Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
8C_777/2015  
   
   
 
 
 
Urteil vom 22. März 2016  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichter Frésard, Bundesrichterin Heine, 
Gerichtsschreiber Jancar. 
 
Verfahrensbeteiligte 
 A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Thomas Brender, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
 AXA Versicherungen AG, General Guisan-Strasse 40, 8400 Winterthur, vertreten durch Rechtsanwältin Marianne I. Sieger, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Unfallversicherung (Kausalzusammenhang; Taggeld), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 31. August 2015. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Die 1962 geborene A.________ war seit 1. Januar 1995 bei der Klinik B.________ als Krankenschwester angestellt und damit bei der Winterthur Schweizerische Versicherungs-Gesellschaft, nunmehr AXA Versicherungen AG (nachfolgend AXA), obligatorisch unfallversichert. Am 13. Dezember 2005 meldete die Arbeitgeberin der AXA, die Versicherte habe am 10. August 2005 einen Zeckenbiss mit nachfolgender Arbeitsunfähigkeit erlitten. Die AXA kam für die Heilbehandlung und das Taggeld auf. Mit Verfügung vom 24. November 2006 stellte sie ihre Leistungen per 1. September 2005 ein. Mit Einspracheentscheid vom 8. März 2007 hob sie die Leistungseinstellung auf, da weitere Abklärungen nötig seien. Sie holte ein interdisziplinäres (rheumatologisches, neuropsychiatrisches, neurologisches und infektiologisches) Gutachten der gutso, Gutachterstelle Solothurn für interdisziplinäre Begutachtungen, Solothurn, vom 6. Juli 2011 ein. Mit Verfügung vom 20. September 2011 stellte die AXA ihre Leistungen per 31. Juli 2011 ein, da zwischen dem Unfall vom 10. August 2005 und den aktuellen Beschwerden keine natürliche Kausalität bestehe. Dagegen erhob die Versicherte Einsprache. Die AXA zog das für die IV-Stelle des Kantons Zürich erstellte interdisziplinäre (internistische, psychiatrische, rheumatologische, neurologische und infektiologische) Gutachten der asim (Academy of Swiss Insurance Medicine), Universitätsspital Basel, Basel, vom 31. Dezember 2012 bei. Mit Entscheid vom 31. Juli 2013 wies sie die Einsprache ab. 
 
B.   
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich ab (Entscheid vom 31. August 2015). 
 
C.   
Mit Beschwerde beantragt die Versicherte, in Aufhebung des kantonalen Entscheides sei ihr auch über den 1. August 2011 hinaus ein Taggeld auf der Basis eines Invaliditätsgrades von 50 % zu entrichten; eventuell sei die Sache zur Ergänzung des Sachverhalts und zur neuen Entscheidung zurückzuweisen, subeventuell an die AXA. 
Die AXA schliesst auf Beschwerdeabweisung. Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf Vernehmlassung. Mit Stellungnahme vom 4. Februar 2016 hält die Versicherte an der Beschwerde fest. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Mit der Beschwerde kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f. BGG; BGE 135 II 384 E. 2.2.1 S. 389). 
 Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG). 
 
2.  
 
2.1. Die Vorinstanz hat die Grundlagen über den für die Leistungspflicht des obligatorischen Unfallversicherers vorausgesetzten natürlichen Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und dem Gesundheitsschaden (BGE 134 V 109 E. 2.1 S. 111 f.), den massgeblichen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 138 V 218 E. 6 S. 221) sowie den Beweiswert von Arztberichten (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232, 125 V 351 E. 3a S. 352) richtig dargelegt. Gleiches gilt zur Rechtsprechung, wonach der Zeckenbiss sämtliche Merkmale des Unfallbegriffs (Art. 4 ATSG) erfüllt (BGE 122 V 230; SVR 2008 UV Nr. 3 S. 11 E. 3 [U 155/06]). Darauf wird verwiesen.  
 
2.2. Zu ergänzen ist: Hat der Unfallversicherer seine Leistungspflicht und damit den natürlichen Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und dem Gesundheitsschaden anerkannt, liegt die Beweislast für den Wegfall der Unfallkausalität - anders als bei der Frage, ob ein leistungsbegründender natürlicher Kausalzusammenhang gegeben ist - nicht bei der versicherten Person, sondern bei ihm (SVR 2011 UV Nr. 4 S. 12 E. 3.2 [8C_901/2009]). Bevor sich aber die Frage der Beweislast stellt, ist der Sachverhalt im Rahmen des Untersuchungsgrundsatzes richtig und vollständig zu klären (SVR 2009 UV Nr. 3 S. 9 E. 2.2 [8C_354/2007]).  
 
3.  
 
3.1. Die Vorinstanz hat in Würdigung der medizinischen Akten mit einlässlicher Begründung - auf die verwiesen wird - festgehalten, überwiegend wahrscheinlich habe eine durch Zeckenstich hervorgerufene Borreliose-Infektion stattgefunden. Fraglich sei, ob die seit August 2005 aufgetretenen und anhaltenden Beschwerden (schmerzhafte Nackenverspannungen, starke Kopfschmerzen, Schlaf- und Gleichgewichtsstörungen, wandernde Gelenkschmerzen sowie Konzentrationsstörungen) Folge der Borrelien-Infektion seien. In den interdisziplinären Gutachten der gutso vom 6. Juli 2011 und der asim vom 31. Dezember 2012 kämen die infektiologischen Experten übereinstimmend zum Schluss, der klinische Verlauf und vor allem die serologischen Befunde sowie der Liquorbefund sprächen überwiegend wahrscheinlich gegen einen Zusammenhang des heutigen Beschwerdebildes mit einer aktiven oder floriden Lyme-Borreliose oder einer Neuroborreliose. Gleicher Meinung seien der Internist Dr. med. C.________ in der Stellungnahme vom 15. Mai 2006 und Dr. med. D.________, Facharzt für Neurologie, in der Stellungnahme vom 5. November 2008 - beide beratende Ärzte der AXA - sowie der Laborexperte Prof. Dr. med. E.________, Arzt für Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie (D), Spezialarzt für med. Analytik FAMH, im Bericht vom 12. September 2006 gewesen. Diese Beurteilungen würden durch die entgegenstehenden Berichte des Dr. med. F.________, Facharzt für Innere Medizin FMH, vom 24. April 2006, 10. Mai 2006, 13. Juni 2007 und 8. August 2011 sowie des PD Dr. med. G.________, Chefarzt, Medizinische Klinik, Spital H.________, vom 25. Juni 2008 nicht überzeugend entkräftet. Demnach sei das heute noch geklagte Beschwerdebild nicht überwiegend wahrscheinlich auf eine Neuroborreliose und damit nicht ursächlich auf das Ereignis vom 10. August 2005 zurückzuführen. Die Leistungseinstellung per 31. Juli 2011 sei somit rechtens.  
 
3.2. Die Versicherte beruft sich auf Stellungnahmen des Dr. med. F.________ vom 4. Oktober 2015 und 14. Oktober 2015. Hierbei handelt es sich angesichts des angefochtenen Entscheides vom 31. August 2015 um unzulässige und damit unbeachtliche echte Noven (BGE 139 III 120 E. 3.1.2 S. 123; Urteil 8C_761/2015 vom 8. Januar 2016 E. 4.1).  
 
3.3. Unzutreffend ist der Einwand der Versicherten, die Vorinstanz habe bei der Zitierung der Stellungnahme des Dr. med. I.________ vom 20. Januar 2009 lediglich seine im Postskriptum gemachte Bemerkung hervorgehoben, wonach man die Kausalität einer Neuroborreliose weder mit Sicherheit beweisen noch ausschliessen könne. Vielmehr hat sie auch seine Aussage wiedergegeben, dass ein Borrelieninfekt stattgefunden und die vorliegenden Beschwerden der Versicherten zumindest teilkausal darauf zurückzuführen seien.  
 
3.4. Die Versicherte bringt weiter vor, Dr. med. F.________ habe bereits in früheren Berichten festgehalten, der aus der Serologie vom 6. Oktober 2005 und der Liquorentnahme vom 24. November 2005 festgestellte Indexwert von 2,74 beweise eindeutig die durchgemachte Borreliose. Die hierfür relevante Indexberechnung ergebe sich aus seinem Bericht vom 8. August 2011. Entgegen ihrer Forderung sei diese Indexberechnung nachträglich nicht dem infektiologischen gutso-Teilgutachter Prof. Dr. med. J.________, Klinikdirektor, Klinik für Infektionskrankheiten und Spitalhygiene, Spital K.________, zur Stellungnahme zugestellt worden. Demnach sei ihr Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) verletzt worden und beruhe der angefochtene Entscheid auf einer unvollständigen medizinischen Aktenlage.  
 Prof. Dr. med. J.________ hatte im Rahmen seines gutso-Teilgutachtens vom 27. Juni 2011 Kenntnis vom Serumbefund vom 6. Oktober 2005 und vom Liquorbefund vom 24. November 2005. Es ist somit nicht ersichtlich, weshalb ihm die darauf gestützte Indexberechnung des Dr. med. F.________ vom 8. August 2011 hätte zugestellt werden müssen. Im Übrigen legte die Vorinstanz eingehend und nachvollziehbar dar, welche Vorbehalte gegen die Beurteilung des Dr. med. F.________ anzubringen sind. Dagegen bringt die Versicherte keine substanziierten Einwände vor. 
 
3.5. Die Versicherte beruft sich auf das neurologische asim-Teilgutachten vom 24. Oktober 2012, worin ausgeführt wurde, dass eine chronische Borreliose aufgrund der Laboruntersuchungen aus dem Jahr 2005 mit hoher Wahrscheinlichkeit vorliege und klinisch im Verlauf mit Gelenkbeteiligung, Abgeschlagenheit, Müdigkeit, Kopfschmerzen und kognitiven Einschränkungen vereinbar sei.  
Dieser Einwand ist unbeheflich. Denn massgebend ist die Gesamtbeurteilung aller beteiligten asim-Fachgutachter vom 31. Dezember 2012. Hierin führten sie aus, eine Abgrenzung der aus psychiatrischer Sicht der affektiven Erkrankung zuzuordnenden Symptome gegenüber Symptomen, die gegebenenfalls dem stattgehabten Borrelien-Infekt zugeordnet werden könnten, sei kaum möglich. Eine Verursachung der aktuellen Beschwerden durch die affektive Störung erscheine (v.a. bei Fehlen einer Neuroborreliose) insgesamt plausibler als die Annahme eines Residualzustandes nach Borrelien-Infekt. Zusammenfassend könne der unspezifische Beschwerdenkomplex der Versicherten zwar ätiologisch nicht sicher zugeordnet werden, begründe aber zusammen mit der gesicherten affektiven Störung und der neurologisch festgestellten Schmerzsymptomatik eine Minderung der Leistungs- resp. Arbeitsfähigkeit. Eine Zuordnung des heute geklagten Beschwerdekomplexes zu der durchgemachten Borreliose erscheine bestenfalls möglich, aber nicht überwiegend wahrscheinlich. 
 
3.6. Soweit die Beschwerdeführerin die vorinstanzliche Nichtberücksichtigung des von ihr im kantonalen Verfahren eingereichten Berichts des Dr. med. L.________ vom 26. März 2014 rügt, kann das Bundesgericht mit Blick auf die Rechtsverletzung, die aus der Nichtbeachtung von potenziell erheblichen Beweismitteln resultiert, die entsprechenden Aktenstücke selber würdigen und beurteilen, ob die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung zu korrigieren ist (Art. 105 Abs. 2 BGG; Urteil 8C_150/2015 vom 6. November 2015 E. 3.3.2). Dr. med. L.________ führte in diesem Bericht aus, der Liquorbefund zeige eine klinisch durchgemachte Neuroborreliose. Allerdings verneinte er eine aktuelle Entzündungsaktivität.  
Dieser Bericht vermag den vorinstanzlichen Entscheid ebenfalls nicht zu entkräften. Die Vorinstanz stellt nämlich nicht in Abrede, dass überwiegend wahrscheinlich eine durch Zeckenstich hervorgerufene Borreliose-Infektion stattfand (E. 3.1 hievor). Entscheidend ist indessen, dass ihre Feststellung, die bei Leistungseinstellung am 31. Juli 2011 anhaltenden Beschwerden seien überwiegend wahrscheinlich keine Folge der Neuroborreliose mehr gewesen, in Würdigung der gesamten medizinischen Aktenlage nicht zu beanstanden ist. Entgegen der Versicherten kann nicht gesagt werden, die Vorinstanz habe die Rechtsprechung zur Umkehr der Beweislast (vgl. E. 2.2 hievor) verletzt. 
 
3.7. Da von weiteren medizinischen Abklärungen keine entscheidrelevanten Ergebnisse zu erwarten waren, verzichtete die Vorinstanz darauf zu Recht. Dies verstösst weder gegen den Untersuchungsgrundsatz (Art. 61 lit. c ATSG) noch gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör bzw. auf Beweisabnahme (Art. 29 Abs. 2 BV; antizipierte Beweiswürdigung; BGE 136 I 229 E. 5.3 S. 236; Urteil 8C_852/2015 vom 10. Februar 2016 E. 3.5).  
 
4.   
Die unterliegende Versicherte trägt die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 22. März 2016 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Der Gerichtsschreiber: Jancar