Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
1P.96/2003 /zga 
 
Urteil vom 22. April 2003 
I. Öffentlichrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesgerichtspräsident Aemisegger, Präsident, 
Bundesgerichtsvizepräsident Nay, Bundesrichter Aeschlimann, 
Gerichtsschreiberin Scherrer. 
 
Parteien 
X.________, 
Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Ulrich Weiss, Tösstalstrasse 23, Postfach 31, 8402 Winterthur, 
 
gegen 
 
Thurgauer Heimatschutz, Frauenfelderstrasse 19, Postfach, 8570 Weinfelden, 
Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Andreas Brauchli, Hermannstrasse 8, Postfach 28, 8570 Weinfelden, 
Departement für Inneres und Volkswirtschaft des Kantons Thurgau, Verwaltungsgebäude, 8510 Frauenfeld Kant. Verwaltung, 
Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau, Frauenfelderstrasse 16, 8570 Weinfelden, 
 
Politische Gemeinde Schlatt, 8252 Schlatt TG, 
handelnd durch den Gemeinderat Schlatt, 
8252 Schlatt TG. 
 
Gegenstand 
Art. 9 und 26 BV (Abbruchbewilligung), 
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom 4. Dezember 2002. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Die Genossenschaft X.________ ist Eigentümerin des Y.________-Hauses in Unterschlatt. 1995 hatte sie um die Abbruchbewilligung für das Y.________-Haus nachgesucht, welche damals weder von der Gemeindebehörde noch vom instruierenden Departement für Inneres und Volkswirtschaft (DIV) erteilt worden war. Das daraufhin angerufene Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau bestätigte die Verweigerung der Abbruchbewilligung mit Urteil vom 11. Februar 1998. Es hatte zuvor einen Augenschein durchgeführt und ein Gutachten über den Zustand der Bausubstanz erstellen lassen. Trotz der damals errechneten Investitionskosten für eine Sanierung des Bauwerkes wurde die Erhaltungswürdigkeit des Y.________-Hauses und des Dorfkerns höher eingestuft als die geltend gemachten privaten Interessen. 
B. 
Am 7. Dezember 2000 reichte die Grundeigentümerin bei der neu gebildeten, jetzt zuständigen Politischen Gemeinde Schlatt wiederum ein Baugesuch ein. Erneut wurde in diesem Zusammenhang um die Abbruchbewilligung für das Y.________-Haus ersucht. Die Politische Gemeinde Schlatt wies die dagegen eingereichten Einsprachen ab und bewilligte hierauf den Abbruch. Gegen den Abbruchentscheid gelangte der Thurgauer Heimatschutz an das DIV. Dieses hiess den Rekurs gut und hob den vorinstanzlichen Entscheid auf. 
 
Gegen diesen Rekursentscheid erhob die X.________ Beschwerde beim Verwaltungsgericht. Mit Urteil vom 4. Dezember 2002 bestätigte das Verwaltungsgericht den Entscheid des DIV. Es verwies insbesondere auf sein Urteil vom 11. Februar 1998 und führte im Wesentlichen aus, es bestehe kein Anlass, auf den damaligen Entscheid zurückzukommen. Am seinerzeit beurteilten Sachverhalt habe sich in der Zwischenzeit nichts verändert. 
C. 
Mit Eingabe vom 11. Februar 2003 erhebt die X.________ staatsrechtliche Beschwerde. Sie beantragt, die Entscheide des Verwaltungsgerichtes und des DIV seien aufzuheben und der Beschluss des Gemeinderates der Politischen Gemeinde Schlatt sei wieder herzustellen resp. zu bestätigen. Eventualiter sei die Sache an das Verwaltungsgericht zur Neubeurteilung zurückzuweisen. Die Beschwerdeführerin begründet ihre Anträge mit der Verletzung von Art. 9 und 26 BV
Das Verwaltungsgericht und das DIV schliessen in ihren Vernehmlassungen auf Abweisung der Beschwerde. Der Thurgauer Heimatschutz beantragt Nichteintreten; eventualiter sei die Beschwerde abzuweisen. Die Politische Gemeinde Schlatt stellt sinngemäss Antrag auf Gutheissung der Beschwerde. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
1.1 Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Endentscheid, der sich auf kantonales Recht stützt und gegen den im Bund nur die staatsrechtliche Beschwerde offen steht (Art. 86 Abs. 1 und Art. 87 in Verbindung mit Art. 84 Abs. 2 OG). Die X.________ ist als Grundeigentümerin des Y.________-Hauses durch den Entscheid des Verwaltungsgerichts in ihren rechtlich geschützten Interessen betroffen (Art. 88 OG) und macht die Verletzung verfassungsmässiger Rechte geltend (Art. 84 Abs. 1 lit. a OG). Sie ist daher zur Beschwerdeführung ans Bundesgericht legitimiert. 
1.2 Die Beschwerdeführerin ficht gleichzeitig mit dem Entscheid des Verwaltungsgerichtes auch denjenigen des DIV an. In der Regel ist die staatsrechtliche Beschwerde nur gegen letztinstanzliche Entscheide zulässig (Art. 86 und 87 OG). Der Entscheid einer unteren Instanz kann mit angefochten werden, wenn entweder der letzten kantonalen Instanz nicht sämtliche vor Bundesgericht erhobene Rügen unterbreitet werden konnten, oder wenn solche Rügen zwar von der letzten kantonalen Instanz zu beurteilen waren, jedoch mit einer engeren Prüfungsbefugnis, als sie dem Bundesgericht zusteht (BGE 114 Ia 307 E. 3a S. 311; 111 Ia 353 E. 1b S. 353 f.). Mit der Beschwerde an das Verwaltungsgericht konnte die Beschwerdeführerin alle Mängel des Verfahrens und des angefochtenen Entscheids des DIV geltend machen, und die Überprüfungsbefugnis der kantonalen Instanz war nicht enger als jene des Bundesgerichtes (§ 56 des Thurgauer Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege vom 23. Februar 1981). Die Voraussetzungen für eine Mitanfechtung des unterinstanzlichen Entscheides sind damit nicht erfüllt. 
Soweit dagegen der letztinstanzliche Entscheid des Verwaltungsgerichtes vom 4. Dezember 2002 angefochten wird, ist die staatsrechtliche Beschwerde zulässig. Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt und geben zu keinen Bemerkungen Anlass, so dass auf die Beschwerde, unter Vorbehalt gehörig begründeter Rügen (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG; BGE 125 I 71 E. 1c S. 76; 122 I 70 E. 1c S. 73 mit Hinweisen), einzutreten ist. 
2. 
2.1 Das Verwaltungsgericht begründet seinen abweisenden Entscheid damit, dass negative Verwaltungsverfügungen, durch welche die Handlung der Behörde abgelehnt oder der Erlass der nachgesuchten Verfügung verweigert worden sei, zwar in dem Sinne keine Rechtskraft erlangten, als die abweisende Verfügung die erneute Einreichung des Begehrens nicht ausschliesse. Die Rechtskraft der früheren Verfügung stehe jedoch einer erneuten Prüfung so lange entgegen, als sich der seinerzeit beurteilte Sachverhalt in der Zwischenzeit nicht verändert habe. In der Folge verneinte das Verwaltungsgericht eine Veränderung des Sachverhaltes und lehnte es darum ab, die rechtskräftig bestätigte Verweigerung der Abbruchbewilligung aus dem Jahre 1998 erneut zu prüfen. Nicht ausschlaggebend sei, dass bei der Bevölkerung von Schlatt offensichtlich ein Stimmungswechsel stattgefunden habe. 
2.2 Was die Beschwerdeführerin dagegen vorbringt (Ziff. 10-20 der Beschwerdeschrift), erschöpft sich weitgehend in appellatorischer Kritik (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG) und ist im Übrigen nicht geeignet, Willkür darzutun . So ist insbesondere nicht ersichtlich und wurde von der Beschwerdeführerin auch nicht aufgezeigt, inwiefern sich die Verkehrsverhältnisse oder die Lage des Y.________-Hauses in den letzten fünf Jahren massgeblich verändert haben sollen. Das Verwaltungsgericht hatte sich bereits 1998 mit der Verkehrssituation auseinandergesetzt (Urteil vom 11. Februar 1998, S. 18). Schon gar nicht relevant sind die besseren Parkierungsmöglichkeiten bei grossen Einkaufszentren, zumal auch dieses Argument bereits 1998 vorgebracht worden war. 
 
Genauso wenig überzeugen die Vorbringen hinsichtlich des baulichen Zustandes des Y.________-Hauses: Sowohl das Problem mit dem Hausschwamm als auch der Renovierungsbedarf waren zum Zeitpunkt des ersten Verwaltungsgerichtsurteils bekannt. Hat die Beschwerdeführerin seit 1998 keine ernsthaften Anstrengungen unternommen, das Gebäude instand zu stellen, kann sie sich nicht im Nachhinein auf dessen Baufälligkeit berufen, um veränderte Umstände geltend zu machen, wie das Verwaltungsgericht zu Recht festhielt. 
Einen allfälligen Meinungsumschwung bei der Behörde oder in der Bevölkerung hinsichtlich der Schutzwürdigkeit des Y.________-Hauses hat das Verwaltungsgericht ebenfalls zu Recht für die Frage, ob sich der massgebliche Sachverhalt seit dem ersten Entscheid des Verwaltungsgerichtes verändert hat, als nicht entscheidend betrachtet. 
2.3 Das Verwaltungsgericht konnte somit willkürfrei verneinen, dass sich der Sachverhalt, der dem Entscheid von 1998 zugrunde lag, verändert hätte. Infolgedessen verletzte es auch den Anspruch der Beschwerdeführerin auf rechtliches Gehör nicht, als es deren Beweisanträge ablehnte. 
3. 
Indem das Verwaltungsgericht die Verweigerung der Abbruchbewilligung nicht erneut prüfte, verletzte es die Verfassung nicht. Entsprechend kann auf die Rüge, die Eigentumsgarantie der Beschwerdeführerin sei verletzt, nicht eingetreten werden. Die Frage, ob die Abbruchbewilligung zu Recht oder zu Unrecht verweigert worden ist, bildete nicht Gegenstand des angefochtenen Entscheides. 
4. 
Die staatsrechtliche Beschwerde ist somit abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten (Art. 156 Abs. 1 OG). Sie hat dem Beschwerdegegner zudem eine angemessene Parteientschädigung auszurichten (Art. 159 Abs. 1 OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt. 
3. 
Die Beschwerdeführerin hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr.1'500.-- zu entschädigen. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Departement für Inneres und Volkswirtschaft und dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau sowie der Politischen Gemeinde Schlatt schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 22. April 2003 
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: