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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
9C_241/2016  
   
   
 
 
 
Urteil vom 22. Juni 2016  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin, 
Bundesrichterinnen Pfiffner, Moser-Szeless, 
Gerichtsschreiber Fessler. 
 
Verfahrensbeteiligte 
 A.________, 
vertreten durch AXA-ARAG Rechtsschutz AG, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Sozialversicherungsanstalt des Kantons Zürich, Zusatzleistungen zur AHV/IV, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Ergänzungsleistung zur AHV/IV 
(Berechnung des Leistungsanspruchs), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 4. Februar 2016. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. A.________ bezieht seit 1. März 2005 eine halbe Rente der Invalidenversicherung. Sein Gesuch vom 6. September 2013 um Erhöhung der Rente wegen einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes wies die IV-Stelle des Kantons Zürich mit Verfügung vom 13. März 2015 ab. Mit Entscheid vom 12. August 2015 hob das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich diesen Verwaltungsakt auf und wies die Sache an die IV-Stelle zurück, damit sie, nach erfolgter Abklärung im Sinne der Erwägungen, neu verfüge.  
 
A.b. Im März 2014 hatte sich A.________ zum Bezug von Zusatzleistungen zur Invalidenrente angemeldet. Mit Verfügung vom 30. Juli 2014 verneinte die Sozialversicherungsanstalt des Kantons Zürich, Zusatzleistungen zur AHV/IV, einen Anspruch, woran sie mit Einspracheentscheid vom 10. November 2014 festhielt.  
 
B.   
Die Beschwerde des A.________ wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 4. Februar 2016 ab. 
 
C.   
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt A.________, der Entscheid vom 4. Februar 2016 sei aufzuheben und es seien ihm ab März 2014 Ergänzungsleistungen auszurichten. 
Die Sozialversicherungsanstalt des Kantons Zürich und das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichten auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Der Beschwerdeführer hat den Arbeitsvertrag vom........ eingereicht, um zu belegen, dass es sich bei der Tätigkeit für die B.________ AG um eine befristete Stelle auf Abruf gehandelt habe. Er legt indessen nicht dar, inwiefern dieses Dokument nicht bereits im vorangegangenen Verfahren aufgelegt werden konnte und erst der vorinstanzliche Entscheid dazu Anlass gegeben hat, weshalb es unbeachtet zu bleiben hat (Art. 99 Abs. 1 BGG; BGE 133 III 393 E. 3 S. 395).  
 
1.2. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG; BGE 138 V 17 E. 3 S. 19). Es ist somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden. Es kann - im Rahmen der den Parteien obliegenden Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und 2 sowie Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 133 II 249 E. 1.4.1 und E. 1.4.2 S. 254 mit Hinweisen) - die Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen oder mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (BGE 134 V 250 E. 1.2 S. 252; 132 II 257 E. 2.5 S. 262; 130 III 136 E. 1.4 S. 140).  
 
2.   
Streitgegenstand bildet der Anspruch des Beschwerdeführers auf Zusatzleistungen (Ergänzungsleistungen nach Bundesrecht [EL] und Beihilfen nach kantonalem Recht) ab 1. März 2014. Dabei stellt sich einzig die Frage, ob bei der EL-Anspruchsberechnung gestützt auf Art. 14a Abs. 2 lit. b ELV (i.V.m. Art. 9 Abs. 5 lit. c ELG) ein hypothetisches Erwerbseinkommen von Fr. 19'210.- zu berücksichtigen ist, was die Vorinstanz bejaht hat, der Beschwerdeführer jedoch als bundesrechtswidrig bestreitet (Art. 95 lit. a BGG). 
 
3.   
Gemäss Art. 14a Abs. 2 lit. b ELV ist Invaliden unter 60 Jahren bei einem Invaliditätsgrad von 50 bis unter 60 Prozent als Erwerbseinkommen mindestens der Höchstbetrag für den Lebensbedarf von Alleinstehenden nach Artikel 10 Absatz 1 Buchstabe a Ziffer 1 ELG anzurechnen. Erreicht der tatsächliche Verdienst diesen Betrag (von aktuell Fr. 19'210.-) nicht oder wird überhaupt keine Erwerbstätigkeit ausgeübt, gilt die Vermutung eines Verzichts auf Einkünfte im Sinne von Art. 11 Abs. 1 lit. g ELG. Diese Vermutung kann durch den Nachweis widerlegt werden, dass invaliditätsfremde Gründe wie Alter, mangelhafte Ausbildung und Sprachkenntnisse, persönliche Umstände oder die Arbeitsmarktsituation die Verwertung der Resterwerbsfähigkeit übermässig erschweren oder verunmöglichen. Massgebend für die Berechnung des EL-Anspruchs ist daher das hypothetische Einkommen, das die versicherte Person tatsächlich erzielen könnte (BGE 141 V 343 E. 3.3 S. 345 mit Hinweisen). 
Die EL-ansprechende oder -beziehende Person trifft eine verstärkte Mitwirkungspflicht bei der Sachverhaltsabklärung (Art. 43 Abs. 1 ATSG) in dem Sinne, dass sie die Umstände geltend zu machen hat, welche nach ihrer Auffassung geeignet sind, die Vermutung eines Einkommensverzichts umzustossen. Werden solche Umstände nicht geltend gemacht und sind sie auch nicht ohne weiteres ersichtlich, oder führen die Abklärungen zu keinem schlüssigen Ergebnis, hat sie die Folgen der Beweislosigkeit zu tragen. Sie hat sich anrechnen zu lassen, was sie mit überwiegender Wahrscheinlichkeit trotz der gesundheitlichen Beeinträchtigung tatsächlich noch verdienen könnte (Urteil 9C_600/2009 vom 8. Oktober 2009 E. 3.2 mit Hinweis). 
 
4.   
Das kantonale Sozialversicherungsgericht hat die Anrechnung eines hypothetischen Erwerbseinkommens nach Art. 14a Abs. 2 lit. b ELV in der Höhe von Fr. 19'210.- damit begründet, der Beschwerdeführer habe nach der Kündigung durch die C.________ auf........, welches Ereignis zu einer Dekompensation geführt habe, ab........ bei der B.________ AG wieder zu 50 % gearbeitet, und zwar entsprechend dem Belastungsprofil, das der Zusprechung der halben Rente zugrunde lag, jeweils vormittags ohne problematische Emissionen. Wie es im Entscheid vom 12. August 2015 betreffend Rentenrevision in Würdigung derselben Akten festgestellt habe, könne nach dem Verlust dieser Stelle zwar eine vorübergehende, nicht jedoch eine dauerhafte Verschlechterung des Gesundheitszustandes mit Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit angenommen werden. Weiter sei nicht ersichtlich, weshalb es dem Beschwerdeführer aus invaliditätsfremden Gründen nicht zumutbar sein soll, seine Restarbeitsfähigkeit zu verwerten. Die Auffassung der Fachperson der im Bereich Beratung und Arbeitsintegration tätigen D.________ in ihrem Bericht vom 24. Juni 2013, wonach eine Vermittlung trotz aller Bemühungen nicht realistisch sei, sei als sehr pessimistisch einzustufen, zumal der Beschwerdeführer - nach der Kündigung durch die C.________ - nicht lange ohne eine Anstellung gewesen sei. 
 
5.   
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes (Art. 43 Abs. 1 und Art. 61 lit. c ATSG; BGE 136 V 376 E. 4.1.1 S. 377; 133 V 196 E. 1.4 S. 200). Die Vorinstanz hätte die Verwertbarkeit der Resterwerbsfähigkeit prüfen müssen. Zur Begründung weist er auf die Einschätzung der D.________ im Bericht vom 24. Juni 2013hin. Sodann bringt er vor, er sei ab Anfang September 2013 vom privaten Krankentaggeldversicherer zu 100 % als arbeitsunfähig betrachtet worden und habe nach Ablauf der Wartefrist von 360 Tagen Leistungen bezogen, das Taggeld der Arbeitslosenversicherung sei auf Ende September 2013 wegen Arbeitsunfähigkeit von 100 % eingestellt worden und alle Arbeitsbemühungen in Zusammenarbeit mit der Arbeitslosenversicherung (ALV) im Zeitraum 2011 bis 2013 seien erfolglos geblieben. 
 
6.  
 
6.1. Die auf einem rechtskräftigen IV-Entscheid beruhende Festsetzung der Arbeitsfähigkeit (zeitlicher Umfang und Belastungsprofil) bildet den grundsätzlich verbindlichen Rahmen für die Beurteilung, ob im Einzelfall die in Art. 14a Abs. 2 ELV aufgestellte Vermutung widerlegt wird, dass es den teilinvaliden Versicherten möglich und zumutbar ist, die darin festgelegten Grenzbeträge (hypothetisches Erwerbseinkommen) zu erzielen (vgl. BGE 141 V 343 E. 5.1 S. 348). Davon ist auch die Vorinstanz ausgegangen und der angefochtene Entscheid insoweit nicht zu beanstanden.  
 
6.2. Indessen hat das kantonale Sozialversicherungsgericht Folgendes nicht beachtet: Wie in E. 6.1 des Entscheids vom 12. August 2015 festgehalten wurde, war die Zusprache der halben Rente ab 1. März 2005 gestützt auf die Beurteilung des Dr. med. E.________, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, erfolgt. Danach sei der Versicherte, so die Vorinstanz, an einer Vormittagsstelle bei der C.________ zu 50 % arbeitsfähig, sofern der Arbeitsplatz nach seinen Bedürfnissen eingerichtet sei und Rücksichtnahme bezüglich der Geruchsimmissionen geboten werde. Der Versicherte benötige an der Arbeitsstelle eine strikte Einhaltung der Arbeitsabläufe, eine immissionsarme Umgebung, geringen Zeitdruck sowie wenig zwischenmenschliche Anspannungen. Weiter habe Dr. med. E.________ erwähnt, dass es bei Umstellungen und Veränderungen im Arbeitsrhythmus zu Dekompensationen kommen könne, der Versicherte sich allerdings nach ausreichender Erholungszeit auffangen und eine solche Halbtags-Arbeit wieder aufnehmen könne.  
Im damaligen Zeitpunkt hatte der Beschwerdeführer seit... 2001 bei der C.________ gearbeitet. Die Invaliditätsbemessung erfolgte somit auf der Grundlage der konkreten beruflich-erwerblichen Situation, welche insbesondere durch eine optimale Eingliederung in den Betrieb gekennzeichnet war (BGE 126 V 75 E. 3b/aa S. 76). Die Kündigung dieser Stelle durch die C.________ aus betrieblichen Gründen stellte daher einen Revisionsgrund im Sinne von Art. 17 Abs. 1 ATSG dar (Urteil 9C_530/2012 vom 21. September 2012 E. 3; Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts U 181/00 vom 18. Januar 2002 E. 3b) und hätte in dem im September 2013 auf Antrag des Beschwerdeführers eingeleiteten Revisionsverfahren berücksichtigt werden, mithin der Invaliditätsgrad ungeachtet davon, ob sich der Gesundheitszustand verändert hatte, neu ermittelt werden müssen (BGE 141 V 9 E. 2.3 S. 10 mit Hinweis). Das am........ begonnene Arbeitsverhältnis mit der B.________ AG war gemäss Bericht der D.________ vom 24. Juni 2013 keine Festanstellung und offensichtlich auch bei weitem nicht so gut entlöhnt wie die Stelle bei der C.________, wie sich aus der unterschiedlichen Höhe des ALV-Taggeldes ergibt. 
 
6.3. Unter diesen Umständen hätte die Beschwerdegegnerin und allenfalls die Vorinstanz, wollte sie das Verfahren nicht bis zum Abschluss des Rentenrevisionsverfahrens pendent halten, selber abklären müssen, ob dem Beschwerdeführer insbesondere aufgrund des Anforderungs- und Belastungsprofils gemäss Beurteilung des Dr. med. E.________ unter Berücksichtigung invaliditätsfremder Faktoren (vgl. E. 3 hiervor) die Erzielung eines Einkommens in der in Art. 14a Abs. 2 lit. b ELV festgelegten Höhe realistischerweise möglich ist. In diesem Sinne ist die Rüge der Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes begründet. Eine Verletzung der Mitwirkungspflicht durch den Beschwerdeführer steht ausser Frage. Die Beschwerdegegnerin, an welche die Sache zurückzuweisen ist, wird die notwendigen und geeigneten Abklärungen vornehmen und danach über den Anspruch auf Zusatzleistungen neu verfügen.  
 
7.   
Ausgangsgemäss hat die Beschwerdegegnerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG) und dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 2 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 4. Februar 2016 und der Einspracheentscheid vom 10. November 2014 werden aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verfügung im Sinne der Erwägungen an die Beschwerdegegnerin zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt. 
 
3.   
Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'800.- zu entschädigen. 
 
4.   
Die Sache wird zur Neuverlegung der Parteientschädigung des vorangegangenen Verfahrens an das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich zurückgewiesen. 
 
5.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 22. Juni 2016 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Glanzmann 
 
Der Gerichtsschreiber: Fessler