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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
4C.352/2006 /len 
 
Urteil vom 25. Januar 2007 
I. zivilrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Corboz, Präsident, 
Bundesrichterinnen Rottenberg Liatowitsch, Kiss, 
Gerichtsschreiber Mazan. 
 
Parteien 
X.________ AG, 
Klägerin und Berufungsklägerin, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Philipp Perren, 
 
gegen 
 
Y.________ AG, 
Beklagte und Berufungsbeklagte, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Georg Aschwanden. 
 
Gegenstand 
Werkvertrag; Aktivlegitimation, 
 
Berufung gegen das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Bern vom 12. Mai 2006. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Die Firma X.________ AG (Klägerin) bildet zusammen mit der Firma A.________ GmbH die ARGE B.________. Die ARGE B.________ baut für die Y.________ AG (Beklagte) Klima- und Lüftungsanlagen für das Projekt C.________. Im Rahmen der Realisierung dieses Projektes wurde der Beklagten das Los "Mechanische Ausrüstungen" zur Ausführung zugeteilt. Innerhalb des Loses "Mechanische Ausrüstungen" stellen die Klima- und Lüftungsanlagen das grösste Unterlos dar. Dieses Unterlos wurde von der ARGE B.________ übernommen und intern in ein Teillos der Klägerin und ein Teillos der A.________ GmbH unterteilt. Das Los der Klägerin umfasst insgesamt neun Anlagen. Zudem sollte die Anlagensteuerung für die gesamte Anlage von der Klägerin ausgeführt werden. Der Werkvertrag zwischen den Mitgliedern der ARGE B.________ und der Beklagten wurde am 4. Juni 2003 unterzeichnet. Der ARGE B.________-Vertrag zwischen der Klägerin und der A.________ GmbH wurde erst am 8. bzw. 16. November 2004 geschlossen. 
Im Jahr 2004 entstanden Diskussionen bezüglich der Preise für Mehraufwand wegen Projektänderungen. Am 27. Dezember 2004 informierte die A.________ GmbH die Klägerin, dass sie mit der Beklagten den Kontakt gesucht habe, um die Preisverhandlungen voranzubringen. Das Ergebnis sei, dass sie sämtliche Preise der Anlagen der A.________ GmbH mit der Beklagten fest vereinbart habe. Mit Schreiben vom 13. Januar 2005 wurde die Klägerin auch von der Beklagten über diese Einigung informiert. Dabei wurde ihr mitgeteilt, dass die Preisbereinigung mit der A.________ GmbH dazu führe, dass auf die Klägerin derselbe Massstab angewandt würde. Die Klägerin war mit diesem Vorgehen und dem für sie zu tiefen Preisniveau nicht einverstanden. Eine Einigung konnte nicht erzielt werden. In der Folge stellte die Klägerin ihre Arbeiten am Projekt C.________ mit sofortiger Wirkung ein. 
Die Beklagte führte die Arbeiten in der Folge alleine weiter. In der Zwischenzeit wurde die A.________ GmbH von der Beklagten übernommen. Die ARGE B.________ ist jedoch nicht liquidiert. 
B. 
Am 15. April 2005 beantragte die Klägerin dem Handelsgericht des Kantons Bern, die Beklagte sei im Sinn einer Teilklage zu verpflichten, einen Betrag von minimal Fr. 2'650'766.50 zuzüglich Zins zu bezahlen (Ziff. 1); ferner sei die Beklagte zur Bezahlung von nicht gerechtfertigten Skontoabzügen von Fr. 207'958.34 zuzüglich Zins zu verpflichten (Ziff. 2); schliesslich sei die Beklagte zur Entschädigung der vorprozessualen Anwaltskosten von Fr. 60'313.55 und Fr. 22'580.95 zuzüglich Zins zu verurteilen (Ziff. 3). Mit ihrer Klage macht die Klägerin die Abgeltung der von ihr bis zur Arbeitsniederlegung am 20. Januar 2005 erbrachten Leistungen zu den nach ihrer Auffassung massgebenden Preisen geltend. 
Die Beklagte beantragte am 16. August 2005, die Klage sei abzuweisen. Gleichzeitig erhob sie Widerklage mit dem Antrag, die Klägerin sei zu verpflichten, ihr unter Vorbehalt der Nachklage Fr. 2'928'274.-- zuzüglich Zins zu bezahlen. Mit der Widerklage fordert die Beklagte von der Klägerin zurück, was sie nach ihrer Auffassung der ARGE B.________ zuviel bezahlt habe. 
Am 12. April 2006 verfügte der Präsident des Handelsgerichts als Instruktionsrichter die Beschränkung des Verfahrens auf die Frage der Aktivlegitimation der Klägerin. Anlässlich der Hauptverhandlung vom 12. Mai 2006 ergänzte die Klägerin ihre Anträge insoweit, als die Beklagte eventualiter zu verpflichten sei, die verlangten Zahlungen gemäss Ziffer 1 bis 3 an die ARGE B.________ zu leisten. Mit Urteil vom 12. Mai 2006 (ausgefertigt am 30. August 2006) wies das Handelsgericht des Kantons Bern die (Haupt-)Klage wegen fehlender Aktivlegitimation der Klägerin ab. Über die Widerklage entschied das Handelsgericht nicht. 
C. 
Mit Berufung vom 4. Oktober 2006 beantragt die Klägerin dem Bundesgericht, das Urteil des Handelsgerichtes des Kantons Bern vom 12. Mai 2006 sei aufzuheben, die Aktivlegitimation der Klägerin zur Klage sei zu bejahen und das Verfahren sei zur Weiterführung des Prozesses ans Handelsgericht zurückzuweisen; eventualiter sei der Entscheid des Handelsgerichtes, die vormalige ARGE B.________-Partnerin der Klägerin nicht zum Prozess beizuladen bzw. auf den entsprechenden Antrag der Klägerin überhaupt nicht einzutreten, aufzuheben und das Handelsgericht sei anzuweisen, die vormalige ARGE B.________-Partnerin zum Prozess beizuladen; subeventualiter sei der Entscheid des Handelsgerichtes, das Verfahren nicht zu sistieren, solange ein Verfahren auf Abgabe einer Willenserklärung gegen die vormalige ARGE B.________-Partnerin laufe, aufzuheben, und das Handelsgericht sei anzuweisen, das Verfahren zu sistieren, bis das Verfahren auf Abgabe einer Willenserklärung entschieden sei. 
Die Beklagte beantragt, die Berufung sei abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden könne. 
D. 
In der gleichen Sache gelangt die Beschwerdeführerin auch mit staatsrechtlicher Beschwerde ans Bundesgericht. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110) ist am 1. Januar 2007 in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Da der angefochtene Entscheid vorher ergangen ist, richtet sich das Verfahren noch nach dem OG (Art. 132 Abs. 1 BGG). 
2. 
Werden in der gleichen Streitsache staatsrechtliche Beschwerde und Berufung erhoben, so ist in der Regel zuerst über die staatsrechtliche Beschwerde zu befinden, und der Entscheid über die Berufung wird ausgesetzt (Art. 57 Abs. 5 OG). Von dieser Regel ist dann abzuweichen, wenn eine Berufung wie im vorliegenden Fall unzulässig erscheint (BGE 117 II 630 E. 1a S. 631 mit Hinweis). 
3. 
Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob und inwieweit auf eine Berufung eingetreten werden kann (BGE 131 I 153 E. 1 S. 156 mit Hinweis). 
3.1 Die Berufung ist gemäss Art. 48 OG in der Regel erst gegen die Endentscheide der oberen kantonalen Gerichte zulässig. Wenn die Parteien im kantonalen Verfahren Klage und Widerklage erhoben haben und das Gericht nur über die eine der beiden Klagen - z.B. wie im vorliegenden Fall nur über die (Haupt-)Klage - entschieden hat, liegt nach der Rechtsprechung und Literatur kein Endentscheid vor (BGE 100 II 427 E. 1 S. 429 mit Hinweisen; seither bestätigt in Urteil 4C.229/2003 vom 20. Januar 2004, [nicht publ. E. 1 von BGE 130 III 267 ff.] und Urteil 4C.400/1995 vom 14. August 1996 [E. 2]; Poudret/Sandoz-Monod, Commentaire de la loi fédérale d'organisation judiciaire, Band II, N 1.1.7.6 zu Art. 48 OG mit Hinweisen; Messmer/Imboden, Die eidgenössischen Rechtsmittel in Zivilsachen, S. 96, Rz. 68 mit Hinweisen). Von einem Endentscheid könnte nur dann ausgegangen werden, wenn die bislang nicht beurteilte Widerklage in ein separates Verfahren verwiesen worden wäre (BGE 100 II 427 E. 1; Messmer/Imboden, a.a.O., S. 96, Rz. 68, Fn. 8). Davon kann im vorliegenden Fall keine Rede sein. Im Gegenteil ist das Verfahren auch nach der definitiven Abweisung der Hauptklage immer noch - in Bezug auf die Widerklage - hängig. Wenn im Urteilsdispositiv festgehalten wird, dass die Kosten mit der Hauptsache liquidiert werden, kann dies nur bedeuten, dass die Widerklage immer noch im ursprünglichen, von der Klägerin eingeleiteten Verfahren hängig ist und nicht in ein gesondertes Verfahren verwiesen worden ist. 
3.2 Gemäss Art. 50 Abs. 1 OG ist eine Berufung gegen einen selbständigen Vor- oder Zwischenentscheid zulässig, wenn dadurch (erstens) sofort ein Endentscheid herbeigeführt und (zweitens) ein so bedeutender Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren erspart werden kann, dass die gesonderte Anrufung des Bundesgerichts gerechtfertigt erscheint. Von den Vor- oder Zwischenentscheiden sind Teilurteile zu unterscheiden, die nach der Praxis mit Berufung selbständig anfechtbar sind, wenn (erstens) die davon erfassten Begehren zum Gegenstand eines gesonderten Prozesses hätten gemacht werden können, und (zweitens) deren Beurteilung für den Entscheid über die übrigen Begehren präjudiziell ist (zur Publikation bestimmtes Urteil 4C.197/2006 vom 6. Oktober 2006 E. 2, BGE 131 III 667 E. 1.3 S. 669 f., 129 III 25 E. 1.1 S. 27, 124 III 406 E. 1a S. 409, je mit Hinweisen). 
3.2.1 Von einem Vor- oder Zwischenentscheid im Sinn von Art. 50 Abs. 1 OG ist u.a. auszugehen, wenn in ihm eine einzelne materiellrechtliche Anspruchsvoraussetzung urteilsmässig erledigt worden ist, sei es, dass dies im Urteilsdispositiv ausdrücklich angeordnet wird, oder sei es, dass die im Dispositiv enthaltene Rückweisung sich damit begnügt, auf die Erwägungen Bezug zu nehmen. Von einem Teilurteil ist auszugehen, wenn ein Entscheid in endgültiger Weise über einen oder mehrere Klagebegehren entscheidet, weitere Anträge aber einem späteren Entscheid vorbehält. Ferner ist von einem Teilurteil auszugehen, wenn nur über einen betragsmässig begrenzten Teil der Klage oder über eine von mehreren Klagen - subjektive bzw. objektive Klagenhäufung oder Klage und Widerklage - entschieden wird (zur Publikation bestimmtes Urteil 4C.197/2006 vom 6. Oktober 2006 E. 2, mit weiteren Hinweisen). Im vorliegenden Fall hat die Vorinstanz nur über eine von mehreren Klagen - nämlich über die von der Klägerin erhobene (Haupt-)Klage - definitiv entschieden. Demgegenüber ist die von der Beklagten erhobene Widerklage unbeurteilt geblieben. Das Handelsgericht hat somit ein Teilurteil - und nicht einen Vor- oder Zwischenentscheid - gefällt. 
3.2.2 Wie erwähnt kann ein Teilurteil gemäss der angeführten Rechtsprechung selbständig mit Berufung angefochten werden, wenn (erstens) die davon erfassten Begehren zum Gegenstand eines gesonderten Prozesses hätten gemacht werden können, und (zweitens) deren Beurteilung für den Entscheid über die übrigen Begehren präjudiziell ist (E. 3.2). 
Die erste Voraussetzung ist im vorliegenden Fall offenkundig erfüllt, da die von der Klägerin im Verfahren vor Handelsgericht gestellten Begehren Gegenstand eines separaten Verfahrens hätten bilden können. 
Demgegenüber ist die zweite Voraussetzung, dass das Teilurteil präjudiziell für den Entscheid für die übrigen Begehren - im vorliegenden Fall für die Widerklage - ist, nicht erfüllt. Die von der Klägerin und der A.________ GmbH gebildete ARGE B.________ ist unstrittig als einfache Gesellschaft im Sinn von Art. 530 ff. OR zu qualifizieren. Da gemäss Art. 544 Abs. 1 OR alle Sachen, dingliche Rechte und Forderungen unter Vorbehalt abweichender Regelungen allen Gesellschaftern gemeinschaftlich gehören, können entsprechende Ansprüche nur von allen Gesellschaftern gemeinsam als notwendige "aktive" Streitgenossenschaft geltend gemacht werden. Die Klägerin allein ist somit nicht aktivlegitimiert, es sei denn, die Gesellschafter hätten eine andere vertragliche Regelung getroffen, welche Frage im Verfahren vor Handelsgericht umstritten war. Der Entscheid über die Aktivlegitimation in Bezug auf die (Haupt-)Klage hat jedoch keinen Einfluss auf die Frage der Passivlegitimation der Klägerin (und Widerbeklagten) in Bezug auf die Widerklage. Vielmehr bestimmt Art. 544 Abs. 3 OR, dass die Mitglieder einer einfachen Gesellschaft für die gemeinschaftlich eingegangenen Verpflichtungen solidarisch haften. Bei einer gegen die Mitglieder einer einfachen Gesellschaft gerichteten Klage ist nicht von einer notwendigen "passiven" Streitgenossenschaft auszugehen. Ein allfälliges Fehlen der Aktivlegitimation der Klägerin für die Hauptklage führt somit nicht zum Fehlen der Passivlegitimation der Klägerin in Bezug auf die Widerklage. Der im Rahmen der (Haupt-)Klage gefällte Entscheid zur Aktivlegitimation der Klägerin ist folglich in keiner Weise präjudiziell für die im Rahmen der Widerklage zu prüfende Frage der Sachlegitimation. 
3.3 Aus diesen Gründen ist eine Anfechtung des (Teil-)Urteils des Handelsgerichts vom 12. Mai 2006 ausgeschlossen und auf die Berufung ist nicht einzutreten. Daran ändert insbesondere auch der Umstand nichts, dass die Beklagte die Berufungsfähigkeit des angefochtenen Urteils ausdrücklich bejaht. Wie erwähnt prüft das Bundesgericht die Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen. 
4. 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Klägerin kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 156 Abs. 1 und Art. 159 Abs. 2 OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Auf die Berufung wird nicht eingetreten. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 17'000.-- wird der Klägerin auferlegt. 
3. 
Die Klägerin hat die Beklagte für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 19'000.-- zu entschädigen. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Handelsgericht des Kantons Bern schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 25. Januar 2007 
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: