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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
I 556/02 
 
Urteil vom 25. März 2003 
II. Kammer 
 
Besetzung 
Präsident Schön, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Frésard; Gerichtsschreiber Hadorn 
 
Parteien 
A.________, 1945, Beschwerdeführerin, vertreten durch Fürsprecher Ulrich Seiler, Falkenhöheweg 20, 3012 Bern, 
 
gegen 
 
IV-Stelle Bern, Chutzenstrasse 10, 3007 Bern, Beschwerdegegnerin 
 
Vorinstanz 
Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Bern 
 
(Entscheid vom 10. Juni 2002) 
 
Sachverhalt: 
Die 1945 geborene A.________ meldete sich mehrmals erfolglos zum Bezug von Leistungen der Invalidenversicherung an. Mit Verfügung vom 12. September 2001 trat die IV-Stelle des Kantons Bern auf das jüngste Leistungsgesuch nicht ein. 
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Entscheid vom 10. Juni 2002 ab. Zugleich verweigerte es A.________ wegen Aussichtslosigkeit ihres Rechtsmittels die Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung. 
A.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und beantragen, die IV-Stelle sei zu verpflichten, auf das Leistungsgesuch einzutreten und die gesetzlichen Leistungen, namentlich medizinische Abklärungen, zu erbringen. Ferner ersucht sie um Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung im letztinstanzlichen Verfahren und Zusprechung einer Parteientschädigung, eventuell Erteilung der unentgeltlichen Verbeiständung für den kantonalen Prozess. 
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung verzichtet. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Wurde eine Rente oder Hilflosenentschädigung wegen eines zu geringen Invaliditätsgrades oder wegen fehlender Hilflosigkeit verweigert, wird eine neue Anmeldung laut Art. 87 Abs. 4 IVV nur geprüft, wenn die Voraussetzungen gemäss Absatz 3 erfüllt sind. Nach diesem Absatz ist im Gesuch glaubhaft zu machen, dass sich der Grad der Invalidität oder der Hilflosigkeit des Versicherten in einer für den Anspruch erheblichen Weise geändert hat (vgl. auch BGE 117 V 200 Erw. 4b, 109 V 265 Erw. 4a). Das am 1. Januar 2003 in Kraft getretene Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 ist sodann im vorliegenden Fall nicht anwendbar, da nach dem massgebenden Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Verfügung (hier: 12. September 2001) eingetretene Rechts- und Sachverhaltsänderungen vom Sozialversicherungsgericht nicht berücksichtigt werden (BGE 127 V 467 Erw. 1, 121 V 366 Erw. 1b). 
2. 
Zu prüfen ist einzig, ob die IV-Stelle zu Recht nicht auf das Leistungsgesuch eingetreten ist, mit andern Worten, ob die Beschwerdeführerin seit der letzten materiellen Prüfung durch die Verwaltung (ablehnende Verfügung vom 30. Juli 1999) bis zum Datum der streitigen Nichteintretensverfügung vom 12. September 2001 eine relevante Verschlechterung des Gesundheitszustandes glaubhaft zu machen vermochte (AHI 1999 S. 83). Hingegen sind die materiellen Anträge nicht im vorliegenden Prozess zu beurteilen. Sodann bildet der 12. September 2001 nach ständiger Rechtsprechung die zeitliche Grenze der richterlichen Überprüfungsbefugnis (BGE 121 V 366 Erw. 1b), weshalb später verfasste Arztberichte wie diejenigen der Klinik L.________ vom 6. Juni 2002 und von Frau Dr. med. S.________, Gemeinschaftspraxis, Klinische Psychologie, vom 7. August 2002 unbeachtlich bleiben. 
3. 
3.1 Zur Begründung des hier streitigen Leistungsgesuchs reichte die Beschwerdeführerin Berichte von Dr. med. X.________, FMH Rheumatologie und Innere Medizin, vom 22. Februar 2001 und von Dr. med. S.________ vom 9. Mai 2001 ein. Dr. S.________ hat die Versicherte in psychiatrischer Hinsicht untersucht und bringt namentlich vor, dass diese viele schwere Erlebnisse habe verkraften müssen: ihr Ehemann sei arbeitslos und mit einem drogensüchtigen Sohn in die Türkei zurückgekehrt, sie selbst sei am Bahnhof Bern überfallen und einer grösseren Geldsumme beraubt worden, habe ihren Quartierladen schliessen und sich einer ablatio mammae unterziehen müssen. Die nachfolgende Behandlung habe zu einer erheblichen Gewichtszunahme geführt. Es seien erste Rheumaschübe aufgetreten. 
 
Dr. X.________ führt aus, hinsichtlich der Diagnosen habe seine Abklärung keine neuen Gesichtspunkte ergeben. An der somatoformen Schmerzstörung mit Aspekten eines Fibromyalgie-Syndroms sei nicht zu zweifeln. Zwar fielen die klinisch objektivierbaren Befunde diskret aus. Bei dieser Sicht werde jedoch der subjektive Leidensdruck völlig ausser Acht gelassen. Die von der Beschwerdeführerin geschilderten Einschränkungen erschienen echt, wie dies bei chronischen Schmerz- und insbesondere Fibromyalgie-Patienten häufig der Fall sei. Daher sei eine halbe IV-Rente gerechtfertigt bzw. indiziert. 
3.2 Dass in somatischer Hinsicht keine schwer wiegenden Einschränkungen vorliegen, lässt sich schon früheren medizinischen Akten (Gutachten des Inselspitals Bern vom 29. Januar 1999; Arbeitsfähigkeit 100% in leichten und mittelschweren Tätigkeiten) entnehmen. In Bezug auf die körperliche Leiden ist daher keine Verschlechterung des Gesundheitszustandes glaubhaft gemacht. Die hauptsächlichen Beeinträchtigungen ergeben sich auf Grund der psychischen Probleme. Diesbezüglich hat Dr. med. I.________, Spezialarzt FMH für Psychiatrie und Psychotherapie, in seinem Gutachten vom 27. Februar 1999 eine Arbeitsunfähigkeit von 1/3 in Haushalt und bisherigem Beruf festgehalten. 
3.3 Der Bericht von Dr. S.________ vom 9. Mai 2001 vermag diese Einschätzung nicht in Zweifel zu ziehen. Darin wird eine Reihe von Ereignissen aufgelistet, welche Auswirkungen auf die psychische Verfassung der Beschwerdeführerin ausgeübt hätten. Soweit diese nicht als invaliditätsfremde Faktoren ausser Betracht fallen oder schon im Zeitpunkt der Untersuchung durch Dr. I.________ bekannt waren, sind sie nicht geeignet, eine relevante Verschlechterung des seelischen Gesundheitszustandes glaubhaft zu machen. Es wird auch nicht behauptet, dass sich die Versicherte nicht mehr aus eigener Kraft von den verschiedenen schweren Erlebnissen zu erholen vermöchte. Eine Berentung mit dem Ziel, der Versicherten "wieder ein Stück Autonomie und Lebensqualität" zu verschaffen, wie in diesem Bericht postuliert wird, ist IV-rechtlich nicht möglich. 
4. 
Die Beschwerdeführerin hat um unentgeltliche Verbeiständung für den kantonalen und den letztinstanzlichen Prozess ersucht. 
4.1 In diesem Punkt geht es nicht um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen. Deshalb hat das Eidgenössische Versicherungsgericht nur zu prüfen, ob das vorinstanzliche Gericht Bundesrecht verletzt hat, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG). 
4.2 Gemäss Art. 69 IVG in Verbindung mit Art. 85 Abs. 2 lit. f AHVG ist die unentgeltliche Verbeiständung vor der kantonalen Rekursbehörde zu bewilligen, wenn die Verhältnisse es rechtfertigen. Ob und unter welchen Voraussetzungen darauf ein Anspruch besteht, beurteilt sich somit nach Bundesrecht (vgl. BGE 110 V 57 Erw. 3a). Nach der Rechtsprechung sind in der Regel die Voraussetzungen für die Bewilligung der unentgeltlichen Verbeiständung erfüllt, wenn der Prozess nicht aussichtslos, die Parteibedürftig und die Verbeiständung durch einen Anwalt notwendig oder doch geboten ist (BGE 125 V 202 Erw. 4a und 372 Erw. 5b, je mit Hinweisen). 
4.3 Die Vorinstanz hat die unentgeltliche Verbeiständung im kantonalen Prozess wegen Aussichtslosigkeit abgelehnt. Als aussichtslos sind nach der bundesgerichtlichen Praxis Prozessbegehren anzusehen, bei denen die Gewinnaussichten beträchtlich geringer sind als die Verlustgefahren und die deshalb kaum als ernsthaft bezeichnet werden können. Dagegen gilt ein Begehren nicht als aussichtslos, wenn sich Gewinnaussichten und Verlustgefahren ungefähr die Waage halten oder jene nur wenig geringer sind als diese. Massgebend ist, ob eine Partei, die über die nötigen finanziellen Mittel verfügt, sich bei vernünftiger Überlegung zu einem Prozess entschliessen würde; eine Partei soll einen Prozess, den sie auf eigene Rechnung und Gefahr nicht führen würde, nicht deshalb anstrengen können, weil er sie nichts kostet (BGE 128 I 236 Erw. 2.5.3, 125 II 275 Erw. 4b, 124 I 306 Erw. 2c mit Hinweis). 
4.4 Angesichts der beigelegten medizinischen Unterlagen bestanden in der Tat keine Aussichten, mittels neuem Gesuch eine Leistung der Invalidenversicherung zu erwirken. Damit erscheint der kantonale Entscheid betreffend Ablehnung der unentgeltlichen Verbeiständung wegen Aussichtslosigkeit jedenfalls nicht als geradezu willkürlich und damit nicht als bundesrechtswidrig, weshalb er Stand zu halten vermag. 
4.5 Aus den gleichen Gründen ist auch die vorliegende Verwaltungsgerichtsbeschwerde als aussichtslos zu bezeichnen, weshalb das Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung auch letztinstanzlich nicht gewährt werden kann. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Das Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung wird abgewiesen. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, der Ausgleichskasse des Kantons Bern und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. 
 
Luzern, 25. März 2003 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der II. Kammer: Der Gerichtsschreiber: