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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 7} 
I 671/06 
 
Urteil vom 22. Januar 2007 
II. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter U. Meyer, Präsident, 
Bundesrichter Ferrari, Seiler, 
Gerichtsschreiber Flückiger. 
 
Parteien 
T.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Advokat Dr. Marco Biaggi, 
 
gegen 
 
IV-Stelle Basel-Stadt, Lange Gasse 7, 4052 Basel, Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts Basel-Stadt 
vom 9. Mai 2006. 
 
Sachverhalt: 
A. 
T.________ (geb. 1963) erlitt im Juli 1990 eine Knieverletzung. Für deren Folgen richtet ihm die SUVA als obligatorischer Unfallversicherer seit 1. November 2000 eine Invalidenrente von 25 % (später mit Wirkung ab Anspruchsbeginn auf 33 % erhöht) aus. Mit Verfügung vom 11. Oktober 2001 sprach die IV-Stelle Basel-Stadt dem Versicherten eine vom 1. August 1998 bis 31. Oktober 2000 terminierte ganze Invalidenrente zu, was das Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt auf Beschwerde hin bestätigte (Entscheid vom 10. Juni 2002). Das durch Verwaltungsgerichtsbeschwerde angerufene Eidgenössische Versicherungsgericht hob den kantonalen Gerichtsentscheid und die Verwaltungsverfügung auf, soweit sie den Anspruch auf Invalidenrente ab 1. November 2000 verneinten, und wies die Sache zu Aktenergänzungen und neuer Verfügung im Sinne der Erwägungen an die IV-Stelle zurück (Urteil vom 6. Juni 2003). In den Erwägungen wies das Gericht die IV-Stelle an abzuklären, wie der Unfallversicherer das Invalideneinkommen festgesetzt und ob er allenfalls einen behinderungsbedingten Abzug vorgenommen habe. 
 
Mit Verfügung vom 4. Mai 2005 eröffnete die IV-Stelle dem Versicherten, es bleibe bei einer auf den Zeitraum vom 1. August 1998 bis 31. Oktober 2000 befristeten ganzen Invalidenrente; ab 1. November 2000 betrage der Invaliditätsgrad 32 %, was nicht rentenbegründend sei. Daran hielt die Verwaltung mit Einspracheentscheid vom 1. September 2005 fest. 
B. 
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das kantonale Sozialversicherungsgericht ab, "soweit sie sich in der Rentenfrage gegen den Einspracheentscheid vom 1. September 2005 richtet" (Entscheid vom 9. Mai 2006). 
C. 
T.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Rechtsbegehren, es sei die Sache, unter Aufhebung des kantonalen Gerichtsentscheids, "zur Neubeurteilung der Rentenfrage an das Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt zurückzuweisen". 
Während kantonales Gericht und Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung verzichten, schliesst die IV-Stelle auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
1.1 Das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110) ist am 1. Januar 2007 in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Da der angefochtene Entscheid vorher ergangen ist, richtet sich das Verfahren noch nach OG (Art. 132 Abs. 1 BGG; BGE 132 V 395 Erw. 1.2). 
1.2 Der angefochtene Entscheid betrifft Leistungen der Invalidenversicherung. Das Bundesgericht prüft daher nur, ob das vorinstanzliche Gericht Bundesrecht verletzte, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt wurde (Art. 132 Abs. 2 OG [in der Fassung gemäss Ziff. III des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Änderung des IVG, in Kraft seit 1. Juli 2006], in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG). 
1.3 Im Hinblick darauf, dass die Verwaltungsgerichtsbeschwerde am 11. August 2006 der Post übergeben wurde und am 14. August 2006 beim Eidgenössischen Versicherungsgericht einging, ist Art. 132 Abs. 2 OG anwendbar, obwohl der angefochtene Entscheid vom 9. Mai 2006 datiert und somit vor dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung ergangen ist. Die massgebliche Übergangsbestimmung (lit. c von Ziff. II der Gesetzesänderung vom 16. Dezember 2005) erklärt bisheriges Recht für die im Zeitpunkt des Inkrafttretens beim Eidgenössischen Versicherungsgericht anhängigen Beschwerden für anwendbar. Das trifft hier nicht zu. 
2. 
Streitig und zu prüfen ist, ob das kantonale Gericht zu Recht die von der Beschwerdegegnerin erneut verfügte Aufhebung der ganzen Rente auf 31. Oktober 2000 mit Verweigerung weiterer Leistungen mangels eines rentenbegründenden Invaliditätsgrades bestätigt hat. Nach der Rechtsprechung (BGE 125 V 413 Erw. 2d) hat eine solche rückwirkend zugesprochene befristete Invalidenrente auf dem Eintritt erheblicher Tatsachenänderungen, analog zu Art. 17 ATSG, zu beruhen. 
2.1 Das kantonale Gericht erwog, die im Nachgang zum Rückweisungsurteil vom 6. Juni 2003 beim Unfallversicherer vorgenommenen Abklärungen hätten ergeben, dass die SUVA das Invalideneinkommen aufgrund von Angaben aus der Dokumentation von Arbeitsplätzen (DAP) festgelegt habe und dass im Vergleich dazu ein auf den statistischen Werten der Schweizerischen Lohnstrukturerhebung (LSE) beruhender Verdienst selbst mit dem maximalen behinderungsbedingten Abzug von 25 % ein höheres Invalideneinkommen ergebe. Damit sei die IV-Stelle, wie bereits in ihrem Einspracheentscheid zutreffend festgehalten, "der ihr auferlegten Abklärungspflicht nachgekommen"; der Einkommensvergleich sei korrekt und "die Rentenverfügung vom 11. Oktober 2001 (sei) in den anderen Punkten höchstrichterlich bestätigt worden". Die beschwerdeweise vorgebrachten Argumente, es handle sich um eine Rentenrevision und die IV-Stelle habe deren Voraussetzungen nicht geprüft, zielten ins Leere. Die Rentenfrage sei im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nicht weiter zu behandeln. 
2.2 In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird eingewendet, das kantonale Gericht habe zu Unrecht die Frage nach dem Vorliegen der Voraussetzungen einer Rentenrevision nicht geprüft. Wie der Wortlaut der Verfügung vom 4. Mai 2005, wonach im Verlaufe des Jahres 2000 eine nachhaltige Verbesserung des Gesundheitszustandes eingetreten sei, selber zeige, habe die IV-Stelle eine Rentenrevision verfügt und deren Voraussetzungen bejaht. Sowohl der Einspracheentscheid (welcher sich zur Rüge in der Einsprache, die angenommene Verbesserung des Gesundheitszustandes sei nicht ausgewiesen, nicht weiter äussere) als auch der kantonale Gerichtsentscheid würden zu Unrecht auf die Voraussetzungen einer Rentenrevision nicht eingehen. In den auf die Verfügung vom 11. Oktober 2001 folgenden Rechtsmittelverfahren habe der Beschwerdeführer "das Nichtvorliegen der Voraussetzungen einer Rentenrevision nicht gerügt"; aufgrund des "Rügeprinzips konnten und durften die Gerichte die Frage der Rentenrevision nicht prüfen". Dementsprechend habe das Rückweisungsurteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts nur die erhobenen (und als richtig anerkannten) Rügen betreffen können und dürfen. Entgegen den Ausführungen im angefochtenen Entscheid sei die Rentenverfügung vom 11. Oktober 2001 "in den anderen Punkten", konkret in der Frage der Rentenrevision, höchstgerichtlich nicht bestätigt worden, weil keine Rüge zur Frage der Rentenrevision erhoben worden war. Aufgrund der Zulässigkeit neuer rechtlicher Vorbringen, der Rechtsanwendung von Amtes wegen und der fehlenden Bindung an die Begründung der Parteivorbringen sei der Beschwerdeführer berechtigt gewesen, im Anschluss an die Verfügung vom 4. Mai 2005, welche die Frage der Rentenrevision, obgleich knapp, prüfte, diese in seinen Rechtsschriften zu thematisieren. Daher sei das sinngemässe Nichteintreten der Vorinstanz auf die Rechtsfrage, ob die Voraussetzungen der Rentenrevision erfüllt seien, unzulässig. Ein rechtskräftiger Entscheid liege nicht vor, weder formell noch materiell. 
2.3 Die Rügen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde sind rechtlicher Natur, weshalb sie als Fragen des Bundesrechts (Art. 104 lit. a OG) frei zu prüfen sind. 
2.3.1 Dem Beschwerdeführer ist darin beizupflichten, dass Begründungsgesichtspunkte eines Rechtsverhältnisses so lange nicht rechtskräftig beurteilt sind, als nicht über das Rechtsverhältnis als solches ein im Wege des funktionellen Instanzenzuges nicht mehr anfechtbarer Entscheid ergangen ist (BGE 125 V 413 Erw. 2b). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz bildet - abgesehen von der zulässigen Feststellungsverfügung - der Rückweisungsentscheid (Ulrich Meyer-Blaser, Der Streitgegenstand im Streit, Erläuterungen zu BGE 125 V 413, in: IRP-HSG 23, St. Gallen 2002, S. 451 f.): Verweist das Dispositiv eines Rückweisungsentscheides ausdrücklich auf die Erwägungen, werden diese zu dessen Bestandteil und haben, soweit sie zum Streitgegenstand gehören, an der formellen Rechtskraft teil. Dementsprechend sind die Motive, auf die das Dispositiv verweist, für die Behörde, an welche die Sache zurückgewiesen wird, bei Nichtanfechtung verbindlich (BGE 113 V 159 f. Erw. 1c mit Hinweisen). Wird der neue Entscheid der unteren Instanz wiederum weitergezogen, ist auch das Bundesgericht an die Erwägungen gebunden, mit denen es - damals noch als Eidgenössisches Versicherungsgericht - die Rückweisung begründet hat (RKUV 1999 Nr. U 331 S. 127 Erw. 2 mit Hinweisen). Auf Grund der Vorbringen der Parteien ist deshalb zu prüfen, ob die Frage nach den Voraussetzungen einer Rentenrevision im Verfahren, welches zum Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts vom 6. Juni 2003 führte, thematisiert worden war und im letztinstanzlichen Urteil beantwortet wurde. Dessen Gegenstand war - entgegen der vom Beschwerdeführer vertretenen Auffassung - nicht auf die gerügten Gesichtspunkte beschränkt, sondern bezog sich infolge des Grundsatzes der Rechtsanwendung von Amtes wegen auch auf jene Aspekte, die zwar in den Rechtsschriften nicht angesprochen wurden, aber auf Grund der sonstigen Verwaltungs- und Gerichtsakten zu einer Überprüfung Anlass gaben (BGE 125 V 417 oben Erw. 2c, 110 V 52 f. Erw. 4a, je mit Hinweisen). In diesem Zusammenhang gilt es überdies zu beachten, dass Verfügungen und Gerichtsentscheide - vorbehältlich der hier nicht interessierenden Problematik des öffentlich-rechtlichen Vertrauensschutzes - nicht nach ihrem bisweilen unzulänglichen Wortlaut, sondern nach ihrem wirklichen rechtlichen Bedeutungsgehalt zu verstehen sind (BGE 120 V 497 Erw. 1a mit Hinweisen). 
2.3.2 In der Verfügung vom 11. Oktober 2001 führte die IV-Stelle Folgendes aus: "In einer leidensadaptierten Hilfstätigkeit, wie Hilfsarbeiter/Betriebsarbeiter mit leichter körperlicher Arbeit oder als Hilfskraft in der mech.-industriellen Fertigung, wäre Ihnen (...) eine Erwerbstätigkeit ganztags zuzumuten, dabei könnten Sie ein Erwerbseinkommen von Fr. 37'000.- pro Jahr erzielen. Dies wäre Ihnen spätestens ab November 2000 uneingeschränkt zuzumuten, da sich Ihr Gesundheitszustand zunehmend gebessert hat und somit keine rentenbegründenden Einschränkungen mehr ausgewiesen sind, weshalb ab diesem Zeitpunkt die einstweilen zugesprochene Invalidenrente aufgehoben wird." Die Verwaltung begründete die Befristung der Rente also mit einer Verbesserung des Gesundheitszustandes, welche eine Erhöhung des Invalideneinkommens und damit eine Reduktion des Invaliditätsgrades zur Folge gehabt habe. Das Eidgenössische Versicherungsgericht hob in seinem Urteil vom 6. Juni 2003 den kantonalen Gerichtsentscheid und die Verwaltungsverfügung nur insoweit auf, als diese einen Anspruch für die Zeit ab 1. November 2000 verneinten, und ordnete diesbezüglich zusätzliche Abklärungen zum Invalideneinkommen an. Indem das Gericht den Anspruch auf eine ganze Rente für die Zeit bis 31. Oktober 2000, welcher Teil des Anfechtungs- und Streitgegenstandes bildete (BGE 131 V 165 Erw. 2.2 mit Hinweis), bestätigte, hat es somit jedenfalls implizite das Vorliegen der Revisionsvoraussetzungen beurteilt. Unter diesen Umständen stellt es keine Verletzung von Bundesrecht dar, wenn das kantonale Gericht in seinem nunmehr angefochtenen Entscheid vom 9. Mai 2006 die Revisionsfrage mit Blick auf die vorangegangenen Verfahren nicht erneut prüfte, zumal hiezu bei der gegebenen Aktenlage kein Anlass bestand. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist daher unbegründet. 
3. 
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 134 Abs. 2 OG in der seit 1. Juli 2006 geltenden Fassung [vgl. Erw. 1.3 hiervor]). Die Gerichtskosten sind dem Beschwerdeführer als der unterliegenden Partei aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG). 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Die Gerichtskosten in Höhe von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt und mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt, der Ausgleichskasse Basel-Stadt und dem Bundesamt für Sozialversicherungen zugestellt. 
 
Luzern, 22. Januar 2007 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: