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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
I 192/02 
 
Urteil vom 23. Oktober 2002 
II. Kammer 
 
Besetzung 
Präsident Schön, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Ursprung; Gerichtsschreiberin Fleischanderl 
 
Parteien 
M.________, 1949, Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, Beschwerdegegnerin 
 
Vorinstanz 
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur 
 
(Entscheid vom 20. Februar 2002) 
 
Sachverhalt: 
A. 
Der 1949 geborene M.________, gelernter Automechaniker, war seit 1980 als Selbstständigerwerbender tätig; seit Juni 1993 wird er ergänzend, seit April 1997 vollumfänglich vom Amt für Jugend- und Sozialhilfe der Stadt Zürich unterstützt. Am 24. August 2000 meldete er sich unter Hinweis auf eine seit 1997 bestehende Bauchspeicheldrüsenentzündung bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle des Kantons Zürich holte u.a. Berichte des Hausarztes Dr. med. L.________, vom 4./5. September 2000 sowie des Dr. med. G.________, Assistenzarzt Chirurgie, Spital T.________, vom 8. Dezember 2000 ein. Gestützt darauf verneinte sie eine Anspruchsberechtigung, da die Arbeitsunfähigkeit auf reinem Suchtgeschehen (Alkoholismus) beruhe und der Versicherte daher weder invalid noch unmittelbar von Invalidität bedroht sei (Vorbescheid vom 29. Januar 2001, Verfügung vom 7. März 2001). 
B. 
Die hiegegen erhobene Beschwerde mit dem Rechtsbegehren, in Aufhebung der angefochtenen Verfügung sei die Verwaltung zu verpflichten, weitere medizinische und insbesondere ein psychiatrisches Gutachten einzuholen, eventua- liter die beruflichen Eingliederungsmöglichkeiten abzuklären sowie den Rentenanspruch zu prüfen, wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich ab (Entscheid vom 20. Februar 2002). 
C. 
M.________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde und beantragt sinngemäss die Zusprechung einer Invalidenrente. 
 
Während die IV-Stelle auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
1.1 Die Vorinstanz hat die gesetzlichen Bestimmungen und Grundsätze über den Begriff der Invalidität (Art. 4 Abs. 1 IVG) sowie der unmittelbar drohenden Invalidität als Anspruchsvoraussetzung von Eingliederungsmassnahmen (Art. 8 Abs. 1 IVG; BGE 124 V 269 Erw. 4; AHI 2001 S. 229 Erw. 2c mit Hinweisen), die Voraussetzungen und den Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 und 1bis IVG), die Ermittlung des Invaliditätsgrades bei erwerbstätigen Versicherten nach der Einkommensvergleichsmethode (Art. 28 Abs. 2 IVG; vgl. auch BGE 104 V 136 Erw. 2a und b), die Rechtsprechung zur Aufgabe des Arztes im Rahmen der Invaliditätsbemessung (BGE 125 V 261 Erw. 4, 115 V 134 Erw. 2, 114 V 314 Erw. 3c, 105 V 158 Erw. 1) sowie zum Beweiswert und zur richterlichen Würdigung von medizinischen Berichten und Gutachten (BGE 125 V 352 Erw. 3a, 122 V 160 f. Erw. 1c) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen. 
1.2 
1.2.1 Zu den geistigen Gesundheitsschäden, welche in gleicher Weise wie die körperlichen eine Invalidität im Sinne von Art. 4 Abs. 1 IVG zu bewirken vermögen, gehören neben den eigentlichen Geisteskrankheiten auch seelische Abwegigkeiten mit Krankheitswert. Nicht als Auswirkungen einer krankhaften seelischen Verfassung und damit invalidenversicherungsrechtlich nicht als relevant gelten Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit, welche die versicherte Person bei Aufbietung allen guten Willens, Arbeit in ausreichendem Masse zu verrichten, zu vermeiden vermöchte, wobei das Mass des Forderbaren weitgehend objektiv bestimmt werden muss. Es ist somit festzustellen, ob und in welchem Masse eine versicherte Person infolge ihres geistigen Gesundheitsschadens auf dem ihr nach ihren Fähigkeiten offen stehenden ausgeglichenen Arbeitsmarkt erwerbstätig sein kann. Dabei kommt es darauf an, welche Tätigkeit ihr zugemutet werden darf. Zur Annahme einer durch einen geistigen Gesundheitsschaden verursachten Erwerbsunfähigkeit genügt es also nicht, dass die versicherte Person nicht hinreichend erwerbstätig ist; entscheidend ist vielmehr, ob anzunehmen ist, die Verwertung der Arbeitsfähigkeit sei ihr sozial-praktisch nicht mehr zumutbar oder - als alternative Voraussetzung - sogar für die Gesellschaft untragbar (BGE 102 V 165; AHI 2001 S. 228 Erw. 2b mit Hinweisen; vgl. auch BGE 127 V 298 Erw. 4c in fine). Diese Grundsätze gelten u.a. auch für Drogen- und Trunksucht (ZAK 1992 S. 171 Erw. 2a mit Hinweisen). 
1.2.2 Die Alkoholsucht begründet für sich allein keine Invalidität im Sinne des Gesetzes (BGE 99 V 28 Erw. 2 und seitherige Rechtsprechung). Sie wird invalidenversicherungsrechtlich erst relevant, wenn sie eine Krankheit oder einen Unfall bewirkt hat, in deren Folge ein körperlicher oder geistiger, die Erwerbsfähigkeit beeinträchtigender Gesundheitsschaden eingetreten ist, oder wenn sie selber Folge eines körperlichen oder geistigen Gesundheitsschadens ist, dem Krankheitswert zukommt (BGE 99 V 28 Erw. 2; AHI 2002 S. 30 Erw. 2a, 2001 S. 228 f. Erw. 2b in fine, je mit Hinweisen). Dabei ist das ganze für die Alkoholsucht massgebende Ursachen- und Folgespektrum in eine Gesamtwürdigung einzubeziehen (ZAK 1992 S. 172 Erw. 4d). Soweit es um die krankheitsbedingten Ursachen der Alkoholsucht geht, ist erforderlich, dass ihr eine ausrei-chend schwere und ihrer Na tur nach für die Entwicklung einer Suchtkrankheit geeignete Gesundheitsstörung zu Grunde liegt, welche zumindest eine erhebli-che Teilursache der Alkoholsucht darstellt, damit diese als invalidisierender Gesundheitsschaden im Sinne von Art. 4 Abs. 1 IVG anerkannt werden kann (Urteil W. vom 4. April 2002, I 401/01, mit Hinweis). 
 
2. 
Der Beschwerdeführer macht letztinstanzlich geltend, seine aktuellen körperlichen Gesundheitsstörungen (und damit wohl auch sein Alkoholismus) seien Folge eines seit längerer Zeit bestehenden psychischen Leidens. 
2.1 Gemäss hausärztlichem Bericht des Dr. med. L.________ vom 4./5. Sep-tember 2000 leidet der Beschwerdeführer an einer "chron. rec. aethylogenen Pancreatitis, chron. Bronchitis bei Raucher, Diverticulitis". Er bescheinigte dem Versicherten seit 25. Dezember 1999 bis auf weiteres eine 100 %ige Arbeitsunfähigkeit, wobei der "Pegelstand" das Ausmass der Einschränkung im Leistungsvermögen bestimme. Er erachtete eine berufliche Umstellung zur Zeit als nicht möglich, beurteilte den Gesundheitszustand und die Arbeitsunfähigkeit unter der Voraussetzung der (Alkohol-)Abstinenz indes als besserungsfähig. 
 
Dem Bericht des Dr. med. G.________ vom 8. Dezember 2000 ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer letztmals vom 25. Dezember 1999 bis 12. Januar 2000 auf Grund eines zweiten akuten Schubes einer chronisch, aethylischen Pankreatitis mit Pseudozyste von 1,5 cm Durchmesser im Spital T.________ hospitalisiert gewesen war. 
2.2 Es steht im Lichte der medizinischen Aktenlage fest, dass das Krankheitsbild des Beschwerdeführer zur Hauptsache durch eine, die Arbeitsfähigkeit seit 25. Dezember 1999 vollständig einschränkende, chronische aethylische Pankreatitis geprägt ist. Diese stellt unbestrittenermassen eine Folgeerkrankung des Alkoholabusus dar und machte zufolge Auftretens einer Pseudozyste bereits eine mehrwöchige Hospitalisation notwendig. Auf Grund der Aussagen des Dr. med. G.________ ("letztmals", "zweiten akuten Schubes") ist davon auszugehen, dass es sich dabei nicht um den ersten derartigen Klinikaufenthalt handelte. 
3. 
3.1 Entgegen der Auffassung von Vorinstanz und Verwaltung ist angesichts dieser Sachlage einzig gestützt auf die eher knappen hausärztlichen Angaben vom 4./5. September 2000, wonach die Arbeitsfähigkeit abhängig vom "Pegelstand" sei, nicht ausgewiesen, dass die Entzündung der Bauchspeicheldrüse, welche bereits chronischen Charakter aufweist und schon zu (mindestens) einer längeren Hospitalisation geführt hat, allein durch eine erfolgreiche Entziehungskur (mit anschliessender Therapie) eine erhebliche Besserung erfahren und das Leistungsvermögen vollständig wiederhergestellt würde. Weder der Bericht des Dr. med. L.________ vom 4./5. September 2000 noch die kurze Stellungnahme des Dr. med. G.________ vom 8. Dezember 2000 enthalten zudem die nach der zuvor dargelegten Rechtsprechung - Erw. 1.2.2 - erforderliche gesamtheitliche Beurteilung von Ursache und Folgen des chronischen Aethylismus. Ferner hat der Beschwerdeführer in allen Verfahrensstadien - so auch letztinstanzlich - wiederholt darauf hingewiesen, dass er seit einiger Zeit an psychischen Beschwerden leide, welche ins besondere in jungen Jahren einen stationären Klinikaufenthalt in Genf und ambulante Therapien erforderlich gemacht hätten. 
3.2 Nach dem Gesagten ist auf Grund der vorhandenen medizinischen Unterlagen keine abschliessende Beurteilung der Frage möglich, ob die Alkoholsucht des Beschwerdeführers als Folge eines körperlichen oder geistigen Gesundheitsschadens oder als Ursache eines solchen zu qualifizieren ist und ihr invalidisierende Auswirkungen auf die Arbeits- und Erwerbsfähigkeit beigemessen werden können. Die Sache geht daher an die IV-Stelle zurück, damit sie im Rahmen des ihr obliegenden Untersuchungsgrundsatzes (vgl. BGE 125 V 195 Erw. 2, 122 V 158 Erw. 1a, je mit Hinweisen) entsprechende fachärztliche Abklärungen veranlassen und hernach in Nachachtung der in Erw. 1.2.1 und 1.2.2 hievor zitierten Rechtsprechung über die dem Beschwerdeführer zustehenden Leistungsansprüche neu befinden wird. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne gutgeheissen, dass der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 20. Februar 2002 und die Verfügung vom 7. März 2001 aufgehoben werden und die Sache an die IV-Stelle des Kantons Zürich zurückgewiesen wird, damit diese, nach erfolgter Abklärung im Sinne der Erwägungen, über die Leistungsansprüche des Beschwerdeführers neu befinde. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, der Ausgleichskasse des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. 
Luzern, 23. Oktober 2002 
 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der II. Kammer: Die Gerichtsschreiberin: