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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
9C_22/2013 
 
Urteil vom 25. April 2013 
II. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Kernen, Präsident, 
Bundesrichterinnen Pfiffner Rauber, Glanzmann, 
Gerichtsschreiberin Bollinger Hammerle. 
 
Verfahrensbeteiligte 
G.________, 
vertreten durch Dr. med. T.________, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
CONCORDIA Schweizerische Kranken- und Unfallversicherung AG, Bundesplatz 15, 6003 Luzern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Krankenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau 
vom 5. Dezember 2012. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Die 1951 geborene G.________ ist im Rahmen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung bei der Concordia Schweizerische Kranken- und Unfallversicherung (im Folgenden: Concordia) versichert. Am 14. September 2011 wurde auf Veranlassung des Dr. med. T.________, Direktor der Venenklinik Bellevue, eine Laboruntersuchung durchgeführt, welche Gesamt-Kosten in Höhe von Fr. 643.30 verursachte (Rechnung der medica, medizinische Laboratorien Dr. F.________ AG, vom 22. September 2011). Die Condordia holte zu den genetischen Untersuchungen ergänzende Angaben bei Dr. med. T.________ vom 21. Oktober 2011 und eine Stellungnahme ihres Vertrauensarztes Dr. med. S.________, vom 2. November 2011 ein. Am 10. November 2011 hielt sie fest, die medizinische Indikation für den genetischen Untersuch sei nicht gegeben, weshalb die obligatorische Krankenpflegeversicherung die Kosten nicht übernehme. Mit Schreiben vom 16. November 2011 bzw. 9. Januar 2012 verlangten Dr. med. T.________ und G.________ eine beschwerdefähige Verfügung. Nach nochmaliger Stellungnahme des Vertrauensarztes Dr. med. S.________ vom 19. Januar 2012 verfügte die Concordia am 13. Februar 2012 die Ablehnung der Kostenübernahme für den genetischen Untersuch. G.________ erhob am 9. März 2012 Einsprache unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme des Dr. med. T.________ vom 8. März 2012. Die Concordia holte eine weitere Einschätzung ihres Vertrauensarztes Dr. med. S.________ vom 21. März 2012 ein und wies die Einsprache mit Entscheid vom 9. August 2012 ab. 
 
B. 
Die hiegegen eingereichte Beschwerde der G.________, mit welcher sie insbesondere eine Begründung des Dr. med. T.________ vom 17. August 2012 ins Recht legte, wies das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau mit Entscheid vom 5. Dezember 2012 ab. 
 
C. 
G.________, vertreten durch Dr. med. T.________, lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und sinngemäss die Aufhebung des angefochtenen Entscheides sowie des Einspracheentscheides und Kostengutsprache für die durchgeführten Laboruntersuchungen beantragen. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren Sachverhaltsfeststellung nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann eine Beschwerde mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (BGE 137 II 313 E. 1.4 S. 317 f. mit Hinweis). Trotzdem obliegt es der Beschwerde führenden Partei, sich in ihrer Beschwerde sachbezogen mit den Darlegungen im angefochtenen Entscheid auseinanderzusetzen (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG). Das Bundesgericht prüft unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht - vorbehältlich offensichtlicher Fehler - nur die in seinem Verfahren geltend gemachten Rechtswidrigkeiten. Es ist jedenfalls nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen werden. 
 
2. 
Die Vorinstanz legt die Rechtsgrundlagen zur Kostenübernahme von Leistungen durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung (Art. 25-31 KVG) zutreffend dar, worauf verwiesen werden kann. Korrekt sind insbesondere die Hinweise zum Unterschied zwischen diagnostischen Massnahmen gemäss Art. 25 KVG und Untersuchungen zur Früherkennung von Krankheiten im Sinne von Art. 26 KVG. Dieser liegt darin, dass Erstere stets im Zusammenhang mit der Untersuchung oder Behandlung einer manifesten Erkrankung oder eines konkreten Krankheitsverdachtes stehen, weshalb für diagnostische Massnahmen im Rahmen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung eine Leistungspflicht nur dann besteht, wenn das versicherte Risiko (Gesundheitsstörung) entweder bereits eingetreten ist oder mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit einzutreten droht. Demgegenüber haben präventive Massnahmen zur Früherkennung von Krankheiten zum Ziel, ein gesundheitliches Risiko aufzudecken, bevor es eintritt oder einzutreten droht. Sie sind deshalb von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung unabhängig vom Vorliegen einer Krankheit oder eines Krankheitsverdachtes zu übernehmen (Urteil K 55/05 vom 24. Oktober 2005 E. 1.1 mit Hinweisen). Richtig ist schliesslich, dass der Bundesrat in verbindlichen und abschliessenden Positivlisten u.a. die Leistungen für medizinische Prävention bezeichnet (Art. 33 Abs. 2 i.V.m. Art. 26 KVG; Art. 33 lit. d KVV; Art. 12 KLV; BGE 127 V 328 E. 3a S. 332; RKUV 2005 Nr. KV 324 S. 109 f. E. 2.1). 
 
3. 
Streitig und zu prüfen ist die Leistungspflicht der Beschwerdegegnerin für die genetische Laboruntersuchung vom 14. September 2011. Nach übereinstimmender Darstellung der Parteien belaufen sich die Kosten für diesen bestrittenen Untersuch auf Fr. 154.00. 
 
3.1 Das kantonale Gericht stellte fest, Dr. med. T.________ habe die Laboruntersuchung im Hinblick auf eine anstehende Operation angeordnet, weil bei der Versicherten in der Vergangenheit wiederholt Thrombosen des oberflächlichen Venensystems aufgetreten seien. An einer "eigentlichen" Thrombose im Sinne tiefer Venenthrombosen habe die Versicherte bis dato nicht gelitten. Es erwog, gestützt auf die Beurteilungen des Vertrauensarztes der Beschwerdegegnerin, auf die abzustellen sei, reiche die Diagnose von Thrombophlebitiden (oberflächliche Venenentzündungen) nicht aus für einen begründeten Verdacht auf eine Thrombophilie, zumal weder familiär noch persönlich eine Vorgeschichte von tiefen Venenthrombosen oder Lungenembolien dokumentiert sei. Mangels konkretem Krankheitsverdacht sei die Laboruntersuchung daher als Früherkennungsmassnahmen im Sinne von Art. 26 Abs. 1 KVG zu qualifizieren. Kosten für genetische Laboruntersuchungen könnten aber gemäss Art. 12d lit. f KLV als Massnahmen zur frühzeitigen Erkennung von Krankheiten nur bei Verdacht auf das Vorliegen einer Prädisposition für eine familiäre Krebskrankheit von der obligatorischen Krankenversicherung vergütet werden. In Zusammenhang mit der Abklärung einer allfälligen Thrombophilie bestehe keine Leistungspflicht der obligatorischen Krankenpflegeversicherung, weshalb die Ablehnung der Kostenübernahme zu Recht erfolgt sei. 
 
3.2 Die Beschwerdeführerin lässt geltend machen, die Untersuchungen seien erfolgt, weil für die wiederholten oberflächlichen Venenthrombosen klinisch keine genügende Erklärung habe gefunden werden können. Die Resultate der Laboruntersuchungen erlaubten es, im perioperativen Verlauf die prophylaktische Behandlung mit teuren niedermolekularen Heparinen den tatsächlichen Gegebenheiten anzupassen, indem bei positiven Laborwerten die Thromboseprophylaxe verlängert werden müsse, um das Risiko einer postoperativen Thrombose günstig zu beeinflussen. Es sei nicht korrekt, dass eine mögliche Thrombose durch die Laboranalyse nicht sehr erheblich beeinflusst werden könne und bei einer 60-jährigen Frau eine genetische Ursache einer erhöhten Thromboseneigung auszuschliessen sei. Die streitige Laboruntersuchung sei einerseits diagnostischer Natur gewesen, da seit längerem eine manifeste Erkrankung (wiederholte Thrombosierung von Blut in oberflächlichen Venen) bestanden habe. Anderseits könne durchaus auch argumentiert werden, es habe sich dabei um eine präventive Massnahme zur Früherkennung einer Krankheit gehandelt, die postoperativ auftreten könnte. Mit Blick auf die wiederkehrenden oberflächlichen Venenthrombosen ohne erkennbare eindeutige Ursache sei von einer erhöhten Thromboseneigung auszugehen. Diese habe mit der Lokalisation der Thrombosen nichts zu tun und es könne auch wissenschaftlich nicht argumentiert werden, oberflächliche Venenthrombosen indizierten eine Störung der Blutgerinnung weniger als tiefe Venenthrombosen. 
 
4. 
Die Vorbringen der Beschwerdeführerin beschränken sich weitgehend darauf, die eigene Sicht des Dr. med. T.________ der vorinstanzlichen Begründung gegenüberzustellen und darzulegen, dass und weshalb die im Vorfeld der Operation vom 15. Dezember 2011 erfolgten Laboruntersuchungen aus medizinischer Sicht sinnvoll und angezeigt waren. Soweit die Ausführungen nicht als unzulässige appellatorische Kritik zum vornherein ausser Acht bleiben müssen (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG), vermögen sie weder eine Bundesrechtswidrigkeit der vorinstanzlichen Beweiswürdigung noch eine anderweitige Verletzung von Bundesrecht darzutun. 
Zunächst ist eine Beweiswürdigung nicht bereits dann willkürlich, wenn eine andere Lösung ebenfalls vertretbar erscheint oder gar vorzuziehen wäre, sondern erst, wenn der Entscheid offensichtlich unhaltbar ist, zur tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht oder auf einem offenkundigen Fehler beruht (BGE 127 I 54 E. 2b S. 56; vgl. auch BGE 135 V 2 E. 1.3 S. 4 f.). Dies trifft hier klar nicht zu. Das kantonale Gericht verletzte kein Bundesrecht, indem es ausgehend von der Einschätzung des Vertrauensarztes Dr. med. S.________ einen konkreten Verdacht auf eine Thrombophilie verneinte und demzufolge den diagnostischen Charakter der streitigen Laboranalysen verneinte. Die (sinngemässe) Rüge der Versicherten, das kantonale Gericht habe zu Unrecht die diagnostische Natur der Untersuchungen verneint, ist im Übrigen aus nachfolgend dargelegten Gründen ohnehin nicht entscheidwesentlich. Gemäss Ausführungen des Vertrauensarztes, auf welche die Vorinstanz ohne Verletzung von Bundesrecht abstellte, hätte zu Diagnosezwecken zunächst lediglich eine (kostengünstige) Bestimmung der APC-Resistenz stattfinden sollen, in deren Anschluss allenfalls - abhängig vom Resultat der Analyse - über die (zwingende) Notwendigkeit einer Thrombophilie-Abklärung hätte entschieden werden können (Stellungnahme vom 27. August 2012). Abgesehen davon, dass sich die Beschwerdeführerin mit den entsprechenden Ausführungen des Vertrauensarztes überhaupt nicht auseinandersetzte, erwog das kantonale Gericht zu Recht, die (genetische) Untersuchung erfülle bereits aus diesem Grund die Wirtschaftlichkeitskriterien (Art. 32 Abs. 1 und Art. 56 Abs. 1 KVG) nicht. Die obligatorische Krankenversicherung hätte demnach selbst dann die Kosten nicht zu übernehmen, wenn es sich um eine diagnostische Massnahme nach Art. 25 KVG handeln würde (was offen bleiben kann). Eine Kostenübernahme gestützt auf Art. 26 KVG kommt mangels Aufnahme dieser Untersuchung als Präventivmassnahme in die entsprechende Positivliste des Art. 12 KLV nicht in Frage, wie dies die Vorinstanz unter Berufung auf das bundesgerichtliche Urteil K 55/05 vom 24. Oktober 2005 (E. 2.3.2) zutreffend dargelegt hat. 
Mit Bezug auf die übrigen Laborkosten hat die Beschwerdegegnerin soweit ersichtlich noch nicht verfügt. 
 
5. 
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die Gerichtskosten werden der unterliegenden Beschwerdeführerin auferlegt (Art. 65 Abs. 4 lit. a in Verbindung mit Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt. 
 
Luzern, 25. April 2013 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Kernen 
 
Die Gerichtsschreiberin: Bollinger Hammerle