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[AZA 0/2] 
5P.467/2001/bnm 
 
II. Z I V I L A B T E I L U N G ******************************** 
 
 
23. Januar 2002 
 
Es wirken mit: Bundesrichter Bianchi, Präsident der II. Zivilabteilung, 
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Meyer 
und Gerichtsschreiber Gysel. 
 
--------- 
 
In Sachen 
A.________, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechts-anwalt lic. iur. Kurt Bischofberger, Mellingerstrasse 6, Postfach 2028, 5402 Baden, 
 
gegen 
den Entscheid des Präsidenten der II. Zivilkammer des Kantonsgerichts St. Gallen als Einzelrichter vom 19. November 2001, 
 
betreffend 
Art. 9 BV 
(unentgeltliche Rechtspflege im Scheidungsverfahren), hat sich ergeben: 
 
A.________ und B.________ führen seit Juni 1999 vor Bezirksgericht Z.________ ein Scheidungsverfahren. Beiden wurde anfänglich die unentgeltliche Rechtspflege bewilligt und ein unentgeltlicher Rechtsbeistand bestellt. Am 14. Juni 2001 entzog der Gerichtspräsident von Z.________ A.________ rückwirkend auf den Zeitpunkt der Mandatsniederlegung ihres Vertreters (März 2001) die unentgeltliche Rechtspflege. 
 
Mit Eingabe vom 30. August 2001 stellte A.________ erneut ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und um Beiordnung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes. Der Gerichtspräsident von Z.________ wies das Gesuch am 6. September 2001 ab. Den hiergegen erhobenen Rekurs von A.________ wies der Präsident der II. Zivilkammer des Kantonsgerichts St. Gallen als Einzelrichter am 19. November 2001 ab. 
 
A.________ führt staatsrechtliche Beschwerde mit dem Antrag, dieser Entscheid sei aufzuheben. Ausserdem ersucht sie darum, ihr für das bundesgerichtliche Verfahren die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren. 
 
Der kantonale Richter hat auf eine Vernehmlassung verzichtet. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- Entscheide über die Gewährung oder Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege gelten als Zwischenentscheide, die in der Regel einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil zur Folge haben (BGE 126 I 207 E. 2a S. 210; 119 Ia 337 E. 1 S. 338). Die staatsrechtliche Beschwerde ist hier daher zulässig (Art. 84 Abs. 2, Art. 86 Abs. 1 und Art. 87 Abs. 2 OG). Auf die Eingabe der in rechtlich geschützten Interessen betroffenen Beschwerdeführerin ist grundsätzlich einzutreten (Art. 88 OG). 
 
2.-Der Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege wird in erster Linie durch das kantonale Prozessrecht geregelt, doch beruft sich die Beschwerdeführerin auf keine Bestimmung dieser Art. Unabhängig davon garantiert Art. 29 Abs. 3 BV einen Mindestanspruch der bedürftigen Partei auf unentgeltliche Rechtspflege. Dieser Anspruch umfasst einerseits die Befreiung von den Verfahrenskosten und andererseits - soweit notwendig - das Recht auf einen unentgeltlichen Rechtsbeistand (BGE 122 I 8 E. 2a S. 9, 322 E. 2b S. 324, mit Hinweisen). 
 
Als bedürftig im Sinne von Art. 29 Abs. 3 BV gilt eine Person dann, wenn sie die Kosten eines Prozesses nicht aufzubringen vermag, ohne jene Mittel anzugreifen, derer sie zur Deckung des notwendigen Lebensunterhalts für sich und ihre Familie bedarf; in Betracht zu ziehen sind dabei nicht nur die Einkommens-, sondern auch die Vermögensverhältnisse (BGE 124 I 97 E. 3b S. 98 mit Hinweisen). Zu diesem Grundbedarf gehört, was zur Führung eines bescheidenen, aber menschenwürdigen Lebens erforderlich ist. Bei der Prüfung der Frage der Bedürftigkeit sind sämtliche Umstände im Zeitpunkt der Einreichung des Armenrechtsgesuchs zu würdigen, wobei nicht schematisch auf das betreibungsrechtliche Existenzminimum abzustellen ist; vielmehr sind die individuellen Verhältnisse zu berücksichtigen (BGE 124 I 1 E. 2a S. 2; 108 Ia 108 E. 5b S. 109 mit Hinweisen). Ob die direkt aus Art. 29 Abs. 3 BV hergeleiteten Ansprüche verletzt sind, prüft das Bundesgericht frei, gegen die Feststellung des Sachverhalts gerichtete Rügen dagegen nur unter dem Gesichtswinkel des Willkürverbots (BGE 124 I 304 E. 2c S. 306 f.; 120 Ia 179 E. 3 S. 180 f., mit Hinweisen). 
 
3.-a) Unbestritten ist, dass einem monatlichen Nettoeinkommen der Beschwerdeführerin von mindestens Fr. 4'090.-- ein Bedarf von Fr. 3'190.-- gegenübersteht. Es verbleibt somit ein freier Betrag von ungefähr Fr. 900.-- im Monat. Allerdings hat die Beschwerdeführerin an die drei Kinder einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von je Fr. 200.-- und an den invaliden Ehemann einen solchen von Fr. 310.-- zu leisten. 
Die kantonalen Behörden haben ihr diese Verpflichtung von insgesamt Fr. 910.-- im Monat indessen nicht angerechnet, weil sie ihr nur ungenügend nachgekommen sei. 
 
b) Nach konstanter Rechtsprechung des Bundesgerichts werden bei der Berechnung des Bedarfs nur diejenigen Beträge berücksichtigt, welche die betroffene Person auch tatsächlich benötigt und bezahlt. Dies gilt insbesondere für die Unterhaltsbeiträge an Familienmitglieder (BGE 121 III 20 E. 3a S. 22 mit zahlreichen Hinweisen). 
 
Der erstinstanzliche Richter hatte ausgeführt, bis zum massgeblichen Zeitpunkt der Gesuchseinreichung sei die Beschwerdeführerin in keinem einzigen Monat der angeführten Unterhaltspflicht vollumfänglich nachgekommen. Bis Juli 2001 seien denn auch Rückstände im Umfang von Fr. 12'540.-- aufgelaufen. 
Auch wenn daher die Aussage im kantonsgerichtlichen Entscheid, die Beschwerdeführerin habe während des Scheidungsverfahrens keine Unterhaltsbeiträge geleistet, nicht zutrifft, ist doch unbestritten, dass sie bis zum Einreichen des Gesuchs ihrer Leistungspflicht in keinem einzigen Monat vollumfänglich nachgekommen ist. Die Beschwerdeführerin hat die Zahlungen erst nach Einreichen des Gesuchs in vollem Umfang aufgenommen. Da grundsätzlich auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Gesuchseinreichung abzustellen ist, haben die kantonalen Instanzen Art. 29 Abs. 3 BV nicht verletzt, wenn sie erklärten, sie berücksichtigten nur Beiträge, die regelmässig bezahlt worden seien und diese Voraussetzung sei hier nicht erfüllt. Der Einzelrichter am Kantonsgericht hat die Gegebenheiten bis zu seinem Entscheid in Betracht gezogen und ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe in den Monaten August und September 2001 Beiträge von je Fr. 910.-- überwiesen. 
Wenn er unter Hinweis auf die erheblichen Ausstände trotz dieser beiden Überweisungen dafür gehalten hat, es lägen nach wie vor keine regelmässigen Zahlungen vor, ist dies aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Soweit die Beschwerdeführerin weitere Überweisungen (Valuta 28. Septem-ber und 30. Oktober 2001) geltend macht, handelt es sich um ein unzulässiges neues Vorbringen tatsächlicher Natur, das nicht zu hören ist (dazu BGE 119 II 6 E. 4a S. 7 mit Hinweis; Marc Forster, in: Thomas Geiser/Peter Münch [Hrsg. ], Prozessieren vor Bundesgericht, 2. Auflage, Rz 2.50). Dass der kantonale Rekursrichter verfassungswidrig unvollständige tatsächliche Feststellungen getroffen hätte, bringt die Beschwerdeführerin nicht vor (vgl. BGE 118 Ia 20 E. 5a S. 26). 
 
c) Die Beschwerde ist mithin abzuweisen. Falls die Beschwerdeführerin nachzuweisen vermag, dass sie ihren Unterhaltspflichten regelmässig nachkommt, steht es ihr frei, ein neues Armenrechtsgesuch zu stellen. 
 
4.-Unter den dargelegten Umständen erschien die staatsrechtliche Beschwerde von vornherein als aussichtslos. Es ist deshalb auch das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren abzuweisen (vgl. Art. 152 Abs. 1 OG). 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1.- Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.- Das Gesuch der Beschwerdeführerin, ihr für das bundesgerichtliche Verfahren die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren, wird abgewiesen. 
 
3.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 500.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
4.- Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin und dem Präsidenten der II. Zivilkammer des Kantonsgerichts St. Gallen als Einzelrichter schriftlich mitgeteilt. 
 
______________ 
Lausanne, 23. Januar 2002 
 
Im Namen der II. Zivilabteilung des 
SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: