erklärung über Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft eine Nachfrist von 10 Tagen ab Zustellung dieses Urteils" an (Ziffer 2 des Urteils vom 19. September 2000). 
 
 
Dem Bundesgericht beantragen H.S.________ und G.S.________ mit staatsrechtlicher Beschwerde die Aufhebung des obergerichtlichen Urteils. Sie rügen eine Verletzung ihres Anspruchs auf Behandlung ohne Willkür und nach Treu und Glauben (Art. 9 BV), ihres Anspruchs auf gleiche und gerechte Behandlung (Art. 29 Abs. 1 BV) sowie des Vorrangs des Bundesrechts (Art. 49 Abs. 1 BV). Das Obergericht hat unter Hinweis auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil auf Gegenbemerkungen verzichtet. Der Präsident der II. Zivilabteilung des Bundesgerichts hat der Beschwerde antragsgemäss die aufschiebende Wirkung zuerkannt und Obergericht wie Gerichtspräsidium angewiesen, bis zum Abschluss des bundesgerichtlichen Verfahrens das obergerichtliche Urteil nicht zu vollstrecken und von einer Publikation im Amtsblatt des Kantons Aargau abzusehen (Verfügungen vom 24. Oktober und vom 9. November 2000). 
Die von H.S.________ und G.S.________ gleichzeitig gegen das nämliche Urteil eingelegte eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde hat das Bundesgericht vorweg beurteilt und abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden konnte und soweit sie nicht gegenstandslos geworden war. 
 
2.- Der formelle Antrag der Beschwerdeführer, das angefochtene Urteil aufzuheben, geht weiter als die materielle Begründung und bezieht sich danach ausschliesslich auf die Nachfristansetzung gemäss Ziffer 2 des angefochtenen Urteils (S. 2 und S. 10 Ziffer 2.3.2.1 der Beschwerdeschrift). 
 
3.- Die Beschwerdeführer verweisen zu Recht darauf, dass in der vorliegenden Zivilsache, die dem Bundesgericht fraglos nicht mit Berufung unterbreitet werden kann, die Verletzung der derogatorischen Kraft bzw. des Vorrangs des Bundesrechts mit Nichtigkeitsbeschwerde vorzubringen ist (Art. 68 Abs. 1 lit. a OG; zuletzt: BGE 122 I 351 E. 1c S. 353), dergegenüber die staatsrechtliche Beschwerde nachgeht (Art. 84 Abs. 2 OG). Mit dieser machen sie geltend, es liege alternativ ein Willkürtatbestand nach Art. 9 BV und eine Verletzung der Art. 46 und Art. 49 BV vor, sollte das Vorgehen des Obergerichts wider Erwarten nicht den - mit Nichtigkeitsbeschwerde gerügten - Tatbestand der Verletzung des Vorrangs des Bundesrechts erfüllen. Soweit die Beschwerdeführer aus Art. 46 und Art. 49 BV lediglich die derogatorische Kraft des Bundesrechts ableiten und eine Verletzung dieses Grundsatzes rügen, kann auf ihre staatsrechtliche Beschwerde nicht eingetreten werden. Der Nichtigkeitsgrund gemäss Art. 68 Abs. 1 lit. a OG erfasst direkt den entsprechenden Verfassungsgrundsatz, wie er bisher aus Art. 2 aÜbBest. BV sich ergeben hat und heute in Art. 49 Abs. 1 BV verankert ist (vgl. Poudret/Sandoz-Monod, Commentaire de la loi fédérale d'organisation judiciaire, II, Bern 1990, N. 3.1 zu Art. 68 OG). Neben der Nichtigkeitsbeschwerde kann deshalb nicht dieselbe Verfassungsbestimmung mit staatsrechtlicher Beschwerde als verletzt gerügt werden (Poudret/ Sandoz-Monod, N. 9 zu Art. 68 OG). Gleiches gilt, soweit die Beschwerdeführer nicht bloss eine Missachtung des Vorrangs des Bundesrechts geltend machen, sondern dessen qualifizierte Missachtung im Sinne von Willkür rügen (Art. 84 Abs. 2 OG; Poudret/Sandoz-Monod, N. 2.2 S. 627 f.; vgl. auch N. 1.6.3 und N. 2.2 zu Art. 43 OG). 
 
4.-Die Beschwerdeführer erläutern einleitend, das Rügeprinzip veranlasse sie, "die im Rahmen der Nichtigkeitsbeschwerde hievor dargelegten Ausführungen hier zu wiederholen, mit den entsprechenden Anpassungen" (S. 10). Die obergerichtliche Vorgehensweise, durch Ansetzung einer Nachfrist von nur zehn Tagen die dreissigtägigen Bundesrechtsmittelfristen zu verkürzen, wird in der Beschwerdeschrift nicht nur als Verletzung der derogatorischen Kraft des Bundesrechts gerügt, sondern zudem als Verstoss gegen das Willkürverbot im Sinne von Art. 9 BV und gegen den Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung gemäss Art. 29 Abs. 1 BV
Letztere Bestimmung gewährleistet unter anderem die Gleichbehandlung im Verfahren und untersagt, vergleichbare Sachverhalte ohne sachlichen Grund unterschiedlich zu behandeln (vgl. zu Art. 4 aBV: BGE 125 I 161 E. 3a S. 163 und 166 E. 2a S. 168). Die behauptete Ungleichbehandlung gegenüber jedermann, dem eine Beschwerdefrist von dreissig Tagen zur Verfügung steht, liegt dann vor, wenn die Ansetzung der zehntägigen Nachfrist den Vorrang des Bundesrechts verletz- te und insoweit ohne sachliche Begründung erfolgt wäre. 
Dasselbe gilt für den angeblichen Verstoss gegen Treu und Glauben, den die Beschwerdeführer damit begründen, dass sie durch das obergerichtliche Urteil gezwungen seien, innert der verkürzten Frist von zehn Tagen statt der bundesrechtlich normierten dreissig Tage Beschwerde zu führen (zur Tragweite von Art. 9 BV: BGE 126 II 377 E. 3a S. 387). Beide Rügen sind unbegründet, zumal die angefochtene Nachfristansetzung nicht gegen den Grundsatz der derogatorischen Kraft des Bundesrechts verstösst. Auf die entsprechende E. 4 des Urteils über die Nichtigkeitsbeschwerde kann verwiesen werden. 
Das Obergericht hat deshalb weder den Anspruch der Beschwerdeführer auf Behandlung nach Treu und Glauben (Art. 9 BV) noch denjenigen auf gleiche Behandlung im Verfahren (Art. 29 Abs. 1 BV) verletzt. 
 
5.- Bei diesem Verfahrensausgang werden die Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 und 7 OG). Da der staatsrechtlichen Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden ist, muss die angefochtene Nachfrist neu angesetzt werden (vgl. Birchmeier, Bundesrechtspflege, Zürich 1950, N. 4c zu Art. 94 OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1.- Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.- Den Beschwerdeführern wird für die Erklärung über Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft eine Nachfrist von zehn Tagen ab Zustellung dieses Urteilsdispositivs angesetzt. 
 
3.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird den Beschwerdeführern unter solidarischer Haftbarkeit auferlegt. 
4.- Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern und dem Obergericht (3. Zivilkammer) des Kantons Aargau schriftlich mitgeteilt. 
 
______________ 
Lausanne, 21. Dezember 2000 
 
Im Namen der II. Zivilabteilung 
des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS 
Der Präsident: 
 
Der Gerichtsschreiber: