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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
8C_294/2014  
{  
T 0/2  
}  
   
   
 
 
 
Urteil vom 23. September 2014  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin, 
Bundesrichter Maillard, Bundesrichterin Heine, 
Gerichtsschreiberin Durizzo. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Thomas Biedermann, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
IV-Stelle Bern, Scheibenstrasse 70, 3014 Bern,  
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Invalidenrente, Revision), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern 
vom 7. März 2014. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
A.________, geboren 1949, hatte wegen Rückenbeschwerden seit dem 1. Juli 1996 eine halbe Invalidenrente bei einem Invaliditätsgrad von 57 Prozent bezogen (Verfügung vom 10. März 1998). Im Rahmen eines Revisionsverfahrens hob die IV-Stelle Bern die Invalidenrente mit Verfügung vom 30. Oktober 2009 auf. Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern bestätigte die Rentenaufhebung mit Entscheid vom 28. Juni 2010. Die dagegen erhobene Beschwerde, mit welcher A.________ die Zusprechung einer Invalidenrente bei einem Invaliditätsgrad von mindestens 60 Prozent beantragt hatte, hiess das Bundesgericht mit Urteil vom 22. November 2010 teilweise gut, hob den Entscheid vom 28. Juni 2010 und die Verfügung vom 30. Oktober 2009 auf und wies die Sache zu neuer Verfügung an die IV-Stelle zurück (8C_645/2010). 
Am 16. September 2011 hob die IV-Stelle die Invalidenrente auf Ende Oktober 2011 auf. 
 
B.   
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht mit Entscheid vom 7. März 2014 ab. 
 
C.   
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und die Aufhebung des angefochtenen Entscheides und der Verfügung vom 16. September 2011 beantragen. 
Während die IV-Stelle auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss den Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG). Es wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG) und ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden (BGE 134 I 65 E. 1.3 S. 67 f., 134 V 250 E. 1.2 S. 252, je mit Hinweisen). Unter Berücksichtigung der Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG) prüft es indessen nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind, und ist jedenfalls nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr aufgegriffen werden (BGE 134 I 313 E. 2 S. 315, 65 E. 1.3 S. 67 f., je mit Hinweisen). 
 
2.   
Die IV-Stelle hat nach der bundesgerichtlichen Rückweisung einen weiteren Abklärungsbericht (für Teil- und Inhaber von Aktiengesellschaften) vom 24. Februar 2011 eingeholt. Sie gelangte zur Auffassung, dass es dem Beschwerdeführer möglich wäre, sich weitergehend als bis anhin im Betrieb einzugliedern, den er selber aufgebaut und geleitet, zwischenzeitlich aber an einen vormaligen Angestellten verkauft hatte. So vermöchte er 55 Prozent seiner Arbeitszeit dem Bürobereich zu widmen. Die IV-Stelle ermittelte einen Invaliditätsgrad von 11 Prozent. 
Das kantonale Gericht stellte zunächst gestützt auf neuere Arztberichte fest, dass der Beschwerdeführer in einer seinen Leiden angepassten Tätigkeit auch weiterhin voll leistungsfähig sei. Des Weiteren habe er im September 2010 eine neue Firma B.________ GmbH gegründet mit einem Stammanteil von 20'000 Franken bei einem Stammkapital von 30'000 Franken. Die Vorinstanz gelangte zur Auffassung, dass der Invaliditätsgrad deshalb nunmehr durch einen Einkommensvergleich zu bestimmen sei. 
 
3.   
Der Beschwerdeführer macht geltend, dass die Vorinstanz das bundesgerichtliche Rückweisungsurteil (8C_645/2010) missachtet und zu Unrecht nicht die ausserordentliche Bemessungsmethode angewendet habe. 
 
4.   
Das Bundesgericht hat in seinem Urteil vom 22. November 2010 (8C_645/2010) insbesondere erkannt, dass der Invaliditätsgrad im ausserordentlichen Bemessungsverfahren zu ermitteln sei. Es sei zu prüfen, in welchem Umfang im Betrieb, der vormals dem Beschwerdeführer gehört hatte, kaufmännische Tätigkeiten anfielen, die der Versicherte als gelernter Werkzeugmacher zu verrichten vermöchte. 
Das kantonale Gericht ist an die rechtliche Begründung im Rückweisungsentscheid gebunden (BGE 117 V 237 E. 2a S. 241 f.; 135 III 334 E. 2 S. 335 f.; Ulrich Meyer/Johanna Dormann, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2011, N. 18 zu Art. 107). Wenn das Bundesgericht eine Sache zur Vervollständigung des Sachverhaltes in bestimmten Punkten zurückweist, darf die kantonale Behörde indessen neue Tatsachen mit Bezug auf die betreffenden Punkte berücksichtigen, soweit das kantonale Recht dies erlaubt (Urteil 5A_980/2013 vom 16. Juli 2014 E. 4.2.1, zur Publikation vorgesehen; BGE 131 III 91; Urteil 8C_152/2012 vom 3. August 2012 E. 4.2). 
Die Vorinstanz hat berücksichtigt, dass der Beschwerdeführer zwischenzeitlich eine neue Firma B.________ GmbH gegründet habe. Dies war nach der dargelegten Rechtsprechung zulässig. Dass das kantonale Gericht davon abgesehen hat, allein die Betätigungsmöglichkeiten des Beschwerdeführers im gleichen Betrieb jeweils vor und nach Eintritt seines Gesundheitsschadens (schwere körperliche Arbeiten beziehungsweise leidensangepasste leichtere und auch kaufmännische Arbeiten sowie jeweils die [teilweise] Geschäftsleitung) zu vergleichen, ist nicht zu beanstanden, nachdem sich der Beschwerdeführer nicht mehr auf einen beruflichen Einsatz in seinem vormaligen Betrieb beschränkt hat und zudem die IV-Stelle die Invalidenrente nunmehr erst auf Ende Oktober 2011 aufgehoben hat. 
 
5.   
Der Beschwerdeführer rügt, dass das kantonale Gericht ihm vor Anwendung der Einkommensvergleichsmethode das rechtliche Gehör hätte gewähren müssen. 
 
5.1. Das Bundesgericht hat diese Frage im Urteil I 708/03 vom 3. Januar 2005 (E. 2.2.2) offen gelassen. Entscheidwesentlich ist hier, dass das Bundesgericht das Recht von Amtes wegen anzuwenden hat (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es besteht grundsätzlich kein Anspruch, zur rechtlichen Würdigung oder zur juristischen Begründung des Entscheides angehört zu werden (BGE 116 V 182 E. 1a S. 185; in BGE 133 III 139 nicht publizierte E. 7.1 des Urteils 4P.168/2006 vom 19. Februar 2007). Indessen ist das rechtliche Gehör zumindest der dadurch beschwerten Partei dann zu gewähren, wenn eine Behörde ihren Entscheid mit einer Rechtsnorm oder einem Rechtsgrund zu begründen beabsichtigt, die im bisherigen Verfahren nicht herangezogen wurden, auf die sich die beteiligten Parteien nicht berufen haben und mit deren Erheblichkeit im konkreten Fall sie nicht rechnen konnten (BGE 128 V 272 E. 5b/bb S. 278; 125 V 368 E. 4a S. 370; 116 V 182 E. 1a S. 185; 116 Ia 455 E. 3cc S. 458; 115 Ia 94; 108 Ia 293).  
 
5.2. Der Beschwerdeführer räumt ein, dass er sich zur neu gegründeten Firma B.________ GmbH hat äussern können. Das kantonale Gericht gab ihm namentlich die Gelegenheit, zu seiner Tätigkeit im Rahmen dieser Firma beziehungsweise im betreffenden Geschäftsbereich Stellung zu nehmen, und ersuchte um Einreichung der Geschäftsabschlüsse. Die Vorinstanz war indessen nach der dargelegten Rechtsprechung nicht gehalten, den Beschwerdeführer zudem darauf aufmerksam zu machen, dass sie die Invalidität allenfalls nicht mehr nach der ausserordentlichen Bemessungsmethode, sondern nach der Einkommensvergleichsmethode zu ermitteln gedenke, weil er in der Zwischenzeit zusätzlich eine neue Tätigkeit aufgenommen habe. Der Beschwerdeführer macht denn auch nicht geltend, dass er damit nicht habe rechnen müssen. Beschwert ist er durch den Methodenwechsel nicht, war doch im Revisionsverfahren stets die Aufhebung seiner Invalidenrente streitig. Zudem war zwar die Geschäftsaufgabe der Grund für die Rentenrevision am 30. Oktober 2009 gewesen. Nach der bundesgerichtlichen Rückweisung erfolgte die Rentenaufhebung aber erst auf Ende Oktober 2011 hin.  
 
6.   
Der Beschwerdeführer macht geltend, dass er auch als Mitinhaber der Firma B.________ GmbH nicht in der Lage sei, das statistische Durchschnittseinkommen eines Geschäftsführers zu erzielen. 
Dass die Vorinstanz dabei den Tabellenlohn nach der vom Bundesamt für Statistik herausgegebenen Lohnstrukturerhebung (LSE) im Bereich Handel, Instandhaltung und Reparatur von Motorfahrzeugen (LSE 2010, TA1, Ziff. 45), Anforderungsniveau 2 (beziehungsweise 1+2) herangezogen hat, ist im Ergebnis indessen nicht entscheidwesentlich. Dieser Lohn belief sich auf 6'293 Franken und entsprach damit etwa dem Durchschnittslohn für Männer im Bereich Maschinenbau (TA1 Ziff. 28), Anforderungsniveau 3 (6'392 Franken). Mit Blick auf vergleichbare Fälle lässt sich die Annahme eines entsprechenden Einkommens rechtfertigen, denn der Beschwerdeführer verfügt über einschlägige Berufs- und Fachkenntnisse, langjährige Berufspraxis und Führungserfahrung (vgl. etwa die Urteile I 612/03 vom 17. Februar 2004 E. 2.2.3 und I 267/03 vom 31. Oktober 2003 E. 4.2 mit Anwendung von Anforderungsniveau 2; I 445/02 vom 12. Juni 2003 E. 6.3 mit Einordnung in der Mitte zwischen den Anforderungsniveaus 2 und 3, weil die LSE zwischen den Qualifikationsstufen des höchsten Anforderungsniveaus 1 [Verrichtung höchst anspruchsvoller und schwierigster Arbeiten] und 2 [Verrichtung selbstständiger und qualifizierter Arbeiten] des Arbeitsplatzes lohnmässig nicht unterscheidet). 
Der Beschwerdeführer führt nicht weiter aus, weshalb es ihm entgegen der Auffassung des kantonalen Gerichts nicht zuzumuten sei, eine seinen Leiden angepasste Vollzeitstelle anzutreten. Auch wird nicht geltend gemacht, dass er als Gesunder weit mehr verdienen könnte und das kantonale Gericht deshalb zu Unrecht beim Validen- und beim Invalideneinkommen vom gleichen Tabellenlohn ausgegangen wäre. Dass medizinisch eine volle Leistungsfähigkeit bei leidensangepasster Tätigkeit ausgewiesen ist, wird ebenfalls nicht bestritten. 
 
7.   
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die Gerichtskosten werden dem unterliegenden Beschwerdeführer auferlegt (Art. 65 Abs. 4 lit. a in Verbindung mit Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 23. September 2014 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Leuzinger 
 
Die Gerichtsschreiberin: Durizzo