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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
2C_208/2015  
   
   
 
 
 
Urteil vom 24. Juni 2015  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Zünd, Präsident, 
Bundesrichter Seiler, Haag, 
Gerichtsschreiber Matter. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwältin Bettina Surber, 
 
gegen  
 
Migrationsamt des Kantons St. Gallen, 
 
Sicherheits- und Justizdepartement des Kantons 
St. Gallen. 
 
Gegenstand 
Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des 
Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen 
vom 23. Januar 2015. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
 A.________, geb. 1964, von Bosnien und Herzegowina, reiste 1988 im Rahmen des Familiennachzugs zu seiner damaligen Ehefrau in die Schweiz ein und erhielt eine Aufenthaltsbewilligung. 1989 kam die gemeinsame Tochter zur Welt, die später das Schweizer Bürgerrecht erhielt. Im November 1994 wurde die Ehe geschieden. Das Migrationsamt verlängerte in der Folge die Aufenthaltsbewilligung von A.________ teilweise unter Bedingungen. Im Juli 1998 verweigerte es die Erteilung der Niederlassungsbewilligung und verwarnte A.________ mit Verfügungen vom 10. Dezember 2001 und 22. Juli 2009. Im Oktober 2011 verlängerte es die Aufenthaltsbewilligung erneut unter Bedingungen (Loslösung von der Sozialhilfe, Schuldensanierung im Rahmen des Möglichen, Aufnahme einer Erwerbstätigkeit). Mit Verfügung vom 7. September 2012 verweigerte es eine weitere Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung. 
 
B.  
 
 Diese Verfügung wurde von den kantonalen Rechtsmittelinstanzen bestätigt (Rekursentscheid des Sicherheits- und Justizdepartements des Kantons St. Gallen vom 22. November 2013; Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 23. Januar 2015). Das Verwaltungsgericht erwog, bereits frühere Verlängerungen der Aufenthaltsbewilligung seien unter der Bedingung erfolgt, die Schulden zu sanieren und keine neuen Ausstände zu verursachen. Trotzdem habe sich die finanzielle Situation von A.________ nicht verbessert; er gehe keiner geregelten Erwerbstätigkeit nach und müsse immer wieder durch das Sozialamt unterstützt werden, obwohl er voll arbeitsfähig sei. Er sei zudem wegen Sozialhilfebetrugs und wiederholt wegen Drohung gegen Versicherungs-Mitarbeiter verurteilt worden. Er habe auch Auflagen der Sozialhilfebehörde nicht erfüllt, weshalb ihm der Grundbedarf gekürzt worden sei. Die Rückkehr nach Bosnien, wo er bis zu seinem 24. Lebensjahr gelebt habe, sei zumutbar und die Verweigerung der Bewilligungsverlängerung verhältnismässig. Damit seien die Voraussetzungen für eine Bewilligungsverlängerung (Art. 33 Abs. 3 i.V.m. Art. 62 AuG) nicht erfüllt. 
 
C.  
 
 A.________ erhebt mit Eingabe vom 5. März 2015 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, eventuell Verfassungsbeschwerde, mit dem Antrag, in Aufhebung des angefochtenen Entscheids sei ihm die Aufenthaltsbewilligung zu verlängern. Eventualiter sei die Vorinstanz anzuweisen, über die Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung nach Durchführung eines umfassenden Beweisverfahrens neu zu entscheiden. Zudem beantragt er die Erteilung der aufschiebenden Wirkung. 
Das Bundesgericht hat die Akten beigezogen, aber auf einen Schriftenwechsel verzichtet. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen den kantonal letztinstanzlichen Endentscheid ist grundsätzlich zulässig (Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Art. 90 BGG), gegen einen Entscheid betreffend eine ausländerrechtliche Bewilligung jedoch nur, wenn das Bundesrecht oder das Völkerrecht darauf einen Anspruch einräumt (Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG). Das Bundesgericht prüft die Zulässigkeit der Beschwerde von Amtes wegen (Art. 29 Abs. 1 BGG), doch haben die Beschwerdeführer die tatsächlichen Umstände, auf die sie die Zulässigkeit stützen, darzulegen, sofern sie nicht offensichtlich sind (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG; BGE 133 II 353 E. 1 S. 356).  
 
1.2. Der Beschwerdeführer macht keinen bundesrechtlichen Bewilligungsanspruch geltend, beruft sich aber auf familiäre Beziehungen im Sinne von Art. 8 EMRK zu seiner Freundin und zu seiner Tochter. Der Schutz des Familienlebens im Sinne dieser Bestimmung bezieht sich in erster Linie auf die Kernfamilie (Ehegatten und minderjährige Kinder); andere familiäre Beziehungen, namentlich diejenige zwischen Eltern und erwachsenen Kindern, stehen nur ausnahmsweise unter dem Schutz von Art. 8 EMRK, wenn ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis besteht (BGE 139 II 393 E. 5.1 S. 402; 135 I 143 E. 3.1 S. 148; 129 II 11 E. 2 S. 13 f.; 120 Ib 257 E. 1d S. 260 f.). In den Schutzbereich von Art. 8 EMRK fallen auch nicht rechtlich begründete familiäre Verhältnisse, sofern eine genügend nahe, echte und tatsächlich gelebte Beziehung besteht; entscheidend ist die Qualität des Familienlebens und nicht dessen rechtliche Begründung (BGE 135 I 143 E. 3.1 S. 148). Das Bundesgericht hat hieraus abgeleitet, dass sich aus einem Konkubinat ein Bewilligungsanspruch dann ergibt, wenn die partnerschaftliche Beziehung seit Langem eheähnlich gelebt wird oder konkrete Hinweise auf eine unmittelbar bevorstehende Hochzeit hindeuten. Die Beziehung der Konkubinatspartner muss bezüglich Art und Stabilität in ihrer Substanz einer Ehe gleichkommen (Zusammenleben in einem gemeinsamen Haushalt; Natur und Länge der Beziehung, Interesse und Bindung der Partner aneinander, etwa durch Kinder oder andere Umstände; BGE 135 I 143 E. 3.1 S. 148; Urteil 2C_702/2011 vom 23. Februar 2012 E. 3.1).  
 
1.3. Zur Begründung seines Konkubinatsverhältnisses bringt der Beschwerdeführer vor, er lebe im Konkubinat mit seiner Lebenspartnerin, die in der Schweiz eine Niederlassungsbewilligung habe; er pflege mit ihr eine der Ehe gleichkommende Beziehung, sie würden zusammen wohnen, zusammen in die Ferien fahren und ihre Freizeit miteinander verbringen. Als Beleg legt er einzig eine Niederlassungsbewilligung von B.________ vor sowie zwei Quittungen, wonach das Betreibungsamt U.________ vom Beschwerdeführer, "c/o B.________" zwei Zahlungen erhalten hat. Dabei handelt es sich jedoch um Noven, die vor Bundesgericht unzulässig sind (Art. 99 Abs. 1 BGG). Zudem räumt der Beschwerdeführer selber ein, das Konkubinat vor der Vorinstanz nicht erwähnt zu haben, weshalb diese denn auch dazu keine Feststellungen traf. Im Rekurs an das Sicherheits- und Justizdepartement, auf welchen sich der Beschwerdeführer beruft, hat er einzig ohne jeden Beleg vorgebracht "Freundin - 4 Jahre zusammen", nachdem er auch in seiner Stellungnahme vom 27. August 2012 im Rahmen des rechtlichen Gehörs das Konkubinat nicht erwähnt hat. Insgesamt ist damit ein unter Art. 8 EMRK fallendes Konkubinatsverhältnis nicht hinreichend dargetan.  
 
1.4. Was die Beziehung zu seiner inzwischen längst erwachsenen Tochter betrifft, so macht der Beschwerdeführer geltend, diese bestätige, eine enge Beziehung zu ihrem Vater zu pflegen und von ihm während ihrer Ausbildung unterstützt worden zu sein. Wie der Beschwerdeführer selber vorbringt, hat die Tochter ihre Ausbildung inzwischen abgeschlossen. Ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis zwischen Vater und Tochter im Sinne der Rechtsprechung ist nicht ersichtlich.  
 
1.5. Ein Rechtsanspruch auf die beantragte Bewilligung ist damit nicht dargetan, so dass die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten unzulässig ist.  
 
2.  
 
2.1. Die Beschwerde kann als Verfassungsbeschwerde entgegengenommen werden, soweit sie deren Voraussetzungen erfüllt. Zur Verfassungsbeschwerde ist legitimiert, wer vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen hat oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat und ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat (Art. 115 BGG). Mit Verfassungsbeschwerde kann nur die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden (Art. 116 BGG). Das Bundesgericht prüft diese Verletzung nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (Art. 117 i.V.m. Art. 106 Abs. 2 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat; es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie auf einer Verletzung verfassungsmässiger Rechte beruht (Art. 118 BGG).  
 
2.2. Da der Beschwerdeführer über keinen Bewilligungsanspruch verfügt (vorne E. 1), wird er durch die Bewilligungsverweigerung nicht in rechtlich geschützten Interessen betroffen, und es fehlt ihm zur Beschwerdeführung in der Sache selbst die Legitimation (BGE 133 I 185 E. 6.1 S. 197 f.). Namentlich ist er nicht legitimiert zur Rüge, die Vorinstanz habe die massgebenden Rechtsgrundlagen (Art. 33 Abs. 3 i.V.m. Art. 62 AuG) unzutreffend oder willkürlich angewendet. Auch das allgemeine Verhältnismässigkeitsprinzip, auf welches sich der Beschwerdeführer beruft, ist kein verfassungsmässiges Recht (BGE 135 V 172 E. 7.3.2 S. 182; 134 I 153 E. 4.1 S. 156 f.), so dass auch insofern auf die Beschwerde nicht einzutreten ist.  
 
2.3. Trotz fehlender Legitimation in der Sache selbst ist der Beschwerdeführer allerdings zur Rüge berechtigt, ihm zustehende Verfahrensgarantien seien verletzt worden. Nicht zu hören sind dabei aber Vorbringen, die im Ergebnis auf die Überprüfung des Sachentscheids abzielen, wie die Behauptung, die Begründung sei unvollständig oder zu wenig differenziert bzw. die Vorinstanz habe sich nicht oder in willkürlicher Weise mit den Argumenten der Partei auseinandergesetzt und Beweisanträge in offensichtlich unhaltbarer antizipierter Beweiswürdigung abgelehnt (sog. STAR-Praxis, vgl. BGE 114 Ia 307 E. 3c S. 313; zur Weiterführung unter der Herrschaft des Bundesgerichtsgesetzes spezifisch zum Ausländerrecht s. BGE 133 I 185 E. 6.2 S. 198 f.; 137 II 305 E. 2 S. 308).  
 
2.4. Der Beschwerdeführer rügt als Gehörsverletzung, die Vorinstanz habe seiner Partnerschaft mit B.________ keine Beachtung geschenkt und damit das rechtliche Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) verletzt. Der Anspruch auf rechtliches Gehör umfasst unter anderem den Anspruch darauf, dass sich die Behörde mit den Vorbringen der Parteien auseinandersetzt. Zudem verpflichtet Art. 110 BGG die Vorinstanz dazu, den Sachverhalt frei zu prüfen. Dies entbindet die Parteien aber nicht davon, im Rahmen ihrer Mitwirkungspflichten namentlich diejenigen Umstände geltend zu machen, die nur ihnen bekannt sein können und auf welche sie sich zu ihren Gunsten berufen (Urteile 2C_81/2011 vom 1. September 2011 E. 3.6/3.7; 2C_388/2009 vom 9. Dezember 2009 E. 5.3; vgl. Art. 90 AuG). Wie bereits dargelegt (E. 1.3), hat der Beschwerdeführer einzig in seinem Rekurs an das Sicherheits- und Justizdepartement summarisch und ohne jeden Beleg auf die Beziehung zu einer Freundin hingewiesen. Das Departement ging in seinem Entscheid darauf nicht ein, worauf der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde an die Vorinstanz das Konkubinat nicht mehr erwähnte. Unter diesen Umständen liegt keine Gehörsverletzung darin, dass die Vorinstanz diesbezüglich nicht von sich aus nähere Abklärungen getroffen, sondern nur ausgeführt hat, der Beschwerdeführer führe keine in der Schweiz gelebte partnerschaftliche Beziehung an.  
 
3.  
 
 Die Beschwerde erweist sich damit als unbegründet, soweit darauf eingetreten werden kann. Der Beschwerdeführer trägt die Kosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Mit dem Entscheid in der Sache wird das Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos. 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.- werden dem Beschwerdeführer      auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen und dem Staatssekretariat für Migration schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 24. Juni 2015 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Zünd 
 
Der Gerichtsschreiber: Matter