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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
6B_865/2009 
 
Urteil vom 25. März 2010 
Strafrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Favre, Präsident, 
Bundesrichter Schneider, Wiprächtiger, Mathys, Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari. 
Gerichtsschreiber Faga. 
 
Parteien 
X.________,vertreten durch Rechtsanwalt Patrick Bürgi, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, 8090 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Strafzumessung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Strafkammer, vom 10. Juli 2009. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Das Obergericht des Kantons Zürich sprach X.________ mit Urteil vom 10. März 2008 schuldig der mehrfachen versuchten Tötung, der Widerhandlung gegen das Waffengesetz, der mehrfachen Drohung und der versuchten Nötigung. Es verurteilte ihn - unter Berücksichtigung von zwei widerrufenen Strafen von insgesamt 55 Tagen - zu einer Freiheitsstrafe von 14 Jahren als Gesamtstrafe unter Anrechnung der ausgestandenen Untersuchungs- und Sicherheitshaft sowie des vorzeitigen Strafvollzugs von 605 Tagen. Des Weiteren verpflichtete es X.________, dem Geschädigten A.________ eine Genugtuung von Fr. 40'000.-- zuzüglich 5 % Zins ab dem 20. Mai 2006 zu bezahlen. 
 
B. 
Die von X.________ erhobene Beschwerde in Strafsachen hiess das Bundesgericht mit Urteil vom 27. Dezember 2008 teilweise gut und wies die Sache zur neuen Beurteilung der Strafzumessung an die Vorinstanz zurück (Urteil 6B_579/2008). 
 
C. 
Mit Entscheid vom 10. Juli 2009 bestätigte das Obergericht des Kantons Zürich seinen Entscheid vom 10. März 2008 im Schuld- und Strafpunkt. 
 
D. 
X.________ führt erneut Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich sei aufzuheben, und er sei zu einer Freiheitsstrafe von höchstens 10 Jahren als Gesamtstrafe zu verurteilen. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Zudem ersucht er um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege. 
 
E. 
Das Obergericht des Kantons Zürich und die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich haben auf Vernehmlassung verzichtet. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
1.1 Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Strafzumessung. 
1.2 
1.2.1 Gemäss Art. 47 Abs. 1 StGB misst das Gericht die Strafe nach dem Verschulden des Täters zu. Es berücksichtigt das Vorleben, die persönlichen Verhältnisse sowie die Wirkung der Strafe auf das Leben des Täters. Die Bewertung des Verschuldens wird in Art. 47 Abs. 2 StGB dahingehend präzisiert, dass dieses nach der Schwere der Verletzung oder Gefährdung des betroffenen Rechtsguts, nach der Verwerflichkeit des Handelns, den Beweggründen und Zielen des Täters sowie danach bestimmt wird, wie weit der Täter nach den inneren und äusseren Umständen in der Lage war, die Gefährdung oder Verletzung zu vermeiden. Nach Art. 50 StGB hat das Gericht die für die Zumessung der Strafe erheblichen Umstände und deren Gewichtung festzuhalten. 
 
Es liegt im Ermessen des Sachgerichts, in welchem Umfang es die verschiedenen Strafzumessungsfaktoren berücksichtigt. Das Bundesgericht greift auf Beschwerde hin in die Strafzumessung nur ein, wenn die Vorinstanz den gesetzlichen Strafrahmen über- oder unterschritten hat, wenn sie von rechtlich nicht massgebenden Kriterien ausgegangen ist oder wesentliche Gesichtspunkte ausser Acht gelassen bzw. in Überschreitung oder Missbrauch ihres Ermessens falsch gewichtet hat (BGE 134 IV 17 E. 2.1 S. 19 f. mit Hinweisen). 
1.2.2 Hat der Täter durch eine oder mehrere Handlungen die Voraussetzungen für mehrere gleichartige Strafen erfüllt, so verurteilt ihn das Gericht zu der Strafe der schwersten Straftat und erhöht sie angemessen. Es darf jedoch das Höchstmass der angedrohten Strafe nicht um mehr als die Hälfte erhöhen. Dabei ist es an das gesetzliche Höchstmass der Strafart gebunden (Art. 49 Abs. 1 StGB). 
 
Bei der Bildung der Gesamtstrafe nach Art. 49 Abs. 1 StGB ist vorab der Strafrahmen für die schwerste Straftat zu bestimmen und alsdann die Einsatzstrafe für die schwerste Tat innerhalb dieses Strafrahmens festzusetzen. Schliesslich ist die Einsatzstrafe unter Einbezug der anderen Straftaten in Anwendung des Asperationsprinzips angemessen zu erhöhen (Urteil 6B_297/2009 vom 14. August 2009 E. 3.3.1 mit Hinweis). Der Richter hat mithin in einem ersten Schritt gedanklich die Einsatzstrafe für das schwerste Delikt festzulegen, indem er alle diesbezüglichen straferhöhenden und strafmindernden Umstände einbezieht. In einem zweiten Schritt hat er die Strafe zu erhöhen, um die weiteren Delikte zu sanktionieren. Auch dort muss er den jeweiligen Umständen Rechnung tragen (BGE 127 IV 101 E. 2b S. 104 mit Hinweis; Urteil 6S.378/2002 vom 11. Februar 2003 E. 3.2). Das Kumulationsprinzip, wonach für jedes einzelne Delikt eine Strafe festzusetzen ist und diese Strafen addiert werden, ist somit nicht vorgesehen (vgl. Günter Stratenwerth, Schweizerisches Strafrecht, Die Straftat, 3. Aufl. 2005, § 19 N. 27). 
 
1.3 Das Bundesgericht hat mit Urteil 6B_579/2008 vom 27. Dezember 2008 unter anderem erwogen, dass die Vorinstanz sämtliche relevanten Strafzumessungsfaktoren in ihre Beurteilung habe einfliessen lassen. Eine ermessensverletzende Gewichtung der Kriterien sei nicht ersichtlich. Die Vorinstanz habe erkannt, dass zwischen den verschiedenen Delikten echte Konkurrenz bestünde und daher gestützt auf Art. 49 Abs. 1 StGB eine Gesamtstrafe zu bilden sei. Hingegen liessen ihre Erwägungen nicht erkennen, von welcher Einsatzstrafe sie ausgegangen sei. Ohne ausdrückliche Festsetzung einer Einsatzstrafe sei nicht nachvollziehbar, ob und um wie viel diese Strafe auf Grund der anderen Straftaten erhöht worden sei und ob die Vorinstanz das Asperationsprinzip korrekt angewendet habe. Da sich der Begründung nicht rechtsgenüglich entnehmen lasse, welche Straftaten wie gewichtet worden seien, sei auch die ausgesprochene Gesamtstrafe im Ergebnis nicht überprüfbar (E. 4.3 f.). 
 
1.4 Die Vorinstanz erwägt, das objektive Verschulden des Beschwerdeführers sei in Bezug auf die versuchte vorsätzliche Tötung zu Lasten des Geschädigten A.________ als ganz erheblich zu würdigen. Diese Einschätzung sei ungeachtet dessen vorzunehmen, dass im ersten Urteil vom 10. März 2008 das Verschulden im Hinblick auf sämtliche verübten Taten gleich schwer beurteilt worden sei. Im hypothetischen Falle einer vollendeten Tötung sei eine Einsatzstrafe von rund 16 Jahren festzusetzen. Wäre zudem auch die versuchte Tötung zum Nachteil des Geschädigten B.________ vollendet worden, hätte das ganz erhebliche Verschulden zu einer Einsatzstrafe von 20 Jahren geführt. Das Mass der Strafreduzierung wegen vollendeten Versuchs sei auf ¼ respektive auf 5 Jahre festzusetzen. Unter Berücksichtigung der weiteren Delikte (mehrfache Drohung, versuchte Nötigung sowie Widerhandlung gegen das Waffengesetz) sei die hypothetische Strafe auf rund 16 Jahre zu bemessen. Da der Beschwerdeführer die versuchten Tötungen eventualvorsätzlich begangen habe und das Tatmotiv sein Verschulden nur wenig relativiere, erscheine eine hypothetische Freiheitsstrafe von knapp 14 ½ Jahren als angemessen. Endlich sei diese auf Grund insgesamt positiver Täterkomponenten auf knapp 14 Jahre zu bemessen. Unter Einbezug von zwei widerrufenen Strafen von gesamthaft 55 Tagen sei deshalb der Beschwerdeführer zu einer Freiheitsstrafe von 14 Jahren zu verurteilen (angefochtenes Urteil S. 16 ff.). 
 
1.5 Der Beschwerdeführer macht geltend, die Vorinstanz gehe, indem sie die hypothetische Einsatzstrafe auf 20 Jahre bemesse, von einem sehr schweren Verschulden aus. Das ihm zur Last gelegte ganz erhebliche Verschulden rechtfertige hingegen lediglich eine hypothetische Einsatzstrafe von maximal 16 Jahren. Weiter seien die Strafmasse für die mehrfachen Drohungen und die versuchte Nötigung unverhältnismässig hoch angesetzt worden. Schliesslich seien die Täterkomponenten deutlich strafreduzierend zu berücksichtigen. Eine Freiheitsstrafe von 10 Jahren sei seinem Verschulden angemessen (Beschwerde S. 5 ff.). 
 
1.6 
1.6.1 Ist bei der Bildung der Gesamtstrafe (in einem ersten Schritt) die Einsatzstrafe für die schwerste Tat festzusetzen und diese (in einem zweiten Schritt) unter Einbezug der anderen Straftaten angemessen zu erhöhen (E. 1.2.2 hievor), so ist das Vorgehen der Vorinstanz methodisch nicht richtig. Korrekterweise ist ausgehend von der schwersten Tat (der versuchten vorsätzlichen Tötung zum Nachteil von A.________) die hypothetische schuldangemessene Strafe für das vollendete Delikt festzulegen. Die hypothetische Strafe ist in der Folge unter Berücksichtigung des vollendeten Versuchs zu reduzieren. In gleicher Weise ist die hypothetische Strafe für die zweite versuchte Tötung zum Nachteil von B.________ zu bestimmen. Diese hat in Anwendung des Asperationsprinzips zu einer (ersten) angemessenen Erhöhung der Einsatzstrafe für die schwerste Tat zu führen. In einem weiteren Schritt sind die übrigen Delikte zu beurteilen, und es sind dafür unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände die hypothetischen Strafen zu ermitteln. Es ist aufzuzeigen, wie stark die Einsatzstrafe für die beiden Tötungsdelikte zu erhöhen ist, um diese übrigen Delikte zu sanktionieren. Nach der Festlegung der Gesamtstrafe für sämtliche Delikte sind endlich die Täterkomponenten zu berücksichtigen. Vorliegend wirkt sich das Vorgehen der Vorinstanz im Ergebnis jedoch nicht zum Nachteil des Beschwerdeführers aus (E. 1.6.2 ff.). Deshalb kann entsprechend der Rechtsprechung zur Begründung der Strafzumessung auf die Aufhebung des Urteils verzichtet werden (BGE 127 IV 101 E. 2c S. 104 f. mit Hinweisen). 
1.6.2 Die Vorinstanz stuft die objektive Tatschwere der versuchten vorsätzlichen Tötung zu Lasten von A.________ als ganz erheblich ein (angefochtener Entscheid S. 20 f.). Dies ist nicht zu beanstanden. Nach Massgabe dieses Verschuldens, das laut den Erwägungen der Vorinstanz die Grenze zum schweren respektive sehr schweren Verschulden nicht überschreitet, setzt sie die hypothetische Einsatzstrafe für das schwerste Delikt - richtigerweise ausgehend vom vollendeten Delikt - auf 16 Jahre und somit knapp im oberen Bereich des Strafrahmens von Art. 111 StGB fest. Diese Einsatzstrafe hält sich innerhalb des sachrichterlichen Ermessens. 
 
Dass die Vorinstanz in der Folge den Versuch nicht für das erste Tötungsdelikt, sondern für beide Tötungsdelikte zusammen reduzierend berücksichtigt und die subjektive Tatschwere in einem späteren Zeitpunkt (ausgehend von sämtlichen Delikten) würdigt, ist methodisch nicht korrekt. Dies wirkt sich jedoch nicht zum Nachteil des Beschwerdeführers aus, ebenso wenig der Umstand, dass die Vorinstanz darauf verzichtet, eine hypothetische Strafe für die zweite versuchte Tötung zum Nachteil von B.________ festzulegen. 
 
Während sich die hypothetische Einsatzstrafe von 20 Jahren auf beide Tötungsdelikte bezieht, knüpft das ganz erhebliche Verschulden nicht an beide Hauptdelikte zusammen, sondern lediglich an ein Delikt allein an (angefochtener Entscheid S. 21, E. 2.3.4.2.). Wird die Einsatzstrafe für das erste Tötungsdelikt auf 16 Jahre und für beide Tötungsdelikte auf 20 Jahre festgesetzt, so kommt dem zweiten Tötungsdelikt eine Strafschärfung im Umfang von 4 Jahren zu. Damit verletzt die Vorinstanz das ihr zustehende Ermessen nicht, nachdem das entsprechende Verschulden für das Delikt zum Nachteil des Geschädigten B.________ in vertretbarer Weise ebenfalls als gravierend eingestuft wird (angefochtener Entscheid S. 21, E. 2.3.4.1.). 
1.6.3 Soweit der Beschwerdeführer sinngemäss vorbringt, die Vorinstanz habe die Einsatzstrafe unter Berücksichtigung der ihm zur Last gelegten Delikte der mehrfachen Drohung und der versuchten Nötigung übermässig erhöht (Beschwerde S. 6), genügt die Beschwerde den Anforderungen von Art. 42 Abs. 2 BGG nicht. Die Vorinstanz stuft sein Verschulden unter Hinweis auf die von ihm ausgesprochenen massiven Drohungen und die versuchte Nötigung als erheblich ein (angefochtener Entscheid S. 21 f.). Mit diesen Erwägungen setzt sich der Beschwerdeführer nicht auseinander. Im Übrigen ist eine ermessensverletzende Gewichtung dieser Straftaten nicht ersichtlich. 
1.6.4 Ebenso wenig kann dem Argument des Beschwerdeführers gefolgt werden, wonach die Vorinstanz den überwiegend positiven Täterkomponenten insgesamt zu wenig Gewicht beigemessen habe (Beschwerde S. 7). Die einzelnen Bewertungen beanstandet er nicht. Im Übrigen gibt der Beschwerdeführer die vorinstanzlichen Erwägungen unrichtig respektive unvollständig wieder. Die Vorinstanz wertet sein Verhalten im Strafvollzug lediglich als positiv und berücksichtigt insbesondere den Umstand, dass er während der Probezeit zweier Vorstrafen erneut delinquierte, deutlich straferhöhend. Eine ermessensverletzende Gewichtung dieser Faktoren ist nicht ersichtlich. 
1.6.5 Im Ergebnis hält sich die ausgesprochene Freiheitsstrafe von 14 Jahren innerhalb des sachrichterlichen Ermessens und ist bundesrechtlich nicht zu beanstanden. 
 
2. 
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist abzuweisen, da die Beschwerde von vornherein aussichtslos war (Art. 64 Abs. 1 BGG e contrario). 
 
Bei diesem Verfahrensausgang sind die bundesgerichtlichen Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). Seinen angespannten finanziellen Verhältnissen ist mit reduzierten Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 25. März 2010 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
Favre Faga